Chapter 20

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Kaum waren die Tränen auf den Gesichtern der fünf Freunde getrocknet, bahnten sich bereits die nächsten an. Die gemeinsame Fahrt zur Kirche zog sich, wie ein zerkautes Kaugummi und mit jedem Meter kamen sie der wohl schwersten Aufgabe ihres Lebens entgegen. Nie hätten sie gedacht in so jungen Jahren schon einen ihrer Freunde zu begraben. Sie dachten immer, vielleicht nach 80 gemeinsamen Jahren, würden sie sich in solch einer Situation wiederfinden, doch das Schicksal wollte es anders. Und so waren sie alle hier, in schwarz gekleidet, mit verweinten Gesichtern und aneinandergeklammert.

Mit zitternden Schritten betraten sie die pompöse Kirche und begrüßten Lous Eltern mit lediglich einer trauernden Umarmung. Sie baten die fünf vorne in der zweiten Reihe Platz zu nehmen. Auch Callies und Max Eltern, wie auch Zoeys Mutter nahmen Platz, aus Respekt weiter hinten im Raum, doch immer mit einem Auge auf ihre erschöpften Kinder. Als die fünf letztendlich nach etlichen zehrenden Sekunden an der Reihe ankamen, fiel ihr Blick auf eine einsam sitzende Frau, welche abgeschlagen in die Ferne starrte. „Miss Forbes?", versuchte Max sie anzusprechen, doch wie nicht anders zu erwarten reagierte sie nicht. Also betrat er die Reihe und ließ sich neben ihr nieder. Sie trug ein graues Wollkleid und ihre Augen wirkten, als wäre hinter ihnen nur pure Leere. Kurz nachdem alle sich gesetzt hatten, warf Callie einen letzten Blick durch den Raum, aus Angst Carson würde hier auftauchen. Doch statt ihn zu sehen, entdeckte sie die halbe Schule. Neben dem Football Team reihten sich die Cheerleader auf, welche prüfend zu Callie sahen. Dahinter die Schauspiel AG und das Schülersprecherteam. Sie wusste nicht, ob sie alle für Lou hier waren oder doch eher für sich selbst, doch das sollte ihr egal sein. Kurz darauf wandte sie sich wieder nach vorne und griff vorsichtig nach Francescos Hand, welcher seine langen Finger um ihre schloss. Auch er ließ seine meerblauen Augen schweifen, nur eine Stelle ließ er bewusst aus. Und auf eben diese fixierte Zoey ihren Blick.

Von oben konnte man sehen, wie der blutleere Körper eines jungen Sportlers in einem mit Samt bekleideten Holzsarg lag. Der vor noch wenigen Tagen lebensfrohe Junge lag nun mit geschlossen Augen, übereinander gefalteten Händen und dunkelgrünen Anzug in seinem letzten Schlafgemach. Trotz des Anblickes, musste Zoey, wenn auch mit rollenden Tränen, Schmunzeln. Denn vor nur wenigen Monaten hatte Lou ihr erzählt, dass wenn er je sterben sollte, dass er bloß keinen schwarzen Anzug tragen wollte, da das nicht zu ihm passen würde. Und jetzt wo sie ihn so sah in Farbe, stimmte sie ihm zu. Er war nie ein Anzugträger gewesen, er war viel lieber in Jeans und schlichten T-Shirt unterwegs oder in seinem Trikot. Bei dem Gedanken, löste sie ihren Blick und hob ihre Hand leicht als Begrüßung, als ihr Blick auf die Sportler einige Reihen weiter hinten fiel. Einige von ihnen grüßten zurück, doch die meisten starrten nur zu Boden, sie wollten nicht, dass sie jemand weinen sah.

Über so eine Belanglosigkeit konnte sich Terrence keine Sorgen machen, denn in nur wenigen Minuten würde er dort vorne stehen und vor hunderten Menschen in Tränen ausbrechen, doch das war im relativ egal. Jeder, der das nicht verstehen konnte, war herzlos und so versuchte er erst gar nicht seine Tränen aufzufangen. In seinem Jackett knisterte das Papier, auf dem er über mehrere Tage eine Rede zusammengebaut hatte, die Lous Leben gerecht werden sollte und doch war er sich nicht sicher, ob es ihm gelungen war. Noch einen schnellen Blick auf die schnörkelige Schrift und dann war es so weit. Der Pastor stellte sich vor die trauernden und begann seine typische Rede. Sie war schön aber nicht persönlich. Wie sollte sie das auch, er kannte Louis nicht, er war ein Fremder und dennoch schaffte er es mit nur wenigen Worten den Menschen die Luft zu rauben. Dann es war es endlich so weit. Terrence zog sich an der dunkelbraunen Holzbank vor sich hoch und marschierte zum Podest. Er selbst merkte es nicht, da er mit den Rücken zu ihnen stand, doch vom Universum konnte man sehen, wie die vier restlichen Freunde sich alle an die Hand nahmen und mit rot geschwollenen Augen jede Bewegung ihres Freundes beobachteten. Als dieser dann am Ziel ankam krallten sich seine Finger ins Holz, sodass seine Knöchel fast weiß herausstanden. Erst nach mehreren Sekunden und drei tiefen Atemzügen, die durch die Stille schnitten, hob er den Kopf und suchte den Raum nach bekannten Gesichtern ab. Zwar kannte er fast jeden hier, doch es gab nur wenige Menschen, die ihm allein durch ihre Anwesenheit beruhigten. Und sie saßen alle zusammen in der zweiten Reihe.

Letters To HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt