Kapitel 2

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Songempfehlung: Fame on Fire - Calling

»Hallo Laney«, erklang die mir vertraute Stimme. Sie umschmeichelte meine Ohren und war noch schöner, als in meinen Erinnerungen. Gott, wie ich diese Stimme vermisst hatte! Selbst die Art und Weise, wie er meinen Namen aussprach. Tief. Melodisch. Rau. Absolut vereinnahmend. Süß wie Honig.

Fassungslos starrte ich ihn an.

Der Mann, der mir alles genommen hatte.
Der Mann, den ich hasste und gleichermaßen vergötterte.

Er war das Paradoxon meines Lebens. Die Verkörperung all dessen, was ich mir sehnlichst wünschte und wiederum alles, was ich verabscheute.

Mein Blick wanderte über ihn hinweg und ich war machtlos gegen die Schmetterlinge, die in meinem Magen zum Leben erwachten.

Julian sah gut aus. Verboten gut. Er trug eine schlichte, schwarze Winterjacke von The North Face, die er mit einer dunkelgrünen Outdoor Hose kombinierte. Seine Füße steckten in ein paar Boots, unter denen der Saum seiner Hose verschwand. Er war perfekt gekleidet, um sich vor den Schneestürmen und dem kalten Wetter dieser Jahreszeit zu schützen. Das Connecticut-Wetter im Winter war nämlich verdammt kalt. Die durchschnittlichen Temperaturen lagen tagsüber im einstelligen Bereich, wobei die Temperaturen im kältesten Monat Januar noch weiter sanken. Außerdem fiel in Connecticut jedes Jahr durchschnittlich ganze siebenunddreißig Zoll Schnee, was mehr als der Durchschnitt war in den USA.

Auch heute, pünktlich, als hätte eine nichtexistente Magie für das perfekte Weihnachtswunder gesorgt, rieselten die Schneeflocken stumm und heimlich vom Himmel herab und überzogen die Natur mit einem weißen Schleier. Die Lichter der Weihnachtsdeko an den Nachbarhäusern funkelten und blinkten um die Wette und hüllten die Straße trotz der bereits fortgeschrittenen Dämmerung in ein Farbengewirr aus Rot, Blau und Grün. Auch Mom hatte alle Geschütze aufgefahren und sogar einen lebensgroßen Santa Claus - inklusive Rentiere und Schlitten - im Vorgarten aufgestellt, auf deren Köpfe sich nun Schnee ansammelte. Santa wandte mir den Rücken zu, aber ich wusste, dass er mich mit seinem breiten, aufgemalte Lächeln verhöhnen würde, könnte er meinen entsetzten Gesichtsausdruck nun sehen. Doch all das war egal. Es spielte keine Rolle. Weder der Schnee, noch die Weihnachtsdeko oder Santa waren nun von Bedeutung. Sondern einzig und allein der Mann, der mein Leben zerstört hatte und der mir nun gegenüberstand.

Ein paar Flocken landeten in Julians braunem Haar, verfingen sich in seinen verboten langen Wimpern und weckten in mir den Wunsch, ihn zu berühren. In Anbetracht der Tatsache, dass er aufgrund seiner Hündin Sam öfter in die Verlegenheit kam, sich Wind und Wetter stellen zu müssen, war sein Aufzug perfekt.

Ob Sam im Auto auf ihn wartete?

Ich vermisste die quirlige Schäferhündin schrecklich, auch wenn ich mir einzureden versuchte, dass das eine Lüge war.
Ich war neugierig, wie es ihr wohl ging. Jedoch nicht neugierig genug, um den Blick von Julian abzuwenden und zu dem schwarzen Pick-Up zu schauen, der hinter ihm am Straßenrand parkte und der mich an all die Dinge denken ließ, die wir schon in diesem Auto getan hatten. Ein Schauer jagte über meinen Rücken.

Stattdessen suchten meine Augen seine. Diese vertrauten, grünen Augen, in die ich schon viel zu lange nicht mehr geschaut hatte. Sie blickten mich mit einem Ausdruck an, der mir die Sprache verschlug. Ein Sturm tobte in dem wilden, grünen Farbengewirr. Ein Sturm an Emotionen.

Sehnsucht. Verlangen. Liebe. Bedauern. Schuld.

Ich wusste nur zu gut, was in Julian Wright gerade vorging. Er wollte mich packen. Wollte mich an sich ziehen und mich küssen, bis die Welt um uns herum aufhörte zu existieren. Er wollte die letzten zwei Monate ungeschehen machen. Sie auslöschen. Sie einfach nur vergessen. Ich wusste das, weil ich genau dasselbe fühlte. Die letzten Wochen waren die Hölle gewesen. Eine ganz persönliche Hölle. Er hatte mir gefehlt. So sehr, dass ich manchmal glaubte, sterben zu müssen. Niemals hätte ich gedacht, dass ein Mensch sich so schnell einen Weg in mein Herz erschleichen könnte. Doch Julian hatte mich eines Besseren belehrt. Ohne es so richtig bemerkt zu haben, hatte er mir den Kopf verdreht. So richtig. So, wie ich es mir immer erträumt hatte. So, dass mir die Sehnsucht nachts den Schlaf raubte. So, dass er das Einzige war, was stundenlang meine Gedanken beherrschte. So, dass er mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Immerzu musste ich an unsere Küsse denken, daran, dass ich ihm mit Haut und Haaren verfallen war. Musste daran denken, wie es war, als wir miteinander geschlafen hatten. Sex hatten. Uns nahe waren.

His HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt