Kapitel 21

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Songempfehlung: Of Virtue - Sinner

Julian und ich verpassten mehr als die Hälfte des Films. Ich konnte nicht einmal genau sagen, wovon er überhaupt handelte oder ob Spiderman es schlussendlich schaffte, die Welt vor einer dunklen Bedrohung zu retten.

Um ganz ehrlich zu sein, konnte es mir gleichgültiger auch nicht sein.

Ab dem Punkt, an dem Julian und ich uns anderen Dingen widmeten, war meine Aufmerksamkeit wie vom Winde verweht. Und nachdem ich ihn dazu aufforderte, sich das Privileg mich sein nennen zu dürfen, zu verdienen, war es ohnehin verlorene Liebesmüh, dem Geschehen auf der Leinwand noch in irgendeiner Weise Aufmerksamkeit zu schenken.

Spannung knisterte zwischen uns in der Luft und die Anziehung zu Julian war so groß, dass mir das Atmen schwer fiel.

Glücklicherweise war der Film ohnehin fast vorbei und als schließlich der Abspann lief, konnten wir den Platz nicht schnell genug verlassen. Auf meine Frage hin, was er nun vor hatte und ob er mich zurück zum Campus bringen würde, erklärte er mir nur mit glühendem Blick, dass er beabsichtigte, sich besagtes Privileg jetzt zu verdienen. Ich schnappte erschrocken nach Luft und presste instinktiv die Schenkel zusammen, als sich ein lustvolles Ziehen in meiner Mitte ausbreitete.

Ich nahm an, dass wir zurück nach New Haven fuhren. Dass wir zu Julian fuhren. Und zum Teil entsprach das auch der Wahrheit. Doch wir bogen nicht auf die Interstate einindneunzig ab, die nach New Haven führte. Stattdessen fand ich mich im West End von Hartford wieder, wo Julian auf ein imposantes Haus im Tudor Revival Stil zuhielt. Ein grauer Steinweg führte zu einer Haustür im Rundbogenstil mit Dachvorsprung. Die vorherrschende Mischung aus roten Sand- und Backsteinen, aus dem das Haus bestand, stach sofort ins Auge, ebenso das viel verglaste, weiße Erkerfenster und das große graue Dach, das von einer Reihe von Fenstern gesäumt wurde.

Es dauerte nicht lange, bis mir klar wurde, wo wir uns befinden mussten.

Wir waren bei den Wrights.
Julians Elternhaus.

Julian parkte den Wagen in einer Auffahrt am Rande des Hauses, die zu einer Garage führte. Er kam um den Wagen herum und öffnete mir die Tür. Ich stieg aus und sofort schlug mir die kalte Märzluft entgegen. Beinahe bereute ich es, auf Cayas Rat gehört und mich für einen Rock entschieden zu haben.

Julian griff nach meiner Hand und sofort begann sie wohlig zu kribbeln.

Ich erwartete, dass er mich zur Haustür dirigierte. Doch stattdessen bugsierte er mich durch ein schwarzes Gusseisentor, das in einen wunderschön angelegten Garten führte - sofern ich das im Mondlicht und der schwachen, warmweißen Gartenbeleuchtung, die aus Solarleuchten bestand, beurteilen konnte. Ich entdeckte sogar ein rotes Baumhaus in der Ferne, das mir sehr bekannt vorkam. Ich glaubte es schon einmal auf Julians Fotos gesehen zu haben, die er mir in der Nacht des First Year Proms gezeigt hatte.

»Wir müssen leise sein«, mahnte Julian, während er sichtlich Mühe hatte, das Gartentor vorsichtig zu schließen. »Sam ist hier bei meinen Eltern und...«

Wie aufs Stichwort erklang ein lautes Quietschen von dem Tor aus und Julian verzog grimmig das Gesicht. Sofort erklang Hundegebell aus den Innern des Hauses. Ein Bellen, das sich verdächtig nach Sam anhörte.

»Shit«, fluchte er und warf einen gehetzten Blick in Richtung Hintertür, die ins Haus führte. Ich unterdessen konnte nicht mehr an mir halten und prustete los.

»Brechen wir gerade ernsthaft in das Haus deiner Eltern ein?«

»Nein«, korrigierte er mich. »Wir brechen in das Poolhaus meiner Eltern ein.«

His HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt