Kapitel 25

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Fuck fuck fuck fuck!!!", knurrte Crowley verzweifelt und drehte den Autoschlüssel im Zündschloss um.
Der Motor heulte kurz auf und verstummte dann.
Crowley zog den Schlüssel raus um ihn dann wieder zitternd reinzustecken. Der Bentley brummte kurz und zischte leise. Ein heller Rauch stieg langsam aus der Motorhaube empor.
Wieso lässt du mich jetzt im Stich?", fragte Crowley panisch und stieg aus dem Auto aus.
Als er die Motorhaube öffnete, begutachtete er den Innenraum kritisch. Doch leider hatte er keine Ahnung, vor ihm lag nur ein Haufen dampfender Metall mit diversen Verkabelungen.
Er wählte mit seinem Handy Aziraphales Telefonnummer. Der Anrufbeantworter sprang an und er sprach einfach darauf:
Aziraphale! Was du auch tust, sprich nicht mit Bartholomäus! Ich bitte dich, tu mir diesen einen Gefallen! Vertraue mir nur ein einziges Mal! Ich komme zu dir! Leider ist mein Auto nicht in der Lage zu fahren! Aber ich beeile mich!"
Crowley schaute auf seine Handyuhr: 17:46 Uhr. Er hatte theoretisch noch genug Zeit, er wusste genau, dass es ein Jahr her war, seit die Polizei ihm am Waldrand herumirrend gefunden haben. Er suchte vergeblich die Bedienungsanleitung vom Bentley. Im Fußraum, unter den Sitzen, selbst im Handschuhfach war nichts außer Staub, Sonnenbrillen und noch mehr Staub. Seufzend gab er seine Suche auf und drehte ein paar Mal an diversen Knöpfen und zog wichtig aussehende Kabel aus ihrer Fassung nur, um sie dann wieder reinzustecken. Er setzte sich erwartungsvoll auf die Fahrerseite und startete aufgeregt den Motor. Dieser machte nun keinerlei Geräusche mehr. Selbst der Rauch lichtete sich. Crowley versuchte es erneut, doch nichts... der Bentley war hinüber.
Kein Problem! Ist ja nur ein Auto!", redete er sich verzweifelt ein und war dabei den Tränen nahe.
Okay, okay, ganz ruhig! Es ist alles gut!", murmelte er und schaute sich nervös um.
Es nieselte, der Himmel war bewölkt und nur eine Hand voll Leute trauten sich aus ihren Häusern. Eine Frau überquerte gerade die Kreuzung mit ihrem weißen Schäferhund. Er trottete mit nassen Fell hinter ihr her und freute sich wahrscheinlich schon auf sein warmes Plätzchen am Karmin.
Crowley wollte nicht aufgeben, er konnte es nicht. Also fragte er alle Personen, die er sah, ob sie ihm helfen können. Doch das Glück war nicht mehr auf seiner Seite, er traf nicht auf einen Kfz-Mechatroniker oder auf jemanden der gerne an Autos herum schraubt. Es vergingen anderthalb Stunden, Crowley sprach Aziraphale mehrmals verzweifelt auf den Anrufbeantworter, während er den Motor des Bentleys akribisch betrachtete.
Als er auf die Uhr blickte, blieb ihm das Herz stehen. Er hat nur noch 14 Minuten Zeit. Damals erwachte er um Punkt 19:37 Uhr. Das weiß Crowley so genau, weil seine Armbanduhr genau zu dieser Zeit stehen geblieben ist. Ob es einfach Glück, Zufall oder durch ein Wunder war, das ist unergründlich.
Der Rothaarige hatte nur noch eine Möglichkeit; die Beine in die Hand nehmen.
Er knallte die Motorhaube beiläufig zu und fing an zu laufen. Der Regen peitschte die Tropfen an seine geröteten Wangen.
Es schien unmöglich es pünktlich zu schaffen, das wusste Crowley, also wählte er beim laufen die Handynummer des Blonden.  (Dieser besaß seit längerem ein altes Klapphandy. Crowley hatte ihn damals überreden können. Überreden bedeutete eher tägliches auf die Nerven gehen und das ständige Aufzählen der Vorteile)
Crowley?"
„Aziraphale! Gehts dir gut?", keuchte der ehemalige Dämon.
Bartholomäus hat mich eingesperrt!"
„Ist er in deiner Nähe?"
„Ich-Ich schätze, er ist weg.", Aziraphale schaute durch das Schlüsselloch, um seinen Verdacht zu bestätigen.
