Kapitel 15

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Songempfehlung: Amber Run - I Found

Das Summen der Siebträgermaschine hinter der Theke des Book Traders hallte über das laute Stimmengewirr zahlreicher Studenten wider. Ich atmete tief durch die Nase und sog den herben Duft nach gerösteten Kaffeebohnen ein, der das Café erfüllte. Auch die warmen Lichter der Deckenleuchten verbreiteten eine gemütliche Atmosphäre und trugen zu dem Charme bei, der so typisch war für das Book Trader.

Durch die große Glasfront beobachtete ich die vorbeiziehenden Menschen mit ihren Regenschirmen, während Charlotte neben mir etwas in ihr Notizheft kritzelte.

Draußen regnete es in Strömen, was zwar für Mitte Februar nicht ungewöhnlich war, aber der ohnehin schon gedrückten Laune einen gewaltigen Dämpfer verpasste. Alle Studenten waren im Lernstress und die Tatsache, dass sich das trübe Wetter der dunklen Wintermonate nicht verabschieden wollte, schlug massiv auf das Gemüt. Immerhin war der Schnee geschmolzen und die Temperaturen erreichten endlich wieder den Plusbereich. Ein kleiner Trost.

Charlotte und ich hatten uns in unserem Lieblingscafé verabredet, um für die Midterms im kommenden März zu büffeln. Aber unsere heutige Motivation ließ zu wünschen übrig. Statt uns dem überlebenswichtigen Lernstoff zu widmen, schlugen wir die Zeit mit Kaffeeklatsch, Cupcakes und Schäfchen zählen tot. Uns war alles Recht, solange es nichts mit Aussagenlogik oder Prädikatenlogik zu tun hatte. Ätzend!

»Nicht zu fassen, dass wir in zwei Wochen schon wieder Klausuren schreiben«, murrte sie und rieb sich mit der Hand über die müden Augen.

»Wem sagst du das?«, stimmte ich ihr zu und seufzte resigniert. Da ich die Final Terms erst Ende Januar aufgrund meines Krankenhausaufenthaltes hatte nachschreiben können, waren die Abstände zu den nächsten Klausuren für mich umso kürzer gewesen. Gleichermaßen auch umso stressiger.

Ich hatte jede Menge Stoff nachholen müssen, aber glücklicherweise gab es Charlotte, die mir in sämtlichen Kursen ihre Unterstützung anbot. Und erfreulicherweise bestand ich alle Prüfungen - selbst meinen persönlichen Angriff gegen Julian in Form der Hausarbeit, die ich eingereicht hatte. Ich hoffte jedoch, dass ich den Aufsatz nicht nur wegen meines Verhältnisses zu ihm bestanden hatte. Zwar schätzte ich Julian nicht so ein, dass er mir eine bevorzugte Behandlung zukommen ließ, aber konnte man wirklich hundert Prozent wertfrei sein, wenn man Gefühle für eine Person hegte? Innerlich seufzend schob ich diesen Gedanken geflissentlich beiseite.

»Danke, dass du mir geholfen hast, Charlotte«, ich warf ihr einen dankbaren Blick von der Seite her zu. »Ohne dich hätte ich es niemals geschafft, im Unterricht mitzuhalten und den Lernstoff aufzuholen.«

Charlotte blickte von ihrem Notizbuch auf und schenkte mir ein warmes Lächeln. Ihre Augen leuchteten. »Na klar. Wozu hat man Freunde?«

Charlotte war sehr bescheiden, weshalb ich es unterließ, sie darauf hinzuweisen, dass ihre Hilfe eben nicht selbstverständlich war und erwiderte stattdessen ihr Lächeln. Dann senkte ich den Blick auf ihr Notizbuch, in das sie seit einer halben Ewigkeit malte.

»Was zeichnest du da eigentlich?«

Charlotte hob erschrocken den Kopf und sah mich mit erröteten Wangen an.

»Oh, es ist noch nicht fertig, es...«

Doch ich hatte bereits über den Tisch hinweg nach ihrem Notizblock gegriffen und zog ihn zu mir heran. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass ich einem Abbild meiner Selbst entgegen blickte. Erstaunt hob ich die Brauen.

»Wow, Charlotte! Das ist ja unglaublich! Ich wusste gar nicht, dass du so gut zeichnen kannst!«

Charlotte wirkte sichtlich ertappt.

His HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt