II. K.haosprinz & ...

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An diesem Abend war das Wetter glücklicherweise bedeutend besser als bei ihrer Ankunft in Hogwarts und so führte Draco das Mädchen, mit dem er sich verabredet hatte, hinaus auf die Ländereien, um sich mit ihr im kühlen Gras niederzulassen. Da Romantik nicht gerade zu seinen Stärken gehörte, überließ er es dem Sonnenuntergang, für die richtige Stimmung zu sorgen.
Es spielte kaum eine Rolle, was er sagte; das Mädchen kicherte ununterbrochen und schien zu absolut keinem Thema eine eigene Meinung zu haben, da sie das Gesagte stets in eigenen Worten wiederholte und ihm in allen Punkten zustimmte, ohne je etwas in Frage zu stellen. Zwar wäre es theoretisch möglich, dass sie einfach auf einer Wellenlänge waren, doch aufgrund ihres übertriebenen Geschmeichels bezweifelte der Blonde dies stark. Viel eher nahm er an, dass sie ihm nur etwas vormachte, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken, womit sie leider das exakte Gegenteil erreichte und Draco schlichtweg zu Tode langweilte.
Genervt und enttäuscht stellte er sich vor, einfach den Ton abzuschalten, um ihr hirnloses Geplapper nicht länger mitanhören zu müssen, und bedauerte die Tatsache, dass er den Silencio-Zauber noch nicht gelernt hatte.
Warum hatte er ausgerechnet dieses Klischee von einem anstrengenden Weibsbild gefragt, ob es mit ihm ausgehen wollte und keine ruhige, schweigsame Mitschülerin? Das wäre durchaus angenehmer gewesen, dachte er sich, doch ein Blick auf seine Begleitung reichte, um seine Zweifel zu zerstreuen.
Wenn sie nicht gerade den Mund aufmachte, war sie mehr als nur eine lohnenswerte Partie, denn mit ihrem frechen, braunen Kurzhaarschnitt, ihren haselnussbraunen Augen und dieser bemerkenswerten Oberweite sah sie schlicht und ergreifend umwerfend aus. Deshalb wäre es eher destruktiv, sein Date mittels eines Zaubers außer Gefecht zu setzen. Auch wenn sie seine Nerven strapazierte, fühlte Draco sich körperlich enorm zu ihr hingezogen.

Nach weiteren fünf Minuten sinn- und inhaltslosem Geplauder beschloss Draco, dass er eher Taten statt Worte sprechen lassen sollte und wollte sich gerade über die Brünette beugen, um sie mit einem atemberaubenden Kuss à la Malfoy zum Schweigen zu bringen, als er stutzend innehielt. In einiger Entfernung von ihnen lief ein Mädchen mit langen, blonden Haaren lachend über die Wiese und ließ sich dann neben ein paar Gryffindors nieder, die anhand ihrer Schulumhänge leicht zu erkennen waren. Das war doch nicht etwa ... Er sah genauer hin. Nein, da musste er sich geirrt haben, denn das konnte nicht ... Die Blonde drehte sich um und Draco schüttelte fast schon erleichtert den Kopf. Das war nicht Saphira.
Ich sehe schon Gespenster ... Stumm ärgerte er sich über seine abschweifenden Gedanken und schaffte es trotzdem nicht, den Blick von dem blonden Mädchen abzuwenden. Verwirrt fragte er sich, warum er so froh darüber gewesen war, dass es sich bei der Unbekannten nicht um seine Cousine handelte ... Und wieso es ihn so stören würde, wenn Saphira ihn hier zusammen mit seinem Date gesehen hätte.

„Hey, wo schaust du denn hin? Bin ich dir etwa nicht mehr interessant genug, dass du schon anderen hinterher starren musst?“, fragte die braunhaarige Schönheit, an deren Namen sich Draco partout nicht erinnern konnte, pikiert.
„Bitte? Nein, nein! Ich bin nur wegen dir hier, Süße“, versicherte er ihr mit einem verwegenen Lächeln und beugte sich erneut über sie. Diesmal ließ er sich von nichts und niemandem ablenken, sodass seine Lippen schlussendlich doch noch ihre trafen.


* * * 

Erleichtert atmete Saphira aus und legte die Schreibfeder beiseite. Sie hatte es endlich geschafft. Drei Rollen Pergament für Arithmantik, was weiß Merlin kein leichtes Fach darstellte. Selbstzufrieden lehnte sie sich zurück, streckte sich und griff nach dem Tintenfässchen, das noch offen auf dem Tisch stand. Gerade wollte sie es zuschrauben, als ihr jemand von hinten so heftig auf die Schulter klopfte, dass sich der gesamte Inhalt des Fläschchens über ihren Aufsatz, in den sie Stunden investiert hatte, und ihre Kleidung ergoss. Saphira stieß einen Entsetzensschrei aus und fuhr blitzschnell herum.
Keine dreißig Zentimeter von ihr entfernt entdeckte die junge Hexe sie ... die Wurzel allen Übels:
„DRACO MALFOY“, herrschte sie ihn an.
„Hallo“, entgegnete er gelassen und ließ sich von ihrem Geschrei nicht irritieren.
Oh, wie sie ihn in diesem Moment hasste. Ihn und sein süffisantes Grinsen, mit dem er ihr gegenüberstand und so tat, als könnte er nicht sehen, was er angerichtet hatte. Es kostete Saphira einiges an Selbstbeherrschung, dem Drang zu wiederstehen, ihm einfach eine runterzuhauen. Stattdessen biss sie die Zähne zusammen und stopfte ihre vor blauer Tinte triefenden Sachen in die Umhängetasche, ohne dem Jungen weitere Beachtung zu schenken. Doch Draco ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und kommentierte ihre missliche Lage mit einem dreisten:
„Ich hoffe, das waren nicht die Hausaufgaben für Verwandlung. Die wollte ich mir nämlich mal kurz ... ausleihen, um zu kontrollieren, ob ich meine eigenen auch richtig gemacht habe.“
„Vergiss es, Draco! Du hast vermutlich noch nicht einmal damit angefangen ...“ Wutentbrannt rauschte Saphira mit wehendem Blondhaar an ihm vorbei und verließ die Bibliothek.
„Doch, habe ich“, rief Draco ihr nach. „Die Überschrift und die Aufgabenstellung sind schon fertig ...“, murmelte er dann zu sich selbst und zuckte seufzend mit den Schultern.
Warum musste sie auch immer so leicht eingeschnappt sein und alles viel zu ernst nehmen?
„Du solltest viel lockerer werden“, murrte er, obwohl Saphira längst außer Hörweite war. Vielleicht sollte er es mal bei einer hübschen Ravenclaw aus seiner Stufe versuchen, überlegte er. Wenn er nett genug war, würde sie ihn eventuell die Aufsätze für den Unterricht, den sie gemeinsam hatten, abschreiben lassen. Andererseits hatten die Slytherins die meisten Stunden zusammen mit den Gryffindors, demnach wäre ihm eine Ravenclaw vermutlich auch keine große Hilfe ... Natürlich war Draco nicht dumm, sondern viel eher unglaublich faul. Leider führte diese Einstellung unweigerlich dazu, dass er vor jeder Prüfung unheimlich viel Stoff nachholen musste, aber er lernte lieber drei Tage am Stück, als sich jeden Tag mit Hausaufgaben abzugeben, die er in den meisten Fächern schlichtweg als überflüssige Zeitverschwendung empfand.

Womöglich wäre Saphira ihm gegenüber zuvorkommender eingestellt gewesen, wenn er sich gestern mit ihr, anstatt mit ... ach, wie auch immer die Brünette hieß, getroffen hätte. Wahrscheinlich wäre der vergangene Abend mit Saphira auch wesentlich interessanter verlaufen, denn nachdem er das andere Mädchen geküsst hatte, war diese kaum noch in der Lage gewesen, auch nur einen vernünftigen Satz zu formulieren, kicherte nur noch aufgeregt herum und benahm sich total kindisch. Das war dem jungen Malfoy etwas zu primitiv gewesen, weshalb er sich mit einem „War nett mit dir, aber das müssen wir nicht unbedingt wiederholen“, von ihr verabschiedet hatte. Auf nimmer Wiedersehen ...
Jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass Saphira ihm erstaunlicherweise so gut wie nie auf die Nerven ging, obwohl sie ein Mädchen war. Die wenigen Tage, die er in den Sommerferien aktiv mit ihr verbracht hatte, anstatt nur nebeneinander her zu leben, waren sogar sehr schön gewesen. Nun tat es ihm aufrichtig leid, dass er sie vor den anderen Schülern so bloßgestellt hatte und auch wenn ihre Rache dafür wirklich gemein gewesen war, verstand Draco sie ein bisschen. Unwillkürlich huschte ein Lächeln über sein blasses Gesicht. Saphira war schon irgendwie ... Tja, wie war sie eigentlich? War es überhaupt möglich, sie mit einem einzigen Wort zu beschreiben? So leicht zu durchschauen wie die meisten Mädchen war sie jedenfalls nicht. Er war sich nicht einmal darüber im Klaren, ob sie beide wieder so etwas wie Freunde waren. Einerseits hatten sie in den letzten Wochen viel mehr miteinander zu tun gehabt als in den vergangenen zwei Jahren und waren so manches Mal wirklich gut miteinander ausgekommen. Dennoch überwogen die Augenblicke, in denen sie sich zankten. Zuerst schienen dies zwar recht lustige Situationen zu sein, aber im Nachhinein fühlte Draco neuerdings immer etwas, das ihn entfernt an ein schlechtes Gewissen erinnerte. Eine Empfindung, die ihm nicht allzu vertraut war ...

„Wo bleibst du denn? Ich dachte, du wolltest nur kurz etwas holen. Wir warten bestimmt schon seit zwanzig Minuten auf dich!“, erklang hinter ihm die Stimme von Gregory. Verwundert drehte Draco sich um und musterte Crabbe und Goyle, die er noch nie zuvor in der Bibliothek gesehen hatte. Ein wahrhaft befremdlicher Anblick. Die beiden hatte er ganz vergessen ... Hatte er tatsächlich so lange hier gestanden und über Saphira nachgedacht? Wohl kaum! Die Trottel besaßen einfach kein Zeitgefühl ...
Zusammen verließen die drei den Raum und gingen hinunter in die Kerker, in denen sich ihr Gemeinschaftsraum befand.
Dort angekommen sah er sich um, suchte nach einer Möglichkeit, doch noch bei jemandem die Hausaufgaben abschreiben zu können. Just in diesem Moment klappte Theodore am Tisch neben ihm sein Lehrbuch der Verwandlung zu und rollte sein Pergament ein. Schnell warf Draco einen prüfenden Blick durch das vom flackernden Schein der Kamine beleuchtete Zimmer, und als er feststellte, dass von Ariadne Crouch keine Spur zu sehen war, die ihm bei seinem Vorhaben sicherlich einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte, rief er mit herablassender Stimme:
„Nott! Her mit den Verwandlungshausaufgaben!“ Der schüchterne Junge öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Draco schnitt ihm das Wort ab.
„Das war keine Frage, sondern ein Befehl! Deine Babysitterin ist nicht hier, um dir zu helfen, also tu, was ich dir sage, sonst ...“ Der Blonde senkte bedrohlich die Stimme und Theodore, der mit seinem mausbraunen Haar und den langen Vorderzähnen verblüffende Ähnlichkeit mit einem Hasen hatte, wagte es nicht, Malfoy zu widersprechen. Erst recht nicht, wenn dieser seine beiden einschüchternden Leibwächter dabei hatte.

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