7. Schiff

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„Lauf." Erneut presste mir John die Klinge an den Rücken. Ich musste mich stark zusammenreißen einen Schritt vor den nächsten zu machen. Alles in mir sträubte sich dagegen das Schiff zu betreten, aber ich hatte keine andere Wahl.

Die Leiter wackelte stark und ächzte bedrohlich unter meinem Gewicht. Als ich mit beiden Beinen fest auf dem Schiff stand, kam erneut der Mann mit dem Goldzahn auf mich zu. Er hielt ein dickes Seil in seiner Hand. „Dann suchen wir dir mal ein schönes Plätzchen." Er entblößte wieder seine goldschimmernden Zähne.

Seine andere Hand griff ruckartig nach meinem Arm. Er zog mich mit sich, ich stolperte beinahe. Bevor ich verstand was geschah, befestigte er meine Hände an einem der Masten. Ich war gefesselt.

Ich drehte und wand mich, doch das Seil saß zu fest. Mein hilfloser Versuch zu fliehen sorgte für Gelächter unter den Piraten. Sie alle versammelten sich vor mir, als wäre ich ein seltenes Ausstellungsstück in einer Galerie. Doch eine Person fixierte mich nur mit ernster Miene, Jody.

Die anderen schienen meinem Blick zu folgen. „Captain, was machen wir mit ihr?" John spielte gefährlich mit seinem Messer in der Hand. Noch immer wich ihr Blick keinen Zentimeter. Doch plötzlich stand Jody auf und kam näher zu mir.

Sie lief um mich rum, ihre Schritte knarrten auf dem alten Holzboden. Ich konnte spüren, wie sie meine Haare anfasste und den Stoff meiner Kleidung fühlte. Mein Atem ging schnell und meine Hände wurden ganz schwitzig, doch ich ließ mir so wenig wie möglich anmerken.

„Können wir sie nicht einfach umbringen? " Erneut lachten die Piraten auf. Mittlerweile haben sich etwa ein Dutzend vor mir auf Bänke gesetzt. Einige hielten Bierkrüge fest und prosteten sich heiter zu.
„Genug." Jody trat wieder in mein Sichtfeld. Die anderen Piraten verstummten prompt. Sie hatte definitiv eine hohe Stellung inne.

„Woher kommst du?" Sie kniff erneut ihre Augen zusammen, eine Falte entstand dazwischen.
„Vom Dorf."
„Lüge." Es klang wie ein Zischen aus ihrem Mund. Ich schluckte schwer. Wie komme ich nur aus dieser Situation raus?

Sie hob mit ihrer Schwertspitze meinen Umhang an, wodurch mein blaues Kleid sichtbar wurde. „Woher hast du die Kleidung?" Sie schien es nicht weiter zu stören, wo ich tatsächlich herkam.
„Was wollt ihr von mir?" Allmählich wurde auch ich ungeduldig.
„Klappe. Ich stelle hier die Fragen, verstanden?" Ein scharfer Blick in meine Richtung genügte, um mich wieder verstummen zu lassen.

Eine Gänsehaut machte sich über meinem Körper breit. Das gehässige Lachen von den Zuschauern auf der Bank verstärkte dies nur. „Jody lass uns doch den Spaß. Es wird auch ganz schnell gehen, ein kurzer Schnitt in den Hals und das Püppchen bekommt nichts von ihrem Tod mit." rief ein Pirat aus der Menge.
Ich musste schwer schlucken. Ich konnte jetzt nicht sterben. Mein Leben begann doch erst.

„Umbringen, umbringen." Einige Piraten verliehen ihrem Ruf Nachdruck, indem sie mit ihren Fäusten und Bierkrügen mehrmals auf den Tisch klopften. Mein Herz raste so schnell, als könnte es jeden Moment aus meiner Brust springen.
„Genug." Jody hob nur ihre Hand, da wurde es ganz still. Nur das Peitschen des Wassers gegen das Schiff war zu hören und das weit entfernte Treiben des Marktes.

Jody drehte sich zu mir hin. „Sie soll leben." Erleichtert atmete ich aus, während ein enttäuschtes Raunen durch die Menge ging. Jody blickte mich abschätzend an. „In Lanis verkaufen wir sie auf dem Schwarzmarkt. Ihr blondes Haar wird uns viel Geld einbringen."

Ich müsste froh darüber sein, nicht umgebracht zu werden, doch der Schwarzmarkt barg Gerüchten zu Folge ebenfalls keine hohen Lebenschancen. Doch ich hatte noch ein paar Tage Zeit, bis wir in Lanis ankommen würden. Bis dahin war mir etwas eingefallen, hoffentlich.

Das Interesse an mir ließ bei den Piraten nach, als Speis und Trank aufgetischt wurde. Der Geruch von Gemüse und Fisch streifte meine Nase. Wieviel ich jetzt dafür geben würde auch nur einen Bissen zu essen. Seit meinem Frühstück waren es mittlerweile einige Stunden her. Ein Blick zum Horizont zeigte mir, dass die Sonne bald unterging.

Ich beobachtete wie gierig die Piraten zum Essen griffen. Meine Mutter ermahnte mich immer, dass ich angeblich wie ein Schwein aß. Jedoch war dies nichts im Vergleich zu den Piraten. Obwohl ich mehrere Meter entfernt an dem Mast festgebunden war, hörte ich sie bis hierhin schmatzen. Ein Pirat rülpste sogar laut, wodurch er Zuspruch der anderen bekam.

Angewidert drehte ich meinen Kopf weg, in dem Moment kam eine Person die Treppe hoch, welche in das Innere des Schiffes führen musste. Es war Jody. Sie kam direkt auf mich zu. Ohne ein Wort zu sagen, band sie mich von dem Mast. Ich hatte gerade genug Zeit mir die wunden Hände zu massieren, da schubste mich Jody schon nach vorne.

„Lauf." Demonstrativ schubste sie mich erneut ein Stück. Mein Blick wanderte schnell zu einem der Bänke, ein Messer lag an der Kante. Wenn ich schnell genug wäre, dann könnte ich vielleicht...
„Und stell nichts Dummes an." Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern, dicht an meinem Ohr. Es jagte mir einen Schauer den Rücken hinunter.

Ich schluckte schwer und folgte ihren Anweisungen. Jody führte mich die Treppe runter ins Innere des Schiffes. Es war sehr dunkel, Fenster gab es kaum. An der hölzernen Decke schwankten geräuschvoll Laternen. Wir liefen weiter gerade aus, Rechts und Links reihten sich einige Hängematten an die Wand, teilweise waren sie übereinander befestigt.

Vor einer Zelle packte mich Jody fest an der Schulter, damit ich zum Stehen kam. Ich zuckte erschrocken zusammen. Mit einem nervtötenden Quietschen öffnete sie die Tür. „Geh rein."
Ich zögerte kurz, doch als ich ihr Schwert an der Seite ihres Gürtels glänzen sah, entschied ich mich zu gehorchen. Mit einem lauten Knall schwang Jody die Tür wieder zu und schloss sie ab. Nun war ich endgültig eingesperrt.

„Kann ich wenigstens etwas zu Essen haben." Fordernd blickte ich in Jodys Augen, ihre graue Farbe fiel mir erst jetzt auf. Überrascht hob sie die Brauen. „Du kannst froh sein, dass du überhaupt noch lebst." Jody wandte sich bereits von mir ab, doch ich gab so schnell nicht auf. „Wenn ich verhungere, dann bringt euch der Schwarzmarkt herzlich wenig." Ich setzte ein leichtes Lächeln auf. Sie blieb stehen, warf mir einen abschätzenden Blick zu und verschwand daraufhin.

Zufrieden setzte ich mich auf den Boden und wartete.

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