Du musst die Tür eintreten! Jetzt!"
Er zögerte kurz und nach dem 3 Anlauf schaffte er es endlich. Ein lautes Krachen hallte durch den Hörer.
Alles in Ordnung?"
Ja.  Wieso hat sich Bartholomäus so sonderbar verhalten? Er schloss mich hier einfach ein und wollte nicht, dass-"
„Du kannst es mir später erzählen. Ich möchte jetzt, dass du mir entgegen kommst! Sonst schaffen wir es nicht! Wir haben noch... 4 Minuten!"
„O-Okay! Ich eile!" Im Hintergrund hörte Crowley die Tür zufallen und anschließend die schnellen Schritte von Aziraphale. Seine blonden Haare wurden augenblicklich mit mit Regenwasser benetzt, sein Jackett verfärbte sich einen Farbton dunkler.
Aziraphale! Das wirkt jetzt etwas plötzlich aber...ich glaube... ich...es klingt bescheuert. Ich habe mich in dich verliebt. Obwohl wir uns nicht einmal richtig kennen, habe ich das Gefühl zu dir zu gehören. Wie ein fehlendes Puzzleteil.
Und ich schätze das ist unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart, Zukunft und unser Schicksal. Bitte Aziraphale lauf so schnell du kannst, wir haben nicht mehr viel Zeit!"
Crowley spürte seine Beine nicht, seine Lunge brannte und seine Hände waren eiskalt. Doch er gab alles, er rannte um sein Leben.
Azirphale sagte nichts, er versuchte nur noch schneller zu laufen.
Mittlerweile äußerten beide nichts mehr, sie hörten nur noch ihr schnaufen und keuchen am Telefon.
„C-Crowley! Ich fürchte, ich kann nicht mehr!"
„Ich kann dich sehen! Aziraphale!"
Er sah den Blonden Kopf von weiten wie ein kleiner weißer Punkt am Horizont. Er bewegte sich etwas langsamer auf ihn zu. Aziraphales Brust bebte, er konnte kaum noch atmen, doch als er Crowley sah, fasste er neue Kraft.
C-Crowley!", schluchzte er, „Ich-"
Die Tränen liefen ihn über die Wangen, es fühlte sich an wie eine Erlösung, da diese ihn etwas Wärme spendeten. Der Blonde konnte keinen Gedanken fassen, die Zeit raste genauso schnell wie sein Herz.
Crowley nahm angespannt seine nasse Sonnenbrille ab und schmiss diese achtlos auf den Fußboden. Er blickte abwechselnd starr nach vorne und anschließend auf sein Handy, um die Zeit im Auge zu behalten. Die Sekunden vergingen im Eiltempo. Aziraphales Beine gaben mittlerweile nach, er knickte ein und fiel mit den Knien auf den nassen Boden. Crowley sprintete weiterhin auf den Blonden zu. Nur noch drei Sekunden.
Aziraphale murmelte weinend:"es tut mir leid!"
In der letzten Sekunde fielen sie sich in den Armen und umarmten sich herzzerreißend. Aziraphale durchzog ein greller Blitz, er wurde kurz ohnmächtig und lies den Kopf auf den Schultern vom Rothaarigen senken.
So knieten beide ein paar Minuten still schweigend im Nieselregen auf den kalten Betonboden.
Crowley?", murmelte der Blonde und schaute auf.
I-ich erinnere mich wieder!", fügte er begeistert hinzu und hielt die Schultern des ehemaligen Dämons fest. Dieser blickte verwundert auf und runzelte die Stirn.
Das war viel zu viel Sport. Ich werde die nächsten zwei Jahre nicht mehr rennen.", er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Kannst du dich erinnern?", fragte Aziraphale lächelnd.
I-ich ähm...ja natürlich. Also vielleicht nicht an alles, es kommt alles langsam wieder."
„Was ist deine letzte Erinnerung?", harkte der Blonde nach.
Ähm...nun naja. Wir haben...etwas...unternommen.", grinste er verlegen.
Crowley, bitte sag mir, dass du dich erinnerst!"
Aziraphales Augen füllten sich wieder mit Tränen, er sah Crowley nur noch verschwommen.
Mach dir keine Sorgen! Vielleicht brauchen meine Erinnerungen einfach nur länger als deine."
„Das macht keinen Sinn. Ich muss mit dem Erzengel Gabriel sprechen!"
„Haha! Ist das ein alter Buchhändler Witz?", fragte Crowley und schaute in ernste Augen,"Okay ...kein Witz"
„Aber wie kann ich als Mensch mit den Engeln in Kontakt treten?", fragte der Blonde sich selbst.
E-Engel? Das bedeutet du warst ein Engel! Meine Güte wie...außergewöhnlich."
Azirapahle zog Crowley plötzlich in eine feste Umarmung. Dabei nuschelte er:"Ich habe dich so sehr vermisst!"
I-ich...dich auch?", sagte er verdutzt, ließ aber die Umarmung zu.
Weißt du wer Beelzebub ist?", fragte Aziraphale nachdem sie sich trennten.
Ähm...sollte ich?"
Beide bewegten sich völlig durchnässt wieder zurück zum Buchladen.
„Ligur? Adam? Hastur?", fuhr er fort.
Also den Namen Adam habe ich schonmal gehört. Die anderen klingen irgendwie...seltsam."
„Ohhh! Crowley! Bitte denk nach! Irgendwo darin müssen deine Erinnerungen sein!"
„Ich verstehe nicht, wieso es nicht funktioniert hat...wir haben doch alles richtig gemacht. Aber ich bin froh, dass du dich wenigstens erinnerst."
Aziraphale lächelte beide setzten ihren Weg zum Buchladen fort.
Sagt dir das Ritz was?", fragte der Blonde und schaute dabei fordernd in die Augen seines Gegenübers. Dieser wich den Blicken nervös aus und überlegte scharf. Crowley kratze sich am Hinterkopf:"Also, ich denke...es ist ein überteuertes nobles Restaurant! Darüber habe ich neulich in der Zeitung einen Artikel gelesen!"
Ach Crowley..." seufzte der Blonde traurig.
Mach dir keine Sorgen! Wir finden eine Lösung." lächelte er schief.
Ich werde durch die Hölle gehen."
„Du brauchst nicht gleich so dramatisch werden."
„Nein, du verstehst nicht. Ich gehe buchstäblich in die Hölle. Du bleibst im Buchladen."
„Ich möchte ja nicht unverschämt wirken aber denkst du, dass es eine gute Idee ist freiwillig in die Hölle zu gehen...als...Engel?"
„Ich bin ein Mensch Crowley. Aber es ist wirklich keine gute Idee."
Aziraphale begleitete den Rothaarigen zu seinem Buchladen und zeigte auf einen Sessel:"Ruh dich aus. Ich bin bald wieder da!"
„Lässt du mich jetzt einfach wie ein Hund zurück?"
„Nun einen Hund würde ich nicht mit Decke auf meinen Sessel lassen. Aber ja. Du hast keine Erinnerungen also ist es zu gefährlich."
„Inwiefern sollten mich Erinnerungen schützen?"
„Wissen ist mächtig. Und außerdem würden sie die Gelegenheit nutzen, um dich zu vernichten."
„Ich nehme an, dass diskutieren nicht drin ist?"
Aziraphale nickte und zog Crowley in eine feste Umarmung. Er traute sich nicht ihn zu küssen.

Auf der Rolltreppe überkam dem ehemaligen Engel Panik. Was ist, wenn sie ihn entkörpern? Dann wäre er tot...kein Papierkram...Mausetot.
Und crowley würde vergeblich auf ihn warten.
Er schluckte schwer als er das Licht flackern sah. Aziraphale erinnerte sich, als er das letzte Mal dort unten war. Es dauerte nicht lang, als ein Dämon ihn schief anschaute. Ein weiterer knurrte nur verdutzt, doch der dritte stellte sich direkt vor ihn hin und blickte ihn wütend an.
Was tust du hier?" fauchte er. Aus seiner Wange krochen ein paar Maden hinaus in die Freiheit.
Aziraphale trat ein Schritt zurück bei diesem Anblick.
I-Ich habe einen Termin mit L-Lord Beelzebub."
„Menschen haben keine Termine in der Hölle!"
„Ich bin kein gewöhnlicher Mensch. Ich bin besonders und habe einen Termin!"
„Ich kann deine Angst riechen!"
„Lass mich durch!"
„Was gibt es für ein Problem?" rief ein zwei Meter großer Dämon, welcher nicht durchkam.
Ein besonderer Mensch hat einen Termin!"
„Ja dann lass ihn doch durch, verdammt!"
„Ich hab dich im Auge!" knurrte er und schaute dem Blonden nach, als dieser weiter ging.
In einem mausgrauen feuchten stickigen Raum saß Lord Beelzebub gelangweilt auf einen Thron. Die Fliegen umkreisten nervös ihren Kopf.
Lord Beelzebub! Ich habe eine Frage!"
