18. Beschluss

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Ich weinte so sehr, dass ich kaum einmal die anderen Piraten wahrnahm. Heute Mittag kamen sie alle nacheinander wieder zurück auf das Schiff. Natürlich hatten auch sie die Fahndungsplakate mit meinem Gesicht bemerkt. Sie kamen direkt zu meiner Zelle gestürmt und drohten mir mit ihren Waffen.
Doch aus irgendwelchen Gründen hinderte Jody sie daran mir die Kehle hier und jetzt durchzutrennen. Sie ließ mich am Leben.

Dennoch hatte ich wahnsinnige Angst und wusste nicht wie ich aus dieser Situation wieder herauskam. Die letzten Tage liefen so gut zwischen Jody und mir. Und jetzt war das mühsam aufgebaute Vetrauen mit einem Mal zerschlagen worden. Ich hätte nicht so naiv sein dürfen. Es war schließlich klar, dass die Wahrheit irgendwann ans Licht kommt.

Ohne etwas zu essen zu bekommen, legte ich mich in der Nacht schlafen. Der Boden fühlte sich kühler und härter an als sonst. Meine Gedanken waren es allerdings, die mich noch einige Stunden wach hielten. Stumm liefen mir Tränen die Wangen herunter.
Morgen werden sie mich über Bord schmeißen, ganz sicher.

Am nächsten Tag wurde ich von einem lauten Stimmengewirr wach. Ich schnappte zuerst nur Fetzen des Gesprächs auf.
„Das können wir nicht machen." Eine tiefe männliche Stimme.
„Genau, sie ist eine Verräterin." Stimmte jemand anderes ein.
Ich stand vorsichtig auf und schlich so leise wie möglich näher an die Gitterstäbe.

„Genug. Wir geben sie nicht ab." Jody.
„Das ist doch unsinnig. Wir liegen schließlich schon am Festland an, dann können wir sie auch direkt wieder loswerden und die zwanzigtausend Gold abstauben." Andere Piraten ließen einen zustimmenden Ton von sich.
„Wir nehmen sie mit nach Zitan, bis dahin hat sie Zeit ihre Treue zu beweisen. Wenn sie lügt, dann überreichen wir sie mit einer deutlichen Warnung an den König."

Ein enttäuschtes Raunen ging durch den Raum, doch sie schienen auf Jody zu hören. Die Versammlung schien beendet zu sein. Schritte näherten sich, woraufhin ich mich schnell von den Stäben entfernte. Sie sollten nicht wissen, dass ich gelauscht habe.

Ein Pirat lief an der Zelle vorbei. Ich wollte schon erleichtert aufatmen, als er wieder ein Stück zurückkehrte. „Du verlogene Göre. Ich werde dir noch persönlich dein Herz rausschneiden und ins Meer schmeißen."
Sein Messer zeigte auf genau die Stelle, wo mein Herz kräftig zu pochen begann. Mit der anderen Hand umfasste er die Gitterstange vor ihm so fest, als könnte sie jeden Moment herausbrechen. In seinen Augen funkelte es vor Größenwahn.

„Will, mach deine Arbeit. Die Sache ist beschlossen." Noch bevor die schwarzhaarige Frau in mein Sichtfeld kam, wusste ich, dass es Jody war. Sie baute sich groß vor ihm auf, dass jeder Muskel an ihren Armen spannte.
Der Pirat löste seinen Blick nicht direkt von mir, gab jedoch ein leises Knurren von sich und fuhr dann seinen Weg fort.

Jody griff um ihren Hals, wo ein kleiner Schlüssel an einer langen Schnur hing. Mit einem Knacken öffnete sich die Tür zu meiner Zelle und Jody trat herein. Sie stellte einen großen Eimer vor mir ab, gefüllt mit Geschirr und Wasser. „Spül das alles." Jody schaute mich nicht einmal an. Sie nahm ein Tuch von ihrer Schulter und warf es mir lieblos zu.

Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Zelle wieder und schloss sie ab. Ich schaute ihr nach, bis auch sie aus meinem Sichtfeld verschwand. Wie konnte sich in nur wenigen Tagen soviel zwischen uns verändern? Auf der vergessenen Insel wirkte unser Verhältnis fast schon freundschaftlich, doch jetzt war Jody so distanziert wie zu Beginn. Doch eine Sache war anders, sie stellte sich nicht komplett auf die Seite der Piraten.

Vielleicht konnte ich doch noch auf einen guten Ausgang hoffen.

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