II. Noli me tangere

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Wie angewurzelt blieb Saphira, wo sie war, und starrte auf den Vorhang, hinter welchem Draco soeben verschwunden war. Während sie mit sich haderte, ob es womöglich ein Fehler gewesen sein könnte, ihn gehen zu lassen, fragte sie sich, was bei Salazar eigentlich zwischen ihnen schief lief, dass sie es kaum schafften, länger als eine Stunde miteinander auszukommen, obwohl sie sich doch offensichtlich gegenseitig sehr gern hatten.

War es ihre Schuld? Oder trug Draco ebenfalls eine gewisse Mitverantwortung dafür?

Nachdenklich seufzte sie und setzte sich auf den kalten Steinboden, den Kopf gegen die Mauer gelehnt, vollkommen verwirrt.

Seine Nähe zu spüren, sowohl körperlich als auch emotional, gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Es war ein winziges Stück Freiheit, das sie sich in ihrer von Regeln und rationalem Denken so bestimmten Welt erkämpfen konnte und dennoch ängstigte es sie zu Tode. Ihn so tief in ihr Gefühlsleben eindringen zu lassen, verunsicherte die junge Hexe. Dadurch, dass sie ihm diese Einblicke in ihr Innerstes gewährte, ihr Herz für ihn öffnete und es zuließ, dass sie sich von Tag zu Tag mehr in ihn verliebte, machte sie sich verletzbar und das war diese eine Sache, vor der Saphira Black sich am meisten fürchtete. Mit Enttäuschung und Zurückweisung umzugehen fiel ihr schwerer, als sie zugeben wollte, und je ernster diese Beziehung wurde, desto mehr würde es wehtun, sollten sie scheitern.

Und das würden sie.

Saphira hatte gerne alles in ihrem Leben unter Kontrolle. Sich selbst und die Menschen in ihrer näheren Umgebung, die sie nicht selten mehr oder minder bewusst manipulierte und für ihre Zwecke einspannte. So wie sie Pansy über all die Jahre hinweg immer wieder angelockt und von sich gestoßen, ihr das Gefühl vermittelt hatte, minderwertig zu sein, nicht so gut, hübsch, intelligent und beliebt wie sie selber, was in Wahrheit absolut nicht stimmte. Saphira wusste darum, verdrängte das ab und an aufkommende, schlechte Gewissen jedoch, denn sie brauchte diese scheinbare Überlegenheit, fühlte sich selbst nur besser, wenn sie jemand anderen niedermachen konnte. Auf subtile Art und Weise, versteht sich. Niemals hätte sie laut ausgesprochen, dass Pansy hässlich oder gar dumm sei, denn das war nicht nur reiner Unsinn, sondern wäre zu leicht durchschaubar gewesen und Pansy hätte sich dies bestimmt nicht gefallen lassen. Nein, es waren nur unterschwellige Andeutungen, stets durchzogen von freundschaftlichem Zuspruch und heimtückischen Sympathiebekundungen.

Sie hatte diese Freundschaft zu einer Farce gemacht, die auf nichts weiter basierte als Saphiras ewigem, nie enden wollenden „Komm her, geh weg"- Spiel, mit dem sie Pansy quälte, ohne dass diese auch nur die leiseste Ahnung davon hatte, was mit ihr geschah.

Ein gänzlich anderes Kaliber hingegen war Tracey, die so nicht mit sich umspringen ließ, Saphira nicht selten durchschaute und zumindest ahnte, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Vermutlich lag dies in der Tatsache begründet, dass ihre Mutter als Heilerin im St. Mungo arbeitete und sich nicht nur mit körperlichen Leiden gut auskannte. Aber Traceys Bedenken waren in Saphiras Augen reiner Unfug. Sie fühlte sich weder zu dünn noch aß sie zu wenig, und außerdem... ging es Tracey nicht das Geringste an. Das war Privatsache, in die sich die Freundin nicht einzumischen hatte.

Blaise war weitaus unkomplizierter, stellte einen guten Freund und angenehmen Gesprächspartner dar, der offensichtlich nicht das Gefühl hatte, Saphiras Verhalten wäre in irgendeiner Weise unnormal. Es war einzig und alleine Tracey, die solch einen Unsinn von sich gab.

Und Draco... brachte sie durcheinander, trieb sie dazu, alles infrage zu stellen, dessen sie sich sicher gewesen war und es schlussendlich doch wieder für richtig zu befinden. Ein elendiges Hin und Her, ein Kreislauf, aus dem sie nicht entfliehen konnte.

Mit ihm zusammen zu sein fühlte sich so verflucht gut an, dass Saphira sich wünschte, diese Empfindung dauerhaft zu spüren, zu verinnerlichen und sich ihr hinzugeben, sorglos und ohne ihre ewigen Zweifel. Gleichsam verunsicherte sie der Gedanke daran. Es war ein Kontrollverlust, der gefährlich werden konnte, ihr Gefühlsleben angriff und sie in gewisser Hinsicht von Draco abhängig machte. Würde sie es zulassen, ihr Herz in seine Hände legen, wäre er in der Lage, es binnen Sekunden zu zerbrechen, ihr seelisches Leid zuzufügen und das war definitiv das Letzte, was Saphira wollte.

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