Ich hielt meinen Blick weiter gesenkt, versuchte jedoch soviel von meiner Umgebung wahrzunehmen wie es nur ging. Nach einer Weile bogen wir rechts ab, der Boden wurde unebener und weniger gepflastert. Hier mussten auch weniger Menschen sein, da Jody nicht mehr so oft gegrüßt wurde.
Irgendwann blieben wir vor einer Tür stehen. Ich hörte wie Schlüssel klirrten, einer musste in einem Schlüsselloch gedreht worden sein, da kurze Zeit später die Tür knarrend aufsprang.
„Geh rein." Ein leicht mulmiges Gefühl erfasste mich, doch ich trat über die Türschwelle auf einen hölzernen Boden. Es roch angenehm erdig, ein Hauch von Minze lag in der Luft.„Du kannst die Kapuze abnehmen."
Ich zögerte für einen Moment, doch griff schließlich nach dem Stück Stoff.
Ich befand mich in einer kleinen Hütte, die Wände waren aus Stein und der Boden mit Holzdielen ausgelegt. Vor mir stand ein Tisch, an dem zwei Stühle Platz hatten, dahinter schaute eine Küchenzeile hervor. Auf der rechten Seite führte eine schmale Treppe nach oben, vermutlich zu einem Schlafzimmer.
Es war sehr aufgeräumt, fast schon, als würde hier niemand wohnen.„Es ist nicht viel, aber für ein Zuhause reicht es aus." Jody schaute mich immer noch nicht an, sie blickte stattdessen mit dem Rücken zu mir aus dem Fenster in der Küche.
Ich stand noch immer an derselben Stelle. Wieso hat sie mich hierher gebracht? Verwirrt wartete ich ab, bis Jody erneut zu sprechen begann.
„Du bleibst zunächst hier, es ist sicherer wenn niemand in Zitan deine wahre Identität kennt, es reicht schon, dass es die Piraten wissen."
Zitan, den Namen hatte ich vor einer Woche schon gehört. Zuvor sagte er mir nichts, zumindest habe ich im Unterricht nie genug aufgepasst, um damit etwas anfangen zu können.„Oben steht eine Wanne, draußen hinter dem Haus befindet sich ein kleiner Brunnen, aus dem du Wasser schöpfen kannst. Ich gehe kurz in die Stadt, stell nichts Dummes an, bis ich wieder zurück bin."
Mit diesen Worten zog Jody an mir vorbei, ihren Blick konzentriert auf den Boden gesenkt.
Erst als die Tür ins Schloss viel, erlaubte ich mir zu atmen. Ich war in Jodys Haus und konnte mich frei bewegen. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass ich zu einem Gefängnis gebracht werde, doch stattdessen war ich hier.Ich blinzelte meine Verwunderung weg und nahm die schmale Holztreppe nach oben. Tatsächlich befand sich eine Wanne in dem Raum, gegen ein Bettende gestellt. Ansonsten war der Raum mit Ausnahme von einem Eimer und mehreren maßgeschnitzten Schränken leer. Jody schien nicht oft Zuhause zu sein, auf den ersten Blick wirkten einige der Möbel kaum benutzt.
Ich griff nach dem Eimer und begab mich zurück nach unten. Ich drängte die vielen Fragen in meinem Kopf in den Hintergrund und nutzte die freie Zeit. Zuerst lief ich nach draußen und suchte den Brunnen auf. Ich musste meine restliche Kraft aufwenden, um den vollen Eimer wieder herauszuziehen. Ich war so schwach geworden. Insgesamt lief ich weitere zwei Mal zurück, um den Eimer erneut zu füllen. Doch als ich den letzten Eimer erfolgreich in die Wanne schüttete, wurde mir schwindelig.
Ich hatte seit meiner Flucht vor knapp zwei Wochen keine nahrhafte Mahlzeit mehr gegessen. Langsam gab mein Körper auf. Unten in der Küche stand eine große Truhe in der bestimmt eingelegte Kost trocken gelagert wurde. Doch es fühlte sich falsch an, einfach so an Jodys Vorräte zu gehen. Sie schien trotz ihres Ranges hier nicht im Gold zu schwimmen.
Stattdessen zog ich mir die Kleider vom Körper und stieg in die Wanne. Das Wasser war zwar nicht warm, doch es fühlte sich gut an zu spüren, wie sich der Schmutz von meiner Haut löste. In dem Eimer hatte ich einen kleinen Rest des Wassers gelassen, welchen ich mir nun über meine Haare goss.
Ich massierte meine Kopfhaut. Meine Haare waren dünner geworden.
Zeitgleich hörte ich, wie die Tür unten erneut ins Schloss viel. Jody war zurück. Nur wenig später kamen Schritte die Treppe hoch, auf der halben Strecke verstummte jedoch das Geräusch. Angespannt blieb ich in der Wanne sitzen. Ich konnte den Scheitel von Jodys schwarzen Haaren sehen. Ihr Arm kam zum Vorschein, sie legte einen gefalteten Stapel an Klamotten auf den Boden vor mir und ein größeres Stück Stoff.Ohne ein Wort lief sie wieder die Treppe herunter. Ich wartete bis die Schritte verstummten und ich andere Geräusche von unten vernehmen konnte. Eine lange Zeit starrte ich auf die Klamotten, bevor ich aus der Wanne stieg. Mit dem größeren Stück Stoff trocknete ich mich ab. Doch ich fragte mich, weshalb Jody mich bei ihr im Haus ließ und mir noch dazu Klamotten gab. Vor wenigen Stunden noch saß ich gefangen in einer Zelle und wurde nicht von ihr beachtet.
Da ich nicht wusste, was mich als Nächstes erwartete, beeilte ich mich nicht gerade. Ich machte mich mit den Klamotten vertraut, sie bestanden aus einer weißen Bluse, einem schwarzen Korsett und einer ledernen Hose.
Ich habe noch nie in meinem Leben eine Hose getragen.
Neugierig schlüpfte ich in sie hinein und war positiv überrascht wie angenehm sie sich anfühlte. Als Nächstes zog ich mir die Bluse und das Korsett an.Ich zögerte den Moment weiter hinaus, in dem ich mich in dem Raum umsah. Zugern hätte ich die Regale geöffnet und mir deren Inhalt angeschaut, doch sie waren alle abgeschlossen. Verwundert blickte ich mich weiter um, als eine Stimme von unten meine Erkundungstour unterbrach.
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Meer aus Lügen
RomanceAls Prinzessin Elira von Andell zwangsverheiratet werden soll flieht sie, nur um wenig später von Piraten festgenommen zu werden. Um zu überleben, verstrickt sie sich in ein Meer aus Lügen. So gut es geht passt sie sich an die Piraten auf dem Schif...