Kapitel 7 - verhängnisvoller Biss

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Der Wald war so schön. Ich drehte mich begeistert im Kreis, während ich den zwitschernden Vögeln lauschte. Die Sonne strahlte zwischen den Bäumen auf den Boden und tauchte die Natur in goldenes Licht. Moos wuchs an manchen Bäumen auf einer Seite und ich fuhr glücklich über die weiche Oberfläche.

Dunkel erinnerte ich mich an Vater. Er hatte mir erzählt, dass sollte ich ein mal im Wald die Orientierung verlieren, nach einem moosbewachsenen Baum Ausschau halten solle. So wüsste ich immer, wo Norden ist. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, bevor ist es schnell stoppte. Hier würde ich keine Erinnerungen an Willfried zulassen.

Nickend wanderte ich zwischen den Bäumen entlang und beobachtete die zahlreichen Pflanzen, die dort wuchsen. In der Ferne hörte ich Wasser rauschen und beschleunigte meinen Schritt, um dort hinzugelangen. Eine Zeit später erspähte ich zwischen dem Gehölz Wasser fließen und sprintete den letzten Teil dorthin. Mein langes Kleid verhedderte sich dabei in unzähligen Sträuchern, aber das war mir in dem Moment egal.

Kein Gewand der Welt würde mich davon stoppen, dieses Gefühl der Freiheit auszuleben. Glücklich setzte ich mich an den Bach und beobachtete fasziniert, wie kleine Fische dem Strom nach schwammen. Ein Frosch quakte links von mir und ich drehte mich schnell in die Richtung, nur um ihn zwischen dem Unterholz verschwinden zu sehen. Mit geschlossenen Augen lauschte ich den Geräuschen des Waldes und dem lauten Rauschen des Bachs. Die Sonne schien mir ins Gesicht, und ich lehnte mich glücklich zurück gegen einen Baumstamm.

Plötzlich setzte sich ein Schatten vor mich. Verwirrt öffnete ich die Augen, nur um mit einem Fremden konfrontiert zu werden. Erschrocken wollte ich zurückweichen, doch wurde durch den Baum blockiert. Schnell richtete ich mich auf, um wegzurennen. Die Stimme des Fremden stoppte mich ruckartig.

„Wenn du nicht in Kontakt mit meinem Messer kommen möchtest, rate ich dir, stehenzubleiben."

Langsam drehte ich mich wieder zu ihm und schaute ihn erschrocken an. Wie behauptet hielt er ein Messer in seiner rechten Hand. Ängstlich trat ich einen Schritt zurück, doch übersah zu meinem Verhängnis eine Wurzel und landete hart auf dem Waldboden. Während ich schnell versuchte aufzustehen, lief er gelassen auf mich zu. Ein arrogantes Grinsen dekorierte sein Gesicht.

Er sah jung aus, höchstens Mitte zwanzig. Sein Gewand war das eines Jägers. Er trug einen mit Vogelfedern verzierten Hut, ein Fernglas von seinem Hals hängend. Seine grünen Augen glänzten schelmisch, als er mich musterte. An seinem Rücken baumelte ein Jagdgewehr, das meine Angst nur verstärkte. Selbst wenn ich weit genug laufen könnte, um außer Reichweite seines Messers zu sein, könnte er mich wie Wild abschießen, wenn er wollte.

Seine dunkelgrüne Kleidung war perfekt, um unerkannt von möglicher Beute durch den Wald zu wandern. Wie hatte ich ihn nicht hören können? Ich fluchte innerlich über meine Dummheit. Der Jäger blieb vor mir stehen und ich lief einen erneuten Schritt zurück, nur um von einem Baumstamm gestoppt zu werden.

Sein Grinsen wurde größer als er mir folgte und schließlich direkt vor mir stehen blieb. Dann erhob er seine Hand und hielt das Messer an meine Kehle. „Beweg dich und ich morchel dich wie Wild" raunte er mir ins Ohr und ich atmete zitternd ein. Wie konnte es sein, dass ich immer in solche Situationen kam? Es schien als würde das Schicksal gegen mich arbeiten. Hatte ich nicht einen ruhigen, freien Tag verdient? Das Messer an meinem Hals deutete nein.

*Trigger Warnung: im Folgenden wird eine kurze sexuelle Belästigung beschrieben. Es kommt NICHT zur Vergewaltigung!*

Seine linke Hand wanderte langsam zu meinen Brüsten und ich zog einen scharfen Atemzug ein, als er mich so unzüchtig berührte. Waren alle Männer so verdorben wie Willfried? Meine Augen wurden groß, als ich mich leicht bewegte und das Messer tiefer in meine Haut drückte. Ich konnte spüren wie ein Blutstropfen langsam meinen Hals runterglitt und presste frustriert die Zähne zusammen.

