Wir marschierten durch den Wald, die beiden Männer vor uns schweigend am laufen. Sie blickten sich immer wieder um, um sicherzugehen, dass wir ihnen folgten. Während der namenlose Mann gefühlskalt zu uns blickte, durchlöcherte mich Doranu mit hasserfüllten Blicken. "Lexus" flüsterte ich, doch er schüttelte mit einem Blick zu den beiden Fremden den Kopf. "Später" hauchte er und ich nickte langsam. Diese Situation war weniger als ideal. Das einzige was ich wusste war, dass diese Fremden wohl königliche Soldaten Malyneras waren und einen Heiler benötigten.
Die beiden machten mir Angst. Vor allem Doranu mit seiner hasserfüllten Art. Immerhin hatte ich es geschafft, in dem Moment nicht panisch zu werden. Doch das lag vorallem daran, dass Lexus dort war. Ich fühlte mich seltsam sicher neben ihm. Er hatte mich vor dem Schattenwandler gerettet, mir die Grundlagen der Selbstverteidigung beigebracht und mich vor den Männern verteidigt. Lexus hatte sich schützend vor mich gestellt. Die Situation war für mich unglaublich beängstigend, alleine schon, weil ich nicht im Ansatz genug über diese Welt zu wissen schien. Das Königreich Malynera war mir vom Namen bekannt, doch alles andere? Ich wusste nicht, welchen Stand die Soldaten in Gniea hatten, anscheinend existierte eine Form der Monarchie dort. Das Wort 'Königreich' hatte es schließlich suggeriert.
Doch so sehr ich froh war, nicht in Panik ausgebrochen zu sein... Ich hatte nur dort gestanden und stumm genickt. Automatisch war ich in die passive, stille Viktoria transformiert worden. Es frustrierte mich, wie schnell meine Vorsätze sich in Luft auflösen konnten. Nie wieder schwach sein? Das war bereits fehlgeschlagen. Seufzend schüttelte ich den Kopf und blickte traurig durch den farbenfrohen Wald. Ich musste wohl das Beste als der Situation machen. So misstrauisch Lexus schien, während er fokussiert auf die beiden Mela starrte, so bereit war er auch, ihnen zu folgen. Ich verstand seine Bereitschaft nicht, diesen fremden und gefährlich wirkenden Männern ohne Widerworte zu folgen. Doch was war meine Alternative?
Als Vela war ich wohl das schnellste Wesen Gnieas, doch was würde mir die Flucht bringen? Der Wald war von gefährlichen Kreaturen bewohnt. Und selbst, wenn ich all das überleben würde und immer weiter rennen würde... Wo würde es enden? Ich hatte Lexus zuvor selber gesagt, dass die Flucht keine Pauschallösung sein konnte. Es konnte nicht mein Ziel sein, vor allem gefährlichen im Leben wegzulaufen.
Tief durchatmend blickte ich zu dem beiden Fremden und dann zu Lexus. Er kannte diese Welt und würde mich beschützen. Und diese Mela, sie wollten seine Hilfe. Es konnte also nicht das Ziel sein, uns direkt zu schaden. Zumindest Lexus nicht, dachte ich bitter. Als Vela waren meine Chancen wohl schlechter, wenn Doranus Worte eine Indikation waren. Wie viele Wesen teilten wohl seine Einstellungen? Der Hass in seinen Augen ging mir nicht aus dem Kopf. So unverständlich wie ich ihn fand, jedes Vorurteil hatte seinen Hintergrund. So wie ich durch Willfried ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Männern entwickelt hatte.
Es machte die Situation nicht besser, doch setzte Donarus Verhalten zumindest in einen Zusammenhang. Ich hatte ihm persönlich nie Leid zugefügt und plante es nicht, sein Hass war nicht direkt an mich gerichtet. Er sah in mir etwas, was diese starken negativen Gefühle auslöste.
Ich hörte Geräusche aus der Distanz. Mehrere Herzschläge und... Blut? Es ergab Sinn, würde die Suche nach einem Heiler erklären. "Ich rieche Blut" flüsterte ich und Lexus blickte mich mit besorgten Augen an. Er nickte kurz und schenkte mir ein beruhigendes Lächeln. "Egal was passiert" hauchte er zurück, den Blick starr nach vorne gerichtet. "Ich werde alles in meiner Macht tun, dass dir nichts passiert. Doch sollte etwas geschehen..:". Lexus schaute kurz zu mir, der Blick intensiv. "Renn". Mein Herz schlug bei seinen Worten schneller. Auf was hatte ich mich eingelassen? Seufzend nickte ich leicht. Egal was passieren würde, ich war dieses Mal nicht alleine.
"Wir sind fast da" ertönte die emotionslose Stimme des namenlosen Soldaten und Lexus und ich schauten uns ein letztes Mal an. Dann sah ich zwischen den Bäumen mehrere Zelte stehen. Sie waren alle in dunkelblauer Farbe, mehrer Soldaten davor stationiert. Im Gegensatz zu den beiden Mela waren sie in blauen, mit silbernen Ornamenten verzierten Uniformen gekleidet. Glänzende silberne Rüstung war über ihre Oberkörper gespannt, während sie unterschiedliche Waffen in den Händen hielten. Die Mehrzahl der Mela hatte sich um ein großes, royalblaues Zelt mit goldenen verzierungen positioniert. Sie beobachteten uns wachsam. "Waffen runter, soldaten. Wir bringen einen Heiler. Doranu, nimm ihnen ihre Waffen ab"
Lexus ging einen Schritt zurück, während er die neue Umgebung misstrauisch betrachtete. Sein harter Blick wanderte zurück zu dem namenlosen Mela. "Ich werde meine Begleitung nicht unbeschützt lassen. Er..." Mit einer Kopfbewegung zeigte er auf Doranu, welcher mich weiterhin hasserfüllt anstarrte. "..hat seine Meinung zu ihr mehr als klar gemacht. Ich werde sie nicht unnötigen Gefahren aussetzen, nur weil der Soldat seine negativen Gefühle gegenüber Vela nicht unter Kontrolle hat." bestimmte er und stellte sich dabei schützend vor mich.
Mit großen Augen betrachtete ich die Situation. Die anderen Soldaten standen weiter angriffsbereit vor dem großen Zelt, während Doranus Augen zu Lexus schossen. "Diese Vela" zischte er abwertend, doch der andere Mann unterbrach ihn mit einem harten Blick. "Sei ruhig Doranu. Wir verschwenden unnötig Zeit. Du wirst die Vela in Ruhe lassen, oder es wird Konsequenzen geben". Auf sein schnaufen hin fuhr er wütend fort. "Bisher scheint die Vela harmlos. Sie sie dir an, sie hat Angst vor uns. Die Kleine stellt keine Gefahr für uns dar. Geh, ich kümmere mich um alles weitere. Durchsuch den Umkreis nach echten Gefahren"
Damit stampfte Doranu mit einem letzten wütenden Blick weg und ich atmete tief ein. Doch dann fiel mein ungläubiger Blick auf den anderen Soldaten, als seine Worte verinnerlicht waren. Harmlos. Die Kleine stellt keine Gefahr für uns dar. Er dachte ich war schwach, dachte ich bitter. Wahrscheinlich war es wahr. Lexus drehte sich mit einem besorgten Blick um und lächelte beruhigend. "Du bist nicht schwach Viktoria. Ignorier ihn" flüsterte er und ich senkte meinen Blick. Er seufzte und schaute wieder zu dem Soldaten. "Also, wen soll ich heilen?"
Der Fremde nickte kurz und machte eine Handbewegung zu dem großen, von Mela umstellten Zelt. "Hier lang". Damit lief er los und wir folgten ihm langsam. Ich wusste nicht, was hier passierte, doch die Verletzung schien ernst zu sein. Der Geruch nach Blut wurde immer stärker, je näher wir den bewaffneten Mela kamen. Die Soldaten bewegten sich bei dem Befehl des Fremden zur Seite und öffneten das Zelt mit einem weiteren misstrauischen Blick auf uns. "Nach dir" flüsterte Lexus mit einem Lächeln und ich betrat zögernd den Raum.
An der hinteren Wand befand sich ein großes Bett mit einem Mann darauf. Um seinen Oberarm war ein blutiger Verband gewickelt, während seine strahlend blauen genervt auf den Soldaten gerichtet waren. "Salarus, ich habe dir gesagt die Verletzung ist minimal. Was machen diese Zwei hier?". Seine Stimme klang unglaublich melodisch, fast hypnotisierend. Sein Blick fiel auf Lexus und das Gesicht des Fremden erhellte sich. "Lexus, was machst du hier?" fragte er grinsend. Dann glitten seine Augen zu mir und ein verführerisches Lächeln erstrahlte sein gutaussehendes Gesicht. "Und wer bist du?"
Ich blickte ihm mit großen Augen an und dann zu Lexus. Wer war dieser Mann und warum schaute er mich so an? "Was ist mit deinem Arm passiert Ambroz?" fragte er und ich atmete erleichtert ein, als der Blick des Fremden wieder zu ihm glitt. "Der Prinz ist mit seinem Titel..:" begann Salarus, doch Ambroz unterbrach ihn mit einer abwertenden Handbewegung. "Lass uns alleine". Damit ignorierte er den Soldaten und widmete sich wieder uns. Salarus zögerte, doch mit einem letzten fordernden Blick des 'Prinzen' verschwand er aus dem Zelt.
"Setzt euch" strahlte er, während sein Blick über meinen Körper glitt. Ein Schauder lief mir über den Rücken und ich spürte, wie mein Gesicht vor Scham Farbe bekam. Mit panischen Augen blickte ich zu Lexus, welcher mich kurz beruhigend anlächelte und dann Ambroz ein leichtes Kopfschütteln gab. Letzter schaute kurz verwirrt, bevor er nickte und uns nun freundlich lächelnd zu einem Tisch im rechten Teil des Zeltes führte.
Als wir auf den Stühlen Platz genommen hatten, blickten Lexus und Ambroz sich in die Augen. "Was ist passiert?" fragte mein Begleiter und der Prinz seufzte.
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Schatten der Vergangenheit - Viktorias Vermächtnis
FantasyIm Jahr 1903 ist Viktoria eine 20 jährige Abnormität. Sie ist nicht verheiratet und träumt von einer Welt, in der sie frei leben kann. Dann platzt ihrer Mutter der Kragen und sie wird prompt an einen Mann verheiratet, der unter seiner Maske von Char...