Von hier oben konnte man sehe, wie die fünf Freunde ineinander eingehängt aus dem Gerichtsgebäude schlenderten und grinsend durcheinander redeten. Zum ersten mal seit langen fühlten sie wahre Euphorie und sie konnten es nicht verbergen. Auch ihre Eltern schienen erleichtert und trotz der Situation lächelten auch Thomas und Christopher der leiblichen Mutter ihres toten Sohnes zu, die sich wenn auch mit etwas Abstand zu den anderen gesellte. Sie wurde eingeladen. Wie sie alle. Mr. Minster hatte Lous Freunde und dessen Eltern zu sich nach Hause eingeladen, um auf den Sieg anzustoßen.
Mit Bier oder Wein in den Händen standen die Eltern gemeinsam im Garten und lachten zusammen, wie sie es früher an Geburtstagen gemacht haben. Durch ihre Kinder waren sie über die Jahre auch zu guten freunden geworden, doch wie das so ist, der Alltag hinderte einen daran so oft zusammenzukommen, wie man wollte und so genossen sie jeden Augenblick des Glücklich und Gemeinsam seins. Und auch wenn Lous leibliche Mutter erst seit kurzen in ihr Leben platz hatte, wurde sie bereits jetzt ins Herz geschlossen. Sie war genauso liebevoll wie ihr Sohn und auch sie hatte eine ansteckende Lebensfreude, die einen aus dem tiefsten Loch ziehen konnte. Also war es nicht schwer sie in die Gruppe mit offenen Armen aufzunehmen.
Während die alten unten für gute Stimmung und lautes Gelächter sorgten, saßen die fünf gemeinsam im Zimmer und hockten über je ein Blatt mit Stift in der Hand. Sie alle schrieben einen Brief für ihn. Für Lou, ihren Freund, der sie viel zu früh verlassen hatte. Die Texte wurden mit jeder Minute länger, als müssten sie nie über das was sie schrieben nachdenken. In ihren Gesichtern spiegelten sich so viele Emotionen ab, die alle ihm galten, ihren gemeinsamen Erinnerungen und der gemeinsamen Zeit. Als sie endlich zufrieden mit ihren Briefen waren, standen sie auf und fielen sich wie so oft in die Arme. „Wir habe es endlich geschafft", flüsterte Callie aus der Mitte des Menschenhaufens und wurde dann nur umso fester gedrückt.
Zusammen liefen sie die geschwungene Treppe hinunter und gingen mit riesigen Grinsen an ihren Eltern vorbei auf die gepflegte Grünwiese im Garten. „Es ist alles vorbereitet", verkündigte Callies Mom und sah dabei zu wie die fünf zur Mitte der Wiese schritten und sich dort zu Boden hockten. Vor ihnen baute sich ein kleiner mit Luft gefüllter Heißluftballon mit einem geschmückten Korb auf. Dort lagen bereits etliche eingepackte Briefe, zusammengehalten durch eine braune Schnur. Auf dem obersten Umschlag stand in schnörkeliger Schrift: Für Simon (oder wie sie dich kannten Louis), mein geliebter Sohn, von deiner Mutter, die du nie kanntest. Kurz blickten sie zu ihr zurück und lächelten ihr aufmunternd zu. Doch sie wirkte als würde sie keine Aufmunterung brauchen. Sie schien sich wohl und willkommen zu fühlen und es zu genießen unter Menschen zu sein und endlich wieder zu lachen.
Als ersten legte Terrence seinen vierseitigen Brief in den Korb, seine feinsäuberliche Schrift erzählte viele schöne, teils reimende Worte und er wusste genau, das er genau das richtige mit diesem Brief aussagen konnte. Nun legte Francesco seinen Brief hinzu und verweilte mit seiner Hand dort einige Sekunden, als würde er so eine Verbindung zu Lou spüren. Callie hingegen konnte kaum abwarten den Umschlag hinein zu werfen und abschied zu nehmen. Sie sah es als Schlussstrich, als Möglichkeit mit der Trauerbewältigung anzufangen, da sie nun endlich nicht mehr in Angst leben musste. Mit dem Blick nach oben gerichtet, lässt Max seinen Brief in den Korb sinken und man erkennt sogar von hier oben das kurze Gebet, welches ohne Töne auf seinen Lippen zu lesen war. Und dann war Zoey an der Reihe. Ihr Brief sollte oben liegen. Es sollte der erste sein, den er liest. Ein Brief seiner Geliebten. Ihre Augen waren feucht doch ihre Lippe wurden durch ein Lächeln geziert. Ein Lächeln, was er nie vergessen würde, und dafür sorgte sie durch einen großen Schmatzer auf dem Umschlag. Mit roten Lippenstift legt sie ihn zu den Anderen und schließt daraufhin den Korb mit einer feinsäuberlichen Schleife.
Da die Box nun geschlossen war, traten die Eltern näher an ihre Kindern und betrachteten, wie sie den Luftballon dem Universum überließen. Doch was genau in den Briefen stand, würden sie wohl nie erfahren. Alle Augen folgten dem immer kleiner werdenden Luftballon, bis er nur noch als kleiner Punkt am Himmel zu sehen war, bis er dann letztendlich aus dem Sichtfeld der Menschen verschwand. Doch die fünf starrten weiterhin in den Himmel, als würden sie sehen, wie die Briefe ankamen.
Jetzt bleibt nur noch eins zu sagen: Danke für die Briefe.
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Letters To Him
Teen FictionAuf der Suche nach seiner leiblichen Mutter geraten Louis und seine fünf Freunde in die Schussbahn eines Mörders. Als einer der sechs nicht lebendig aus den Fängen des Mannes wiederkommt beginnt der Kampf um Gerechtigkeit, doch was ist, wenn es sow...