Kapitel 5 - eine aussichtslose Zukunft

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Die ganze Nacht lag ich dort. Meine Beine verschmiert mit Blut und Sperma, das weiße Bettlaken nun mit einem großen roten Fleck versehen. Welch passende Analogie, dachte ich traurig. Es wurde gesagt, in der Hochzeitsnacht würde einer Frau von ihrem Ehemann die Unschuld genommen. Wie wahr es doch war, in so vielerlei Hinsicht. Mein Körper war erschöpft, ebenso mein Geist. Doch jedes Mal wenn ich versuchte die Augen für ein wenig Erholung zu schließen, sah ich wieder Willfried.

Er hatte mich erfolgreich gebrochen, dachte ich bitter. Meine Tränen waren vor Stunden ausgegangen, die Emotionen damit verschwunden. Doch die gähnende Leere, die ich nun empfand, war keine Erleichterung. Vor Erschöpfung nickte ich immer wieder kurz weg, bevor ich meine Augen wieder aufriss und kurz verzweifelt an der Krawatte zog. Dann gab ich entrüstet auf. Es war ein endloser Kreislauf, in dem ich bis in die späten Morgenstunden gefangen war.

Willfried war nicht zurückgekehrt. Ich hoffte, er würde es gar nicht tun und mich in meinem Elend alleine lassen. Doch das würde nicht geschehen.

Die Tür öffnete sich leise und rein kam eine junge Frau in Uniform. Beschämt senkte ich den Blick, bevor ich ihn wieder hob und sie bittend ansah. Doch sie warf nur einen kurzen Blick auf mich und wandte sich dann ihrer Arbeit zu. Während sie staubputzte beobachtete ich sie. Wie sah wohl ihr Leben aus? Ihrer sozialen Schicht nach wohl simpler als meins. Hatte sie einen Ehemann? Natürlich, tadelte ich mich frustriert. Sie wirkte so zierlich. Mit ihren langen dunkelbraunen Haaren und der schmalen Statur schien sie fast wie ein Kind.

Wie alt war sie wohl? Ich versuchte erneut ihre Hilfe zu erfragen. Sie war eine Frau. Sie würde sicher verstehen, wie schlecht es mir ging und mich unterstützen. Richtig? Hoffnung machte sich in mir breit. In dem Moment wollte ich nichts lieber tun, als das beschmutzte Bett zu verlassen und ein langes Bad zu nehmen. Die Spuren letzter Nacht von meinem Körper zu schrubben, bis ich endlich wieder sauber war. Rein war.

Doch tief im Inneren wusste ich, kein Bad der Welt würde die Erinnerung aus meinem Kopf waschen können. Egal wie sauber ich körperlich war, das schmutzige Gefühl würde bleiben.

Leise versuchte ich die Aufmerksamkeit der Bediensteten zu erlangen. Meine Stimme war rau und kraftlos, ein Resultat der gestrigen Malträtierung meines Halses.

„Hallo?" fragte ich zaghaft. „Könnten Sie mir bitte helfen? Ich..." fing ich an, während sich wieder mal Tränen in meinen Augen bildeten.

Sie drehte sich langsam um und blickte mich kurz an, bevor sich ihr Blick auf den Boden senkte. In ihren Augen meinte ich für einen Moment Mitgefühl zu sehen, bevor sie sich verhärteten und abwandten. „Ich kann Ihnen nicht helfen. Herr Eckerhard hat es untersagt. Bitte lassen Sie mich meine Arbeit fortführen. Der Hausherr wird sich später um Sie kümmern" sprach sie leise, emotionslos und mir entkam ein Schluchzen.

Ich war alleine. Wieder einmal bewies Willfried, wie viel Macht er nun über mich hatte. Als neue Hausherrin war es eigentlich meine Aufgabe, das Personal anzuleiten. Doch nicht mal das Häufchen Kontrolle würde er mir erlauben.

Die Bedienstete verließ kurz darauf still den Raum und nun wieder alleine blickte ich starr an die Decke. Einige Zeit später öffnete sich die Tür erneut, diesmal trat Willfried ein. „Guten Morgen Viktoria. Hast du gut geschlafen?" begrüßte er mich. Meine Position ignorierte er damit völlig. In seinen Augen sah ich, dass ihm die Antwort bereits klar war. Die Freude mit der er die Frage gestellt hatte mehr zum Spott als alles andere gedacht.

„Du bist ja noch gar nicht angezogen" tadelte er spielerisch, bevor er sich neben das Bett stellte und leicht an der Krawatte zog. Ich atmete tief durch und blieb still. Wie so oft wollte er keine Antwort haben. Willfried band die Krawatte los und ich setzte mich schnell auf, meine nun freien Hände in meinem Schoß. Meine Arme schmerzten nach einer Nacht in der Position. Meine Handgelenke waren rot und brannten.

Schatten der Vergangenheit - Viktorias VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt