Chapter 6

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Angespannt standen die Beschuldigten vor dem dunkelhäutigen Polizisten, doch dieser blickte nur dem wegfahrenden Polizeiauto hinterher.
Als dann das rote Rücklicht auf die Hauptstraße einbog, drehte sich der Mann rückartig um und legte seine großen Hände auf die Schultern seiner Tochter.
„Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?", schon fast wütend brüllte er seine Tochter an. Und kaum waren seine Worte gesprochen, begann Zoey zu weinen. Schon oft hatte sie ihren Vater enttäuscht, doch sie hatte es nie geschafft ihn wütend zu machen.
„Es... es tut mir leid."
„Es war meine Idee Herr Kaluka." „Max ich bedanke mich für deine Ehrlichkeit, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Zoey mich erneut angelogen und meinen Wunsch ignoriert hat." Er legte seine Hand auf den Rücken seiner Tochter und schob sie Richtung Auto, auch Terrence deutete er den Weg zum Auto. Erst dann richtete sich der große Mann an Francesco. „Kann ich mich darauf verlassen, dass du Callie und Max sicher nach Hause fährst?" Trotz seiner Wut war es Chester noch immer wichtig, dass alle sicher nach Hause kamen und Francesco versprach dieses und begab sich als erster, dicht gefolgt von den anderen, zum Auto.
Nachdem dieses das Grundstück verlassen hatte, setzte auch Chester sich ins Auto und fuhr mit seiner Tochter und Terrence zu seinem Haus.
Die gesamte Autofahrt wechselten sie keine Worte untereinander, nur Blicke dienten als Unterhaltung, doch auch diese passierten so selten, dass man sie glatt übersehen könnte.

*

Nach einer schweigsamen Rückfahrt und einem ruhigen Abend klingelten erneut alle Wecker um dieselbe Zeit. Es war Montag, der erste Tag an welchem sie ohne ihren Freund zur Schule gehen würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich konzentrieren konnten, war wirklich gering, doch sie wollten nicht, dass sie den ganzen Tag unter den Fittichen ihrer Eltern waren.

Kaum merklich schlich Terrence in Zoeys Zimmer, sie lächelte ihn aufmunternd an doch er starrte sie nur an und zog scharf die Luft ein. „Ich... Ich ..." Terrence stammelte vor sich hin und lies sich erschöpft neben Zoey ins Bett fallen. Diese setzte sich auf, lehnte sich an die Wand und lies Terrence seinen Kopf auf ihre Beine legen. Selbst ein wenig stotternd richtete Zoey nun das Wort an ihren beinah Bruder „Ich weiß... Ich weiß auch nicht wie wir den Tag überstehen sollen." vorsichtig strich sie durch seine Haare und wischte sich mit der anderen Hand eine Träne aus dem Gesicht. Terrence tat es ihr gleich und bedeckte seine feuchten Augen mit seiner zitternden Hand.

Nach einer Weile, in der sie nur so da lagen, konnte man das Quietschen der Tür wahrnehmen, durch welche ihre Mutter den Kopf streckte. „Guten Morgen, meine Süßen. Habt ihr ein bisschen Schlaf bekommen?", die liebevolle Stimme der Brasilianerin durchquerte den Raum und erreichte die Ohren der Teenager. Beide von ihnen nickten, nachdem Terrence sich aufgerichtet und sich neben Zoey an die Wand gelehnt hatte, doch alle wussten, dass es gelogen war. „Ihr müsst jetzt aufstehen, wir fahren in einer halben Stunde zur schule. " Mit einem gespieltem lächeln nickten beide erneut und sahen der hübschen Frau hinterher. Sie fuhren täglich gemeinsam den Weg zur Schule, Zoeys Mutter unterrichtete Kunst und spanisch an der Schule der Teenager und durch ihren Job als stellvertretende Schulleiterin hätte sie die Möglichkeit gehabt, ihre Tochter und ihre Freunde für eine gewisse Zeit freizustellen, doch sie verweigerten dieses Angebot.

Sie wollten ihr Leben so weiterleben wie zuvor, zumindest wollten sie es versuchen, dass wäre das, was Louis sich von ihnen gewünscht hätte.

Sechs Querstraßen weiter nördlich blieb die kleine blonde Cheerleaderin auch nach ihrem Wecker noch, in ihrer Decke eingekuschelt, im Bett liegen. Sie konnte die Klingel von unten hören, doch auch das veranlasste sie nicht zum Aufstehen, im Gegenteil, sie drehte sich um und drückte sich ein Kissen auf das Ohr.
Kurze Zeit später öffnete sich die Zimmer Tür und Max trat zu Callie ins Zimmer.
Langsam setzte er sich auf die Bettkante und strich mit seiner Hand über den mit Stoff bedeckten Rücken seiner besten Freundin. Lächelnd drehte diese ihren Kopf und schenkte ihm ein verweintes lächeln. Sie sahen sich an, blickten sich gegenseitig in die Augen und schlossen sich dann in die Arme.
„Wir schaffen das.", erneut war es Max, welcher versuchte sie aufzumuntern aber gleichzeitig auch sich selbst gut zuzureden. Mehrere Minuten saßen sie gemeinsam Arm in Arm auf dem Bett, bis sich Callie erhob und ihre Sachen zusammensuchte. Während sie sich fertig machte, wartete Max unten im Auto, welches er sich von seinen Eltern geliehen hatte, da seins noch immer auf dem Krankenhausparkplatz stand.