„Schüchtern? Keine Sorge kleine Taube, ich werde mich gut um dich kümmern" raunte er erneut in mein Ohr und positionierte sein Gesicht direkt vor meins. Sein Blick glitt runter zu meinem Hals und er lachte rau auf. „Das Täubchen ist verletzt. Wie tragisch. Lass mich dir helfen".

Damit presste er seine Lippen auf meine und ich öffnete schockiert meinen Mund. Er nutzte die Möglichkeit, um seine Zunge in mich fahren zu lassen, und mein ganzer Körper spannte sich an, während ich verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Es war schlimm genug, dass ich einen Ehemann hatte, der sich nahm, was er wollte. Ich konnte es nicht noch mit einem Fremden erleben, wollte mich nicht wieder wie in meiner Hochzeitsnacht fühlen.

Entschlossen zu kämpfen, biss ich ihm hart auf die Zunge. Wenn es mich das Leben kosten würde, dann wenigstens ohne zuvor geschändet zu werden. Sein Blut sickerte in meinen Mund, bevor er ruckartig zurückwich und laut fluchte. Ich schluckte schwer, als sein Blick sich verdüsterte. Zuvor war er amüsiert gewesen, jetzt guckte er mörderisch. Blut glitt meinen Hals runter und ich schauderte. Widerlich, dachte ich beschämt. Meine Augen fixierten ihn stur, als ich plötzlich ein kontinuierliches Pochen wahrnahm.

Poch, Poch, Poch. Was war das? Dann sah ich aus dem Augenwinkel seine Halsschlagader und es sammelte sich Spucke in meinem Mund. Ich war schlagartig unglaublich durstig, meine Kehle fühlte sich so trocken an. Verwirrt konzentrierte ich mich wieder auf seine Halsschlagader. Ich sah sie pochen, wie konnte das sein? Das Geräusch übertönte alles andere.

Der Fremde drückte das Messer ein wenig fester gegen meinen Hals und beugte sich erneut zu meinem Ohr runter. Bevor ich es realisiert hatte, waren meine Zähne im nächsten Moment in seinem Hals. Genüsslich trank ich seinen Lebenssaft, während er nach einem kurzen überraschten Aufschrei immer entspannter wurde und anfing leise zu stöhnen.

Ich ignorierte seine Geräusche, schenkte seiner Hüfte keine Beachtung, die immer wieder gegen meinen Bauch stieß. Eine Stimme in mir schrie aufzuhören. Fragte sich, was gerade passierte. Doch ich war konzentriert auf mein Mahl, alles andere war in dem Moment nebensächlich. Am Rande hörte ich, wie sich sein Herzschlag zunehmend verlangsamte und frustriert trank ich den Rest seines Blutes, bevor sein Körper leer war.

Nicht gesättigt, aber stärker als vorher schmiss ich den nun toten Jäger zur Seite und scannte mit meine Umgebung mit meinen jetzt scharfen Sinnen. Ich brauchte mehr, dachte ich ungeduldig und warf einen weiteren unglücklichen Blick auf den Leichnam. Er war viel zu schnell gestorben. Egoistischer Mensch, dachte ich genervt.

Dann hörte ich einen Herzschlag in der Nähe und sprintete dorthin. Ehe ich mich versah hockte ich neben einem Baum und studierte meine Beute. Ein Reh graste unwissend auf der Lichtung und als es gerade alarmiert den Kopf hob, sprang ich schnell zum Angriff und landete geschickt auf dem Rücken des Tieres. Durch die Wucht fiel es jammernd hin und ich biss schnell in eine Ader. Das Blut schmeckte nicht, bemerkte ich frustriert. Doch der Hunger trieb mich dazu, weiterzutrinken, bis auch mein zweites Opfer lebungslos dort lag.

Angeekelt spuckte ich das letzte bisschen Blut aus und beobachtete abwesend das Reh. Es lag auf der Seite, die Kehle weit aufgerissen. Die Augen guckten glasig ins Nichts und als ich sie näher betrachtete, kam ich schlagartig zurück zu mir.

Schockiert beobachtete ich das Massaker, das ich angerichtet hatte. Wie konnte das sein? Hatte ich das wirklich getan? Orientierungslos schaute ich mich auf der Lichtung um. Egal wohin ich sah, überall waren Bäume.

Ich hatte keine Ahnung, wo ich war.

Schatten der Vergangenheit - Viktorias VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt