II. Morsmordre

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In den folgenden Tagen würden die Ferien wahrscheinlich endlich etwas spannender werden, denn heute Nachmittag brachen sie auf, um sich das Endspiel der Quidditch-Weltmeisterschaft anzuschauen. Ursprünglich wollte Draco, der Quidditch abgöttisch liebte, schon viel früher anreisen und die Vorrunden verfolgen, doch da sein Vater durch wichtige Geschäftstermine aufgehalten wurde, blieb ihm lediglich das finale Match zwischen Irland und Bulgarien. Saphira selbst war im Grunde genommen kein Fan dieses Sports; um genau zu sein war sie seit dem ersten Schuljahr bei keinem Spiel mehr gewesen und hatte die Regeln ohnehin nie wirklich verstanden, aber es machte natürlich einen riesigen Unterschied, ob man sich den Wettkampf zwischen zwei Häusern in Hogwarts oder die Weltmeisterschaft ansah. Außerdem wusste sie, dass auch ihre Freunde, Blaise und Pansy, dort sein würden und freute sich darauf, die beiden wiederzusehen.

Zwei Stunden bevor Lucius von seinem Treffen mit dem Minister zurückkehrte, begann Saphira allmählich damit, ihren Koffer zu packen. Viel brauchte sie nicht, weil sie nur eine einzige Nacht in dem kleinen Hotel verbringen würden, das sich direkt neben dem Zeltplatz befand, auf dem die meisten Zuschauer übernachten mussten. Trotzdem hatte die junge Hexe Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, was sie anziehen sollte. Nahezu all ihre Kleider reichten bis zum Boden, die Schuhe waren edel und alles andere als billig, also würde es Sinn machen, einfach ihre Schuluniform und die dazugehörigen flachen Schuhe zu tragen. Die Quidditch-Arena war inmitten eines Waldes errichtet worden und ihre Mutter konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn Saphira ihre guten Sachen schmutzig machte. Andererseits hatte Pansy ihr in einem Brief berichtet, dass sie sich ein paar wunderschöne neue Abendkleider zugelegt hatte, von denen sie ein besonders Exklusives bei der Weltmeisterschaft tragen wollte, und Saphira verabscheute es, von Pansy in den Schatten gestellt zu werden.
„Ach, ist doch auch vollkommen egal", murmelte Saphira und griff schließlich tatsächlich nach ihrem schwarzen Schulumhang.
„Es ist dunkel, es ist nur ein Abend und Schwarz kann man immer tragen", stellte sie nickend fest und beschloss, sich besser gleich umzuziehen, da sie nicht wusste, wie viel Zeit sie später noch dafür haben würde.
„Wo habe ich denn nun die Strumpfhose hingelegt?", fragte sie sich laut und machte vor Schreck einen kleinen Hüpfer, als ihr Monolog von einer höhnischen Stimme unterbrochen wurde.

„Das sehe ich aber anders. Was willst du denn mit dem schäbigen Teil? Schlimm genug, dass wir so was im Unterricht anhaben müssen!" Das blonde Mädchen fuhr herum. Mit einem überheblichen Grinsen auf den Lippen, stand niemand Geringeres als Draco Malfoy hinter ihr und lehnte sich betont lässig gegen den Türrahmen.
„Sag mal, führst du immer Selbstgespräche vor dem Spiegel? Das wirkt schon ein bisschen geisteskrank. Du bist wohl reif fürs St. Mungo", lachte er und musterte sie von Kopf bis Fuß.
„Verzieh dich, Draco!", zischte Saphira genervt, griff nach einem dreckigen Schuh, den sie für gewöhnlich nur zu Kräuterkunde und Pflege magischer Geschöpfe anzog und bisher noch nicht von den Hauselfen hatte reinigen lassen, und schleuderte ihn in seine Richtung. Gerade noch rechtzeitig wich der Störenfried diesem geschickt aus und feixte hämisch.
„Besonders treffsicher bist du glücklicherweise nicht, sonst wäre es ja lebensgefährlich hier!"
„Bist du eventuell schon mal auf die Idee gekommen, dass der Waldboden verdammt schlammig sein wird, wenn jeder bei diesem Regen", Saphira deutete aus dem Fenster, vor dem in der Tat dunkle Wolken aufzogen, „mit seinen Füßen darüber trampelt? Ich jedenfalls habe keine große Lust dazu, offene Schuhe zu tragen und am Ende ganz durchgeweichte, schmutzige Füße zu haben", erklärte sie und tippte dabei ungeduldig mit dem nackten Fuß auf den Boden.
„So, so. Und weißt du, wozu ich keine große Lust habe?", fragte Draco bissig.
„Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich verraten!"
„Ich möchte nur ungerne mit jemandem in Verbindung gebracht werden, der so herum läuft." Er deutete auf Saphiras Schuluniform und verzog angeekelt das Gesicht.
„Warum trägst du nicht das Kleid, das Mum dir letzte Woche geschenkt hat? Das ist schließlich nicht so lang, dass es Gefahr laufen könnte, mit der Erde in Berührung zu kommen, und ...", der Blonde sah sich kurz um, „die da." Er zeigte auf ein Paar kniehohe schwarze Stiefel, welche er Saphira noch nie hatte tragen sehen.
„Bist du unter die Modeexperten gegangen, oder vielleicht doch schwul geworden?", giftete Saphira und verschränkte beleidigt die Arme, obwohl sie zugeben musste, dass Draco absolut im Recht war. Egal, wie unbequem oder unpraktisch es sein mochte, eine Black musste immer auf ihr Erscheinungsbild achten, einen derartigen Fauxpas konnte sie sich nicht leisten.
„Weder noch, aber im Gegensatz zu dir weiß ich, was sich gehört und was nicht!", fauchte der junge Malfoy sichtlich getroffen.
„Ist ja schon gut. Und jetzt verschwinde endlich, ich will mich umziehen!"
„Das stört mich nicht", sagte Draco, als wäre nichts dabei und grinste dämlich.
„Da scheint es jemand offensichtlich verdammt nötig zu haben ...", erwiderte Saphira kopfschüttelnd und hob spöttisch eine Augenbraue.
„Was ist aus deiner Ravenclaw-Freundin geworden? Hat sie dich nicht mehr lieb, die kleine ... wie hieß sie noch gleich? Nathalie?"
„Natasha", murmelte Draco missmutig. Eigentlich wollte er vor den Ferien mit ihr Schluss gemacht haben, doch irgendwie hatte sie ihm keine Gelegenheit dazu gelassen, und nun hoffte er, sie würde verstehen, dass es aus war, wenn er sich den Sommer über nicht bei ihr meldete. Leider schien das Mädchen ein wenig schwer von Begriff zu sein, denn die unzähligen Briefe, die sie ihm geschickt hatte, stapelten sich bereits ungeöffnet auf seiner Kommode.
„Eifersüchtig?" Der selbstgefällige Ausdruck auf seinem blassen Gesicht war einfach widerlich.
„Auf die? Im Leben nicht! Wie kommst du überhaupt auf die absurde Idee, ich könnte an dir interessiert sein?", wollte Saphira mit einem künstlichen Lachen von ihm wissen. Empört sah Draco sie an. Eigentlich hatte er das nicht ernst gemeint, trotzdem musste er nun feststellen, dass ihn ihre Antwort kränkte. Einige Sekunden lang blickten die beiden Jugendlichen sich schweigend in die Augen, bis Saphira der Nacken vom ewigen Hochgucken schmerzte, da sie nur winzige 1,54 m klein war.
„Würdest du dann bitte die Freundlichkeit besitzen, mein Zimmer zu verlassen? Ich ziehe dir zuliebe auch das Kleid an, wenn es sein muss", sagte sie tonlos und fühlte sich seltsam verwirrt.
„Mhm, dein Zimmer, in deinem Haus ... Alles klar, Eure Hoheit, ich verlasse Ihre Gemächer", grinsend entfernte er sich von ihr, und als er sich an der Türe noch einmal zu ihr umdrehte, in der Hoffnung, sie hätte bereits mit dem Entkleiden begonnen, streckte ihm Saphira, die damit schon beinahe gerechnet hatte, die Zunge raus.

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