Peter winkte die Jungen näher an sich heran. Langsam und vorsichtig schlichen sich die Kinder zu ihm, einige entschlossen, andere eher ängstlich, so wie der kleine Tootles, der von solchen Aktionen nichts hielt.
Peter ignorierte ihn.
Im Gegensatz zu Tootles liebte er das Risiko und die Gefahr. Und außerdem brauchten die Jungen ja irgendetwas zum Überleben und ihrem Fall half da halt nur stehlen. Und zwar so viel wie sie kriegen konnten, denn wer wusste wie viel sie auf ihrem nächsten Beutezug erlangten. Das Stehlen war das einzige was den Waisenjungen blieb, denn zum Arbeiten waren sie zu jung.
Peter war ihr Anführer - auch wenn er nicht unbedingt der älteste von ihnen war. Er war Anführer, weil er der mutigste, frechste und ehrgeizigste Junge war - das behauptete er von sich selbst und es war auch wirklich so. Peter plante immer ihre nächsten Plünderungen und war auch immer der erste, der sich, falls etwas schief lief, tatkräftig den Jungen zur Seite stellte. Denn für seine einzigen Freunde würde er alles tun. Er war kein schlechter Mensch. Eigentlich war er sogar ein sehr guter Mensch ...
Peter musterte den Händlerstand etwas abseits von den anderen Marktständen. Es war ein Obststand - wenn sie Glück hatten und alles glatt lief, wären sie heute Abend alle satt.
"Okay, ihr positioniert euch vor dem Stand, so wie wir es besprochen haben", wies Peter den größten Teil der Gruppe an. "Curly übernimmt das Ablenkungsmanöver. Ich regle die Brandstiftung. Also los!"
So unauffällig wie es ging, verteilten sich die Jungen auf dem Markt und schlenderten Richtung Obststand. Peter und Curly grinsten sich an, dann schlichen sie sich von hinten auf den Verkäufer am Stand zu. Ein paar Meter vor dem Stand huschte Peter hinter eine weitere Hausecke und kletterte flink an einer Blumenranke auf das Dach des Hauses. Von hier aus hatte er einen fantastischen Blick auf den gesamten Markt. Er sah die Jungen unten umher wanderten und sich langsam den Obststand nähern. Der Obstverkäufer ahnte von nichts.
Peter kramte eilig in seiner Manteltasche und zog ein paar Streichhölzer hervor.
Curly hatte mittlerweile den Stand erreicht. Er begann mit dem Verkäufer ein Gespräch. Von hier aus konnte Peter nicht hören was sie sagten, aber er hatte mit Curly genau besprochen was zu tun war und er vertraute ihm. Der Verkäufer drehte sich genervt zu Curly um - das war Peters Chance. Eilig entzündete er ein Streichholz und ließ es vorsichtig auf die Plane, die über dem Stand als Regen- und Sonnenschutz hing, fallen.
Bitte lass es nicht ausgehen, bitte ... Es passierte nichts. Das Streichholz glomm zwar noch immer, aber entfachte kein Feuer.
Peter verlor schon fast die Hoffnung, als er auf die unversehrte Plane starrte, aber dann plötzlich loderte das alte Stück Stoff auf und es dauerte nicht lange da stand das gesamte Tuch in Flammen.
Peter stieß einen lautlosen Jauchzer aus. Die Leute und der Verkäufer hatten schnell bemerkt, dass etwas nicht stimmte und schon bald erfüllten panische Schreie den Markt. Verzweifelt versuchte der Verkäufer das Tuch von den Stangen loszureißen, doch es hatte sich ineinader verheddert. Peter beobachtete das wilde Treiben unter sich. Das Feuer hatte nun auch eine weitere Plane am Stand daneben erfasst und die Panik in der Menge stieg an.
Lächelnd erkannte er seine "Komplizen", die sich unbemerkt das Obst vom Stand wegholten und dann in der nächsten Gasse verschwanden. Einer nach dem anderen konnte mit den Armen voller Obst flüchten - Peter freute sich, dass ihr Plan so gut funktionierte.
"Geschafft!", hörte er plötzlich den Obstverkäufer unter sich stöhnen. Nervös wandte Peter seine Aufmerksamkeit wieder dem Mann zu. Der hatte es doch tatsächlich geschafft mit einem Eimer voll Wasser den Brand zu löschen. Hektisch und voller Sorge sah Peter sich nach den Jungen um, doch alle einschließlich Curly waren bereits in den Londoner Gassen verschwunden. Erleichtert atmete er aus und wollte gerade den Rückweg antreten, als er jemanden direkt vor dem Obststand entdeckte - Tootles.
Hastig begann Peter wild mit den Armen zu rudern, um ihm irgendein Zeichen zum Rückzug zu geben, doch der schaute nicht nach oben. Er griff gerade nach ein paar Äpfeln, als der Obsthändler ihn bemerkte.
"HEY!!", schrie er, rot im Gesicht vor Zorn. Tootles zuckte erschrocken zusammen und ließ dabei die Äpfel fallen. Der Obstverkäufer kam relativ schnell für seine Körpermasse auf Tootles zu und packte ihn am Kragen.
"WOLLTEST DU ETWA MEINE ÄPFEL STEHLEN?!"
Tootles antwortete irgendetwas Unverständliches. Der Obstmann packte ihm daraufhin nur noch fester am Hemd.
Peters Gedanken rasten. Was sollte er tun? Er war nur ein Junge, mit einem erwachsenen Mann konnte er es nicht alleine aufnehmen. Aber er konnte Tootles auch nicht einfach alleine dort unten lassen und zusehen wie er ins Gefängnis kam.
Peter beugte sich über das Dach und schätzte die Höhe ab. Wenn er unten aufkam, würde es auf jeden Fall wehtun. Er sah zu Tootles und dem Obstverkäufer hin, der immernoch in aggressiver Haltung vor Tootles stand. Mittlerweile hatte sich eine neugierige Traube von Menschen um den Obststand versammelt und zogen über das Geschehen her. Peter ärgerte sich darüber, dass niemand sich die Mühe machte, dem Jungen aus der Patsche zu helfen. Die Menschen waren einfach alle herzlos, so wie Peter fand.
Er hatte einen Entschluss gefasst. Er würde Tootles jetzt nicht im Stich lassen. Es war gefährlich, aber er hatte keine andere Wahl. Er entfernte sich ein wenig von der Dachkante, holte tief Luft, nahm Anlauf und - sprang. Ein Schrei entwich aus seinem Mund als er durch die Luft segelte. Die Menschen drehten sich erschrocken zu ihm herum. Er hatte perfekt gezielt. Unsanft landete er genau auf dem Rücken des Mannes, der überrascht Tootles losließ und zu Boden stürzte. Peter rollte durch die Wucht vom Sprung unsanft auf dessen Kopf.
"Tootles, lauf!", schrie er dem erschrockenen Jungen zu. Der ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte eilig durch die Menschenmenge davon.
Peter rappelte sich hastig wieder auf und wollte ihm gerade nachlaufen, als eine starke Hand ihn am Hemd packte und herumriss.
Peters Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem des tobenden Obstverkäufers entfernt. Dieser bebte vor Wut, Peter packte die Angst.
Ganz ruhig, er musste jetzt einen klaren Kopf behalten...
"Du wagst es, AUF MICH ZU SPRINGEN?!", brüllte der Mann und hob seine fleischige Faust um Peter einen harten Schlag zu verpassen. Doch stattdessen schrie er schmerzhaft auf - Peter hatte ihn in die Hand, die ihn festhielt, gebissen. Augenblicklich lockerte sich der Griff des Mannes und Peter konnte sich losreißen. Noch bevor der Mann verstand was passiert war, hechtete Peter bereits durch die verblüffte Menge und verschwand in die schützenden Gassen, in die keiner ihm folgen würde. Die anderen Jungen warteten bereits dort auf ihn.
"Peter!", rief ein Junge namens Nibs erleichtert, als Peter um die Ecke kam. "Wir dachten schon, du schaffst es nicht mehr."
Peter warf einen Blick auf das viele Obst in ihren Armen und lächelte zufrieden. Das war doch mal eine gelungene Beutejagd gewesen!
"Was ist denn passiert?", fragte Curly ihn stirnrunzelnd, als Peter sich den Dreck von der zerschlissenen Hose klopfte. Er warf einen unauffälligen Blick auf den niedergeschlagenen Tootles. Er hatte Mitleid mit ihm.
"Ich bin runtergefallen", erzählte Peter schnell, "Damit hätte ich fast Tootles verraten, deshalb ist er auch erst später von dort weggekommen. Es tut mir leid, ich habe euch in Gefahr gebracht." Er warf einen weiteren Blick zu Tootles, der ihn verblüfft anstarrte. Peter zwinkerte ihm zu. Die anderen bemerkten es nicht.
"Oh", machte Curly überrascht, "Na dann ... Hauptsache wir haben das Obst und es ist uns nichts passiert. Ich glaube trotzdem, dass ein Stand auf einem Markt doch ein wenig zu riskant für uns zum plündern ist, Peter."
"Wieso?", grinste Peter breit, "Ich fand's lustig."
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Peter Pan - Wie alles begann 🏁
RandomDer Waisenjunge Peter führt gemeinsam mit seinen Freunden Tootles, Nibs, Curly, Slightly und Twins ein aufregendes Leben als Taschendiebe. Bis er sich plötzlich im seltsamen Nimmerland wiederfindet. Doch warum ist er überhaupt dort gelandet und was...