„Fahre fort! Die Antwort wird dich aber etwas kosten"
Aziraphale schluckte schwer; „Wie bekommt man verlorene Erinnerungen zurück?"
„Pahaha! Du glaubst, dass die Hölle dafür zuständig ist? Dann musst du wohl eine Etage höher anklopfen! Moment mal...?"
„Gut! Danke, euer Abscheulichkeit! Ähm ich meine nicht Danke?!"
„Du bist doch-?"
Aziraphale nahm die Beine in die Hand und rannte.
Ein Mensch!!! Haltet ihn!"
„Nein! Noch besser! Er war ein Engel!"
Das Prinzip ähnelt der stillen Post. Ein Dämon hörte nur noch das Wort Engel, als ein anderer fragte, was denn mit dem Engel sei, dann antwortete er: „Keine Ahnung! Hier soll ein Engel sein!"
„He du da! Hast du einen Engel gesehen?", der Blonde drehte sich ertappt um.
Ey das ist ein Mensch!", sein Kumpel stieß ihn an.
Es war nur die Rede von Engeln!"
„Also? Hast du einen gesehen?", brummte er genervt.
Aziraphale schüttelte den Kopf und hielt dabei den Atem an.
Na dann ist ja alles schrecklich wie immer. Verschwinde du widerliche Kreatur!"
Der Blonde rannte panisch hinaus bis zum Bauchladen. Erst kurz vorher machte er halt, um Luft zu holen. Doch bevor er die Türklinke nach unten drückte, schaute er verzweifelt in den Himmel. „Gabriel? Uriel? Irgendwer? Gott? Ich...-brauche Hilfe."
Er wartete ein paar Minuten, doch das Gebet wurde nicht erhört.

„Crowley?"
„Ja?", der rothaarige erhob sich gespannt vom Sessel.
I-Ich habe versagt. Die Hölle weiß nichts und ich kann nicht mehr in den Himmel! Deine Erinnerungen sind für immer verloren!", er war den Tränen nahe.
Aber du hast deine wieder!", lächelte er und wischte die Träne des ehemaligen Engel vorsichtig mit seinen Daumen weg.
Es tut mir so leid."
„Du kannst mir doch alles erzählen?"
„Ich habe so viele Emotionen in mir. Crowley, i-ich-."
Der Rothaarige zog Aziraphale an sich und küsste ihn. Im ersten Moment wirkte es befremdlich und er war von seinem plötzlich auftretenden Mut schockiert. Doch es fühlte sich nach einer Weile richtig an.
Wie ein zurückgespultes Video liefen diverse Szenen vor seinem inneren Auge ab.
Aziraphale löste sich plötzlich und schluchzte leise: „Ich bin froh, dass wir uns gefunden haben."
Dank meiner dämonischen Wunder, Engel.", zwinkerte er grinsend
Blaue Augen weiteten sich ungläubig:"Deine Eri-?"
„Ja, Engel! Sie sind wieder da!"
Aziraphale schwieg ungläubig.
„1941 im Blitzkrieg habe ich dich aus den Fängen der Nazis gerettet. 1967 wollte ich Weihwasser aus einer Kirche stehlen. Ich weiß wer Beelzebub und Adam sind...reicht das?"
„Oh Crowley! Wie? Wann?"
„Ein Wunder, Zufall oder Schicksal. Vielleicht hat eine höhere Macht ihre Finger im Spiel gehabt. Keine Ahnung."
„Ich bin so erleichtert."
Sie umarmten sich lange bis Crowley fragte: „Ich kann dir zwar keine mehr her wundern aber hast du Lust auf Crêpes?"
„Jetzt hast du mich wieder in Versuchung gebracht.", der Blonde grinste über beide Ohren.
Komm Engel! Lass uns gehen."
„Du brauchst mich nicht mehr so zu nennen. Ich bin keiner mehr.", äußerte er, während er nachdenklich schaute.
Ich werde nie aufhören dich so zu nennen. Und ich werde dich nie wieder vergessen."
„Nie wieder.", fügte Aziraphale hinzu, schaute dabei in den Himmel und nahm die Hand von Crowley.

Und so nimmt die Geschichte ihr Ende. Die Nachtigall saß wie jeden Abend auf einem dünnen Ast und zwitscherte zufrieden. Es schien so, als beobachtete sie das Geschehen im Buchladen gegenüber, während die dicken Regenwolken sich auflösten und rosa roten Himmel zurückließen.

Good omens - Aziraphale x Crowley Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt