Kapitel 28 - Visionen

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"Die Teile fügen sich langsam"

"Nicht schnell genug Uraya. Sie mag jetzt mehr über unsere Welt wissen, doch die Zukunft ist weiterhin offen. Zu viele mögliche Versionen bestehen, wir müssen einschreiten"

"Sulda hat recht, die Gegenwart ist festgefahren. Sie wird so niemals näher an die Wahrheit gelangen." "Ihr kennt die Gefahren, die unsere Einschreitungen mit sich bringen können. Wir wachen über das Schicksal, doch die Kontrolle verbleibt bei den Wesen Gnieas. Wir können sie in die richtige Richtung bewegen, doch nicht mehr"

"Ich weiß Uraya, doch du kennst die Vergangenheit. Ein weiterer Krieg kann nicht unser Ziel sein. Sie hat eine Aufgabe und die wird sie nicht erfüllen können, ohne mehr über ihre Vergangenheit herauszufinden."

"In Ordnung, wir senden eine Vision. Doch wem?"

"Wie wäre es mit dem jungen Helá an ihrer Seite? Er besitzt Seherkräfte, wenn auch noch tief in ihm ruhend. Es ist Zeit, ihnen den Weg zu weisen."

"Warum ihm Sulda?"

"Schau genau hin Verdana. Die Schicksale der beiden sind tief verbunden"

Uraya - Göttin der Vergangenheit

Verdana - Göttin der Gegenwart

Sulda - Göttin der Zukunft

Ein paar Stunden später saßen Lexus und ich wieder im Garten und beobachteten die untergehende Sonne. Er sah ausgeruhter aus, anscheinend hatte er sich nach der Konversation mit Elaria schlafen gelegt. Ich hingegen fühlte mich weiterhin wach, obwohl ich bereits mehr als 24 Stunden wach war. Es schien, als wäre das ein weiterer Aspekt meiner Vela-Abstammung. Er setzte gerade zu einer Frage an, als seine Augen plötzlich in einem hellen Weiß erleuchteten und er langsam begann über dem Boden zu schweben. Wind wehte zunehmend stärker um ihn, während sein Blick zu mir schoss.

"Viktoria, dein Schicksal wirst du hier nicht finden. Um deine Kräfte zu verstehen. Reise nach Felistia und berühre den Baum des Lebens. So wirst du deinem Schicksal näher kommen".

Damit verschwand das blendende Licht langsam aus seinen Augen und er schwebte langsam zurück auf die Bank. Dann blinzelte er mehrfach und warf einen schockierten Blick auf mich. "Was ist gerade passiert?" fragte er leise und ich schüttelte unwissend meinen Kopf. Was war passiert? Doch dann erinnerte ich mich zurück an Zirelles Geschichte. Die Vision, welche die Gelehrten geteilt hatten.

"Die von Hallar geschickten Gelehrten teilten eine einzigartige Vision, inmitten einer Versammlung. Sie schwebten über dem Boden, die Augen in einem leuchtenden Weiß. Wind wehte um den Saal, als sie in synchroner Stimme die Ursprungsgeschichte Gnieas kundtaten."

Hatte Lexus etwa eine Vision gehabt? Es schien die einzig logische Erklärung in einer für mich so unlogischen neuen Realität. "Ich glaube du hattest eine Vision" teilte ich ihm also mit und er riss erschrocken die Augen auf. "Aber das kann nicht sein. Ich bin kein Seher, niemand in meiner Familie..." dann stoppte er abrupt und stand auf. Mit den Händen in seinen Haaren lief er murmelnd vor mir hin und her, bis er innehielt und meinen fragenden Blick traf. "Die Schwester meiner Großmutter war Seherin." Erschöpft setzte er sich wieder hin, scheinbar tief in Gedanken.

"Erinnerst du dich daran, was du während der Vision gesagt hast?" fragte ich nachdenklich und er nickte verwirrt. "Ja". Dann bohrten sich seine Augen in meine. "Viktoria, ich glaube das hier ist größer als wir dachten. Der Baum des Lebens wird sonst nur von den Fela genutzt, um ihre Kräfte bei ihrem 16. Geburtstag zu erhalten. Sie sind bis dahin blockiert. Vielleicht sind es deine ebenfalls?" Fragend schaute er mich an, doch ich war selber ratlos. Meine neue Welt war noch komplizierter geworden und wenn ich den Worten trauen konnte, war mein Schicksal nicht so simpel wie erhofft.

Tief durchatmend versuchte ich meine aufkommenden Gefühle zu unterdrücken und konzentrierte mich auf das aktuelle Thema. "Wie kommen wir zum Baum des Lebens?" fragte ich leise und er schüttelte seufzend seinen Kopf. "Der Baum befindet sich in der Haupstadt Felistias. Die Stadt wurde darum gebaut, um ihn zu schützen. Das Schloss ist direkt davor platziert, dahinter ein riesiger Garten mit dem Baum des Lebens im Zentrum.". Bei meinem fragenden Blick fuhr er zögernd fort.

"Der Baum befindet sich rund 6 Tage von hier entfernt, wenn wir zu Fuß reisen würden. Eine weitaus schnellere Reisemethode wäre ein Portal. Doch auf das haben nur die Ältesten Zugriff." Seufzend richtete sich mein Blick auf den Sternenhimmel. "Dann werde ich wohl zu Fuß reisen". Legte ich fest und er lachte leise auf. "Du meinst wohl wir. Ich komme mit dir". Ich setzte gerade zu einem Widerspruch ein, als er weitersprach. "Viktoria, du kennst den Weg nach Felistia nicht. Die Wälder sind nicht sicher, hausen gefährliche Tiere und Banditen. Selbst wenn du es entgegen aller Wahrscheinlichkeiten bis dorthin schaffst, werden Vela nicht zu dem Baum gelassen. Er ist den Fela heilig. Außerdem habe ich die Vision erhalten, das muss etwas zu bedeuten haben"

Seufzend schloss ich meine Augen und nickte ergeben. Lexus hatte wahrscheinlich recht. Doch ihn aus seinem Leben zu reißen, ließ trotzdem Schuldgefühle in mir aufkommen. Mir mit der Recherche zu helfen war eine weitaus andere Sache, als mich auf eine gefährliche Reise durch Gniea zu begleiten. "Also, wann brechen wir auf?" fragte ich schließlich, meine Gefühle entschieden runterdrückend. Nachdenklich blickte Lexus durch den dunklen Garten und dann wieder zu mir.

"Ich werde heute Nacht alles besorgen, was wir für die Reise benötigen. Wir treffen uns morgen bei Sonnenuntergang hier und verschwinden im Schatten der Nacht." Sprach er und fuhr mit einem zögernden Blick zu mir fort. "Nach unserer Konversation mit Elaria möchte ich es nicht riskieren, von jemandem aufgehalten zu werden. Erzähl niemandem von unseren Plänen und pack einen Rucksack mit Kleidung."

Damit erhob er sich und ging mit einem letzten Lächeln weg. Sprachlos schaute ich dem Helá hinterher, während er zunehmend in der Dunkelheit verschwand. Es war wohl entschieden, wir würden morgen Abend nach Felistia aufbrechen.

Langsam machte ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer und blickte mich währenddessen misstrauisch um. Es fühlte sich an, als würde ich beobachtet werden.

"Sie werden morgen nach Felistia reisen Schwester, was siehst du für die Zukunft?"

"Sie ist weiterhin unklar. Dunkle Zeiten werden auf Gniea zukommen, wenn sie nicht bald mehr erfährt"

"Was siehst du Verdana?"

"Ich sehe eine Dunkelheit, welche sie verfolgt. Der Weg nach Felistia wird kein einfacher werden."

"Ich spüre, dass die Vergangenheit nicht vergangen bleibt."

"Verdana, Uraya, wir müssen wachsam bleiben. Die Zukunft ist unsicher, und das könnte fatal für Gniea werden."

Schatten der Vergangenheit - Viktorias VermächtnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt