16. Meer aus Lügen

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Mein Herz begann so kräftig zu pochen, dass ich mir Sorgen machte es könnte herausspringen. Das Wasserplätschern wurde immer lauter, bis ich Jody in der Wasserspiegelung vor mir sah. Meinen Blick hielt ich jedoch gesenkt.

„Welche Dienerin ist so gehorsam und verweigert dennoch für den König zu arbeiten?" Panik kam in mir hoch, ich wusste nicht, wie ich antworten soll. Die Wahrheit war schließlich keine Option. Plötzlich spürte ich wie etwas mein Kinn anhob, Jodys Hand. Die Berührung hatte fast schon etwas sanftmütiges an sich.
„Ist es nicht die größte Ehre eines jeden?"
Ihre Worte trieften nur so vor Spott.
Ich konnte ihr nun direkt in ihre grauen Augen schauen, sie wirkten weniger stürmisch als sonst. Wir standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, ich konnte ihren Atem auf meiner Haut spüren. Dennoch zwang ich mich kein einziges Mal zu blinzeln, während sie mit ihren Augen abwechselnd tief in meine starrte.

Sie beugte sich weiter vor, ihre Lippen strichen leicht über mein Ohr als sie flüsterte.
„Du verheimlichst mir etwas. Ich werde früher, oder später schon noch herausfinden was es ist."
Der warnende Unterton gefolgt von einem strengen Blick hätte mein Hinweis sein sollen, dass ich mich auf ganz dünnem Eis bewegte. Wenn ich nicht aufpasste, dann würde Jody diejenige sein, die es zum Schmelzen bringt und so gleichzeitig mein Meer aus Lügen freilegt.

Im nächsten Moment zog sie ihre Hand wieder zurück und fing an zu schwimmen, als wäre nichts gewesen. Ich hingegen bewegte mich nicht. „Eine Ehre wäre es nur, wenn der König sein Volk nicht missachten und ausnutzen würde." Es klang wütender als beabsichtigt. Überrascht diese Worte laut ausgesprochen zu haben blinzelte ich kräftig. Als Jody sich jedoch auf den Rücken drehte, um mich anzusehen, sammelte ich mich schnell wieder.

Ihr typisches verschmitztes Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. Was alles von einer Attacke auf mich bis hin zu einem Friedensangebot mit einem Apfel nach sich ziehen konnte. Zu meiner Verwunderung ging ihre Reaktion in keines der Extreme. „Das klingt nach tiefsitzendem Hass. Respekt, damit hatte ich aus deinem Mund nicht gerechnet."

Und tatsächlich meinte ich jedes einzelne Wort, was ich vorhin über meinen eigenen Vater sagte. Erschreckender war jedoch, dass ich es kein wenig bereute, es war eher befreiend diesen Gedanken laut auszusprechen.

Verwirrt stieg ich aus dem See. Jody tat es mir gleich. Aus Respekt wandte ich ihr den Rücken zu, um mir mein Kleid wieder überzuziehen, waschen könnte ich es später noch. Dabei viel mir auf, dass ein weiterer Haufen Kleidung neben dem meinem lag. Super, Jody musste natürlich ihren Kram genau hier ablegen.

Ich ließ mich nicht von Jodys sichtlich amüsiertem Lachen irritieren. Einen heimlichen Blick auf ihren Körper konnte ich dennoch nicht vermeiden.
Mit ihren kräftig definierten Armen griff sie nach ihrer Bluse. Mein Blick wanderte weiter und blieb einige Sekunden lang unter ihren Schlüsselbeinen hängen. Ich sollte mich schämen, doch ihr Körper zog mich in einen Bann, aus dem ich nicht entkam. Oder gab ich mich dem freiwillig hin?

Das war mir in dem Moment egal, stattdessen wanderten meine Augen tiefer. Ihr flacher Bauch war so definiert wie ihre starken Armmuskeln. Ehe ich meinen Blick noch sündhaft tiefer gleiten ließ, fiel Jodys Bluse über ihre Haut.

Die Röte schoss mir zurück in die Wangen, schnell blickte ich zu Boden, was mir ein weiteres Lachen von Jody einhandelte.

„Ich sollte wohl wieder zurück zum Schiff." Ohne eine Antwort abzuwarten verschwand ich wieder in dem Waldstück aus dem ich gekommen war, bis mich wieder die Meereswellen begrüßten und ich das Schiff erklomm.

Die darauffolgenden Zeit verlief ungewöhnlich friedlich. Die vergessene Insel schien so etwas wie ein Ruhetag eingeläutet zu haben. Die Piraten hatten sich weitestgehend an mich gewöhnt. In gewisserweise konnte ich mir mit der Planung des Überfalls Respekt verschaffen. Durch die ganzen Besprechungen musste ich auch weniger oft das Schiff schrubben und Bier ausschenken.

Respekt war zwar in Bezug auf Jody nicht wirklich ein treffendes Wort, aber auch sie schien mich mehr zu tolerieren. Wir sprachen zwar nicht viel miteinander, was mich erleichterte, da mir die Situation am See zutiefst unangenehm war, doch etwas schien sich zwischen uns zu verändern. Noch am selben Tag wie auch der Ausflug zur vergessenen Insel reichte mir Jody meinen Stoffbeutel. Ich prüfte den Inhalt und stellte zu meinem Erstaunen fest, dass fast alles bis auf das Taschenmesser noch da war.

Nicht nur das, ganz unten fand ich sogar einen Anhänger. An ihm war ein kleiner Bär aus Holz befestigt. Ich hatte ihn zuvor nicht gesehen, doch er konnte nur von Anton gewesen sein. Während unserer Reise durch den Wald hatte er mir erzählt, dass er eines Tages, wenn er ganz groß ist, einen riesigen Bären in seiner Falle haben würde. Ich strich behutsam über das geschnitzte Holzstück.
Hoffentlich ging es ihm gut.

Zwei Tage nach unserem Aufenthalt auf der vergessenen Insel machten wir erneut Halt, in Lanis. Trotz meiner neuen Freiheiten durfte ich nicht mit von Bord, sondern war dazu verpflichtet das Innere des Schiffes zu putzen. Zum ersten Mal war ich dankbar gefangen auf dem Schiff zu sein, denn ab diesem Punkt könnten überall Soldaten lauern, die nach mir fahndeten.

Ein paar der Piraten blieben mit mir auf dem Schiff, nutzten die Zeit jedoch aus ein Mittagsschlaf zu halten. Nervös schrubbte ich einen der vielen Holztische. Alles war ungewöhnlich ruhig an Bord, bis ich plötzlich einen spitzen, scharfen Gegenstand an meiner Kehle spürte.
„Sieht so aus als hätte ich dein kleines Geheimnis doch früher, als später herausgefunden."

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Hallo zusammen,
tut mir leid, dass ich erst so spät hochlade, aber dafür ist das Kapitel ein wenig länger als sonst :).

Meer aus LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt