21. Essen

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„Essen ist fertig, wenn du willst."
Ich dachte, ich hätte mich verhört, doch der duftende Geruch in der Luft bestätigte nur Jodys Aussage. Ich bekam eine frisch gekochte Mahlzeit.

Ich fuhr mit den Fingern durch meine nassen Haare, um wenigstens die größten Knoten zu lösen. Vorsichtig lief ich die hölzernen Stufen nach unten. Der Tisch war tatsächlich für zwei Personen gedeckt. Etwas unbeholfen stand ich nun vor der Treppe, als sich Jody mit einem Topf in der Hand umdrehte.

Sie schaute mir nicht direkt in die Augen, schaffte es trotzdem mir Röte in die Wangen schießen zu lassen. Ganz langsam ließ Jody ihren Blick an mir herab gleiten. An meinem Brustbereich machte sie eine längere Pause, bevor sie den Rest meines Körpers mit den Augen erforschte. Ich fühlte mich, als stünde ich nackt vor ihr.

Schließlich räusperte sie sich. „Setz dich." Es klang nicht wie eine Bitte, von daher folgte ich ihrer Anweisung. Auf dem Tisch standen bereits zwei Weingläser und in der Mitte ein großer Teller mit Fisch als Jody einen Topf mit dampfenden Kartoffeln dazu stellte.

Da ich nicht wusste, wie ich mich zu verhalten habe, wartete ich darauf, dass Jody zuerst sprach. Es herrschte schweigen, während sie das Essen auf unsere Teller verteilte.
Trotz meines tierischen Hungers begann ich erst zu essen, nach dem Jody ein Stück des Fisches herunterschluckte.
Sie bemerkte mein Zögern und begann zu schmunzeln. „Keine Sorge, dass Essen ist nicht vergiftet. Wenn ich wollte, dann hätte ich dich schon längst töten können."

Bevor ich jedoch die Speise probierte, musste ich eines noch herausfinden. „Und wieso wolltest du mich bis jetzt nicht töten?"
Es war eine riskante Frage, dennoch interessierte mich die Antwort brennend.
Auch wenn sie mich noch immer nicht ansah konnte ich sie zögern sehen.
„Unsere Leben sind ähnlicher als du denkst Prinzessin."

Als sie die Worte sprach, schaute sie mir zum ersten Mal, seitdem sie mich vor einer Woche mit dem Messer bedrohte, in die Augen. Eine Gänsehaut überkam mich. In ihnen spiegelten sich unendlich viele Emotionen gleichzeitig wider, Trauer, Wut, Verzweiflung. So verletzlich hatte ich Jody noch nie erlebt. Sie wirkte regelrecht hilflos.

Ich schluckte schwer. Unsere Blicke trafen sich, niemand sagte ein Wort. Ich wusste nicht was dies zu bedeuten hatte, mein Herz klopfte schneller. Doch bevor ich dem auf den Grund gehen konnte, löste Jody ihre Augen von den meinen. Verlegen starrte ich auf den Teller, der noch immer unangetastet vor mir stand. Ich schaufelte mir etwas von dem Fisch und den Kartoffeln auf meine Gabel.

Tränen stiegen mir in die Augen, als sich der salzig, würzige Geschmack in meinem Mund entfaltete. Ich aß gerade wirklich etwas anderes als getrocknetes Brot. Es schmeckte so gut, dass ich mich kaum zurückhalten konnte ruhig zu essen. Erst jetzt bemerkte ich, wie ausgehungert ich tatsächlich war.
Im nu war mein Teller leer, da füllte ihn Jody schon wieder auf. „Danke."

Auch wenn ich nichts weiter dazu sagte, spürte Jody, dass sich mein Dank nicht nur auf das Essen bezog, sondern viel mehr darauf, dass sie mein Leben aus irgendeinem verdrehten Grund gerettet hatte.

Der weitere Verlauf des gemeinsamen Essens verlief schweigsam, allerdings war es nicht unbedingt eine unangenehme Stille.
Als wir den letzten Bissen herunterschluckten war die Sonne bereits untergegangen.
„Wir sollten schlafen gehen, morgen wird ein langer Tag."
„Wo soll ich schlafen?"
Oben stand schließlich nur ein Bett und auch sonst hatte ich keine weitere Schlafmöglichkeit gefunden.

„Oben." Ihre Mundwinkel zuckten, als müsste sie sich das Lachen verkneifen.
„Und wo schläfst du dann?"
Ich trank den letzten Schluck meines Getränks aus, als ich es in die Küche räumte.
„Neben dir."
Ich hielt mitten auf dem Weg an und verschluckte mich beinahe.

Sie stand nun neben mir und beugte sich runter zu meinem Ohr. „Im Schlaf werde ich dich schon nicht mit dem Messer bedrohen, dass wäre doch schließlich unfair."

Ich konnte ihren Atem an meinem Hals spüren, als ihr ein kurzes Lachen entfuhr.
Zum Lachen war mir jedoch nicht zu Mute, Panik ergriff mich.

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Hallo zusammen,

tut mir leid für die kleine Pause zwischen diesem und dem letzten Kapitel. Der Vorweihnachtsstress hat es doch noch mal in sich.
Morgen kommt aber auch auf jeden Fall ein neues Kapitel zu dieser Geschichte und auch zu „Weihnachtsflocken".

Eure Felia :)

Meer aus LügenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt