Glücklicherweise war es Saphira mit Traceys Hilfe gelungen, den Aufsatz zu retten, weshalb sie sich an diesem Abend endlich mal wieder eine Auszeit vom hektischen Schulalltag gönnen konnte. Langsam schlenderte sie über die Ländereien und ließ sich am Rande des Sees, auf dem die untergehende Sonne ein beeindruckendes Farbspiel vollführte, ins kühle Gras sinken.
Es war wahrscheinlich einer der letzten Tage dieses Jahres, die man noch ohne dicken Umhang an der frischen Luft genießen konnte. Keine zwei Wochen mehr und das Wetter wäre, aus Sicht der meisten Menschen, wieder unerträglich. Verregnet und kalt, typisch England eben.
Saphira hingegen mochte dieses Wetter, denn der Herbst war Vorbote ihrer liebsten Jahreszeit: des Winters. Sie war mehr als froh darüber, dass der Sommer sich langsam dem Ende zuneigte, und blickte der Aussicht auf einen wolkenverhangenen Himmel schon nahezu sehnsüchtig entgegen.
Erstaunlicherweise waren heute nur wenige andere Schüler auf die Idee gekommen, das gute Wetter zu genießen, und so herrschte eine entspannte Stille auf dem Gelände. Nur vereinzelt hörte man leise Gespräche und gelegentlich erklang das Gelächter einiger Gryffindors, die sich auf der anderen Seite des schwarzen Sees über die Scherzartikel der Weasleys amüsierten.
Saphira gefiel der Umstand, so gut wie alleine zu sein, denn jeder Moment, in dem sie ihre Ruhe hatte, war für die junge Hexe von unschätzbarem Wert. Leider schaffte sie es nur selten, ihr ewiges Gedankenkarussell zum Stillstand zu bringen; stattdessen verselbstständigten sich ihre Selbstzweifel viel eher noch und versetzten sie in eine melancholische Stimmung. Sie führte eine ausgesprochene Hass-Liebe zur Einsamkeit, suchte ganz bewusst die Abgeschiedenheit, wollte für sich sein und sich mit nichts und niemandem befassen müssen, doch sobald sie alleine war, zerfraß sie der Wunsch nach Gesellschaft. Große Menschenansammlungen waren ihr meist zuwider, aber das war es auch nicht, wonach sie sich so verzehrte. Eine Person, der sie sich anvertrauen konnte, die sie verstand, ihr zuhörte, ohne sie zu verurteilen. Vielleicht jemanden, dem es ähnlich erging wie ihr und der auch darunter litt, oder zumindest nachvollziehen konnte, wie Saphira sich fühlte. Aber wer sollte das sein? Sie verstand sich ja selbst nicht, wusste nicht, warum sie so unzufrieden mit sich und der Welt war, fühlte nur den Schmerz, war jedoch nicht in der Lage, ihn zu beschreiben, ihn einem anderen Menschen begreiflich zu machen.Meistens tat Saphira diese Gedanken als Blödsinn ab und ärgerte sich darüber, dass sie sich wie ein dummes kleines Kind verhielt.
Lächerlich!
Aber heute fühlte sie sich besonders unvollständig und sehnte sich so sehr nach Geborgenheit, dass sie es kaum aushielt. Angefangen bei der fehlenden Zuneigung von ihrer Mutter, über die Tatsache, dass sie ihren Vater nie kennengelernt hatte, bis hin zu den unzähligen, strengen Regeln, die Saphira unter anderem von sich selbst auferlegt wurden, empfand sie ihr eigenes Leben als ein Gefängnis, aus dem sie niemals würde ausbrechen können. Cecilias strikte Weigerung, mit ihrer Tochter über Regulus zu sprechen und die Tatsache, dass sie ihr nicht mal ein Foto von ihm geben wollte, belasteten das junge Mädchen sehr. Ihre Tante Narzissa danach zu fragen, traute sie sich auch nicht.
Obwohl Tracey und Blaise ebenso vaterlos waren wie Saphira, vermochten sie es nicht, ihr Leid zu verstehen, oder die klaffende Lücke, die Saphiras Eltern in ihr Herz gerissen hatten, zu schließen. Vor etlichen Jahren, als Draco und sie noch Kinder waren, lange bevor sie eingeschult wurden, gab er ihr den notwendigen Halt, schaffte es auch ohne Worte und Erklärungen, ihren Schmerz zu lindern, sie glücklich zu machen. Doch heutzutage machte er alles nur schlimmer. Seine unsensible Art, dieses Arschloch, zu dem er mutiert war, verletzte sie beinahe am laufenden Band.
Warum? Warum nur dachte sie schon wieder über Draco nach? Dieser unsägliche Vollidiot sollte ihr gestohlen bleiben!
Zugegeben, er war sehr attraktiv und die wenigen Augenblicke der jüngeren Vergangenheit, in denen er nett zu ihr gewesen war, hatten einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen, aber ihr gesunder Menschenverstand sollte es doch besser wissen ... Auf seine falsche Freundlichkeit war sie einmal reingefallen, das würde ihr kein zweites Mal passieren ... oder doch?
Der aufbegehrende Wunsch nach seiner Zuneigung, der in ihrem Inneren erwachte, überzeugte die junge Hexe vom Gegenteil.
„Du wirst immer wieder auf ihn hereinfallen, Saphira“, murmelte sie und seufzte traurig. Wie konnte man einen so hinterhältigen Menschen, von dem man genau wusste, dass er kein liebes Wort ernst meinte, trotzdem so gerne haben?
„Weil wir gemeinsam aufgewachsen sind?“, fragte Saphira sich leise und runzelte nachdenklich die Stirn. „Ist das bei Geschwistern nicht ähnlich? Wohl kaum, denn das würde vermutlich auf Gegenseitigkeit beruhen und ... nach einem Bruder kann sich niemand so sehr sehnen, oder?“
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Slytherin Hearts
FanfictionLink zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=fYm2xRBWd_Y Gesellschaftliche Zwänge, Regeln und Perfektionismus sind die Dinge, welche Regulus Blacks Tochter antreiben. Eine Slytherin wie aus dem Bilderbuch. Von der eigene...