Geliebter Bruder
Wenn du das liest, habe ich Sanbréque bereits verlassen. Ich musste gehen, ich will frei sein, mein Leben selbst bestimmen können und nicht die Frau von einem Adeligen werden und nur dafür da sein, um Kinder zu gebären. Ich will nicht wie eine Kuh verkauft werden, nur weil Vater in mir keinen Nutzen sieht. Weil ich nicht wie du mit einer Esper gesegnet wurde. Ich weiß, dass du es verstehst und ich vermisse dich jetzt schon, großer Bruder. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.
Deine geliebte Schwester
Tethys
Ich umschloss den Brief fester und zerdrückte ihn somit. Das konnte doch nicht wahr sein, ich wollte es nicht glauben, aber mein Herz sagte mir, dass Tethys die Wahrheit geschrieben hatte. Aber ich fragte mich, mit wem Vater Tethys vermählen wollte? Und warum er der Meinung war, dass sie nicht von Nutzen war, was wiederum nicht stimmte. Ich legte den zerknüllten Brief von Tethys auf mein Bett und verließ mein Zimmer. Ich suchte meinen Vater auf, um Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Wie ich es mir gedacht hatte, fand ich ihn in der großen Halle. Er führte gerade eine Unterhaltung mit einem Hauptmann seiner Soldaten.
„Ihr seid euch absolut sicher, dass es dieses Schiff war und nichts mehr davon übrig ist?", hörte ich ihn den Hauptmann fragen, dieser nickte.
„Ja, euer Gnaden, es war eines der Schiffe, die auf dem Weg nach Rosaria waren. Doch sind eure Soldaten bereits alle dort und warten auf ihren Einsatz. Dieses Schiff hatte großteils nur Proviant und Ersatzwaffen an Bord und eben ..."
Der Hauptmann brach ab, als mein Vater ihm ein Zeichen gab, er drehte sich zu mir und verneigte sich.
„Mein Prinz." Ich nickte ihm zu, wandte mich dann aber meinem Vater zu.
„Vater, ich muss mit euch reden. Allein."
Mein Vater sah mich an, er lächelte.
„Sicher doch mein Sohn. Hauptmann, ihr könnt gehen, ich danke euch für die Mitteilung. Ich werde mich um alles andere kümmern", wandte er sich dem Hauptmann zu, dieser verneigte sich und ging. Mein Vater wandte sich dann mir zu.
„Was willst du mit mir bereden, Dion?"
„Es geht um Tethys. Sie hat Sanbréque verlassen, sie hat mir in einem Brief geschrieben, dass du sie mit einem Adeligen verheiraten wolltest, weil du in ihr keinen Nutzen siehst, nur weil sie nicht mit einer Esper gesegnet wurde wie ich. Vater, sie ist deine Tochter, sie ..."
„Sie war meine Tochter!", schrie Vater und stand auf, sein Kopf war rot vor Zorn. Ich sah meinen Vater schockiert an.
„Wie kannst du so etwas sagen Vater, Tethys ist ..."„Sie ist tot. Du hast das Gespräch mitgehört, Dion. Tethys war auf diesem Schiff, welches untergegangen ist. Eher gesagt in zwei Hälften geteilt wurde, und dazu ist nur der Dominus von Odin fähig. Na ja, was soll's, muss ich meine Pläne eben ändern. Man kann die Blutlinie des Phönix auch anders bestehen lassen."
Ich starrte Vater auf seine Worte und die Gleichgültigkeit, Kälte in seiner Stimme, entsetzt an. Er kam zu mir und klopfte mir auf die Schulter.