Gleichzeitig fuhren zwei Autos Richtung schule. In dem einem saßen Zoey, ihre Mutter und Terrence, das andere bestand aus Callie und Max. Nur der letzte überlebende der ehemaligen sechs stand noch immer in seinem Zimmer und starrte vor sich hin.
Um genau zu sein starrte er in den leeren Raum. In den Raum von Louis, doch auch heute war er nicht dort. Er hatte sich noch nicht, wenn das überhaupt möglich war, an die Situation gewöhnt.
Mit geröteten Augen sah er auf die Uhr, welche gegenüber vom Fenster hing und realisierte die fortschreitende Zeit. Wenn er noch halbwegs pünktlich an der schule ankommen wollte, hätte er sich jetzt auf den Weg machen müssen, doch er tat es nicht.

Stattdessen setzte er sich zurück auf sein Bett und begann in seiner Nachttischschublade herumzuwühlen. Nachdem er fand, wonach er gesucht hatte, schüttelte der Schüler die durchsichtige Tüte. Die drei Pillen, welche diese beinhaltete, führten einen Tanz in dem ihnen zur Verfügung stehenden Raum auf. Mit unentschlossenem Blick schaute er sich die Drogen an. Er hatte noch nie etwas zu sich genommen, doch er merkte, dass er immer schwächer wurde. Der ganze Stress, die Gewalt, die er erlebte und der schreckliche Schicksalsschlag machten ihn schwach, raubten ihm seine Nerven. Der Italiener schlug mit seiner freien Hand auf seine Stirn und fuhr dann durch seine Augen. Einzelne Tränen verließen das blaue Meer seiner Augen, doch es waren keinen Tränen der Trauer. Es war Wut, welche Francesco versuchte zu verbergen. Von einem Schrei begleitet, feuerte er die Tüte in eine Ecke seines Zimmers und drehte sich danach im Kreis, um seiner Energie freien Lauf zu lassen. Seine Verzweiflung und Einsamkeit waren ihm anzusehen.

Ruckartig wurde die weiße Zimmer Tür zu Francescos Zimmer aufgeworfen und der wutentbrannte Italiener trat in den nach rauch riechenden Raum ein. Sein Blick glitt von seinem Sohn auf die aufgerauchten Zigarettenstummel, welche auf dem Nachttisch lagen. „Warum bist du noch nicht in der Schule?", fauchte der Alte los. Mit einem provokantem Lächeln und Ton in der Stimme hauchte der Junge seine Worte „weil ich kein Bock habe." die Augen von Francescos Vater verkleinerten sich zu kleinen Schlitzen und seine Hände wurden zu festen Fäusten, welche erbarmungslos auf den eigenen Sohn einschlugen.
„Ich habe dir gesagt, du sollst nicht rauchen!", brüllte der Aggressor mehrere Male bis er davon überzeugt war, dass sein Sohn es verstanden hatte. Dieser lag mit den Armen über den Kopf verschränkt, zusammengekauert auf seinem Bett und duldete die Schläge seines Vaters, doch die Wut in ihm stieg ebenfalls immer weiter an. Eine Faust landete in seiner linken Seite und seine darunterliegenden Rippen begannen zu brennen. Der nächste Schlag erwischte ihn am linken Auge und er spürte wie langsam Blut an die Oberfläche stieg. Er starrte auf den Ring an der Hand seines Vaters und wich dem nächsten Hieb aus. Die Faust landete im leeren. Die nächste jedoch suchte sich erneut eine Stelle seines Körpers aus. Irgendwann gelang es Francesco den Schmerz weitestgehend auszublenden, er flüchtete in seine eigene erschaffene Welt. Seinen Gedanken.

Aus dem Augenwinkel und etwas benommen blinzelte er zu den zuvor weggeworfenen Drogen und betete, dass sein Vater diese nicht entdecken würde, und es schien als wurde sein gebet erhört. Der kleine Mann lies von dem blutenden Jungen ab und verließ das Zimmer mit einer letzten Warnung. „Wenn du noch einmal rauchst oder zu spät zur Schule kommst, dann wirst du mich richtig kennenlernen!"

Verletzt und wutentbrannt packte Francesco seinen Rucksack und bückte sich zu den am Boden liegenden Drogen, nahm diese und stürmte aus dem Haus.
Nachdem er in seinem Auto das Blut aus seinem Gesicht gewischt hatte, startete er den Motor und fuhr los zur Schule.

Letters To HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt