5. Holzhütte

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„Verdammt!" war das erste was ich wahrnahm. Das zweite war die Dunkelheit, die mich noch immer umgab. Oder wieder? Wie lang lag ich hier schon? Vorsichtig stützte ich mich auf meinen Armen ab. Und dann spürte ich auch schon das dritte, stechende Kopfschmerzen. Der Schmerz ließ mich laut aufstöhnen.

„Du bist wach, endlich."
Mein Blick folgte der Stimme, nach oben. Dort leuchtete jemand mit einer Laterne nach unten, dass Gesicht konnte ich nicht sehen.
„Bist du verletzt?" Besorgnis lag ihn der Stimme.
Ich dachte an meine Kopfschmerzen. „Nein, ich glaube nicht." Es war offensichtlich gelogen, aber noch mehr Aufmerksamkeit brauchte ich auch nicht.

„Gut. Ich werfe dir ein Seil runter, damit du rausklettern kannst." Diesmal nickte ich nur, doch die Person schien zu verstehen. Mein Hals war zu trocken um laut sprechen zu können.
Im Schein der Laterne erkannte ich das Seil. Ich nahm all meine Kraft zusammen und stand auf. Mein Kopf pochte noch immer stark, dennoch griff ich entschlossen nach dem Seil.

Schritt für Schritt kletterte ich weiter nach oben, während die Person das Seil weiter zu sich zog. Es dauerte nicht lang, bis ich mich erleichtert auf das bemooste Gras legen konnte.
Erst dann bemerkte ich wieder die Laterne, welche von einem Jungen nicht älter als zwölf, auf mich gerichtet wurde.

„Mein Gott, du blutest." Mit seinem Finger zeigte er auf meine Stirn. Erschrocken hielt ich meine Hand an die Stelle. Eine warme rote Flüssigkeit klebte nun an meinen Fingern. Das würde das Pochen meines Kopfes erklären.

„Es tut mir so leid. Ich hätte ein Schild aufstellen sollen, oder wenigstens eine Fahne an den Baum binden können." Er wurde immer hektischer, die Laterne schwang wild in seiner Hand.
„Du kannst da nichts für." Das konnte ich natürlich nicht wissen, aber seines Schuldgefühls nach zu Urteilen, war es keine Absicht.

„Normalerweise laufen hier keine Menschen lang. Ich dachte vielleicht fällt ein Bär, oder wenigstens ein Hase in die Falle." Dafür war also das Loch gedacht. Ich stand wieder auf, wobei ich kurz brauchte um mein Gleichgewicht zu finden. „Am Besten vergessen wir einfach diese Begegnung, du kümmerst dich um deine Falle und ich führe meinen Weg fort."

Ich zog meinen Stoffbeutel fester und drehte mich gerade um, als der Junge mich am Arm festhielt. „Warte, du bist verletzt, so kannst du nicht weiter laufen." Ich beachtete ihn nicht.
„Die Wunde könnte sich entzünden. So kommst du nicht weit." Mist, ohne medizinische Versorgung würde ich tatsächlich langsamer unterwegs sein.

„Ich wohne nicht weit von hier. Meine Oma weiß was zu tun ist, komm." Abschätzend blickte ich ihn an. Hatte ich eine bessere Option?
„Na gut." Ich folgte ihm. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

Er nahm meine Hand und führte mich durch den Wald. Ich war überrascht wie gut er sich für sein Alter zwischen den ganzen Bäumen auskannte. Er stolperte kein einziges Mal, als würde er die Position jeder Wurzel und jeden Steines genauestens wissen.

Wir kamen vor einer kleinen Holzhütte zum Stehen. Sie stand mitten im Wald. Auf einigen Holzlatten befand sich eine dünne Moosschicht, andere wirkten bereits morsch. Der Junge hing seine Laterne an einen Haken neben der Tür, bevor er dreimal gegen sie klopfte.

Wenig später schwang die Tür mit einem ächzenden Geräusch auf und eine Frau blickte erst zu dem Jungen und dann überrascht zu mir. „Anton, wer ist das?"
„Ich habe sie in meiner Falle gefunden, sie ist am Kopf verletzt."
Erst jetzt schien sie meine Platzwunde zu bemerken. „Um Himmels Willen, kommt schnell rein."

Zögerlich betrat ich die Hütte.
Wärme empfing mich. Es lag leicht ein Geruch von Kräutern in der Luft.
„Bitte setz dich." Antons Oma rückte einen Holzstuhl zurecht. Ich nahm Platz. Kaum saß ich griff sie nach einem Leinentuch. Sie ging zu einem steinernen Kamin, ein kleines Feuer brannte dort. Darüber hing ein Kessel, das Tuch tauchte sie dort hinein.

Sie eilte sofort wieder zu mir rüber. Dabei fiel ihr seitlich eine Strähne ins Gesicht. Für einen Moment erinnerte mich Antons Oma an Edith, nur das ihre Haare bereits grau und nicht blond waren. „Dann wollen wir mal sehen." Mit einem aufmunternden Lächeln beugte sie sich vor und hielt mir das feuchte Leinentuch gegen die Stirn. Behutsam reinigte sie die Wunde. Anton stellte ihr eine kleine Schale gefüllt mit Wasser auf den Tisch vor uns.

„Anton ich brauche Rosmarin und einen Zweig von meinem Thymian." Anton, der besorgt zugeschaut hatte lief nun schweigend zu einem Fenster. Darüber hingen unzählige Kräuter an ein Seil befestigt. Ohne zu zögern riss er Blätter von dem Gewächs ab. Dann öffnete er einen hölzernen Schrank daneben. Und dann noch einen, der höher an der Wand hing. Auf Zehenspitzen konnte er ihn allerdings gerade so erreichen. Die Schrankzeile schien selbst gebaut worden zu sein, alle Schränke waren aus einem anderen Holz und manche Schranktüren wurden etwas schief befestigt.

Außer der Küche, dem Tisch an dem Antons Oma und ich saßen und zwei Betten, die jeweils an einer Seite des Kamins standen befand sich nichts mehr in der Hütte. Wieso hatten diese Leute mich in ihr Haus gelassen, wenn sie offensichtlich gerade so genug hatten, um selbst zu überleben?

„Mit der richtigen Salbe wirst du ganz schnell wieder geheilt sein." Zuversicht sprach aus den Augen von Antons Oma. „Danke."
Sie wrang das Tuch in dem mittlerweile rötlich gefärbten Wasser aus. „Wie ist dein Name Kind?"

Panik stieg in mir auf. Ich konnte nicht meinen richtigen Namen nennen, dass wäre zu riskant. „Bella." Etwas besseres als die Kurzform meines Zweitnamens viel mir nicht ein.

„Und was macht solch ein hübsches Mädchen wie du alleine im Wald, Bella?" In der Stimme von Antons Oma schwang Neugierde, doch ein Hauch von Misstrauen war ebenfalls rauszuhören. Sie war auf der Hut.

Glücklicherweise verschaffte mir Anton ein wenig Zeit, als er eine weitere Schale mit Kräutern und einem Mörser auf den Tisch stellte. „Ich habe mich verlaufen. Ich wollte im Wald essen und muss die falsche Richtung zurück gelaufen sein." Das würde zumindest meinen Stoffbeutel erklären.

Antons Oma nickte. Ich glaube nicht, dass sie mir vertraute, doch sie stellte auch keine weitere Fragen.
Nachdem sie meine Wunde reinigte, zerkleinerte Antons Oma die Kräuter mit dem Mörser, bis daraus eine cremige Salbe entstand. Vorsichtig verteilte sie ein wenig davon auf meine Wunde, die Creme war angenehm kühl.

„Anton kann dich morgen zurück zur Stadt bringen." Ein wissender Blick ließ sich in den Augen von Antons Oma erkennen, doch sie ging nicht weiter darauf ein.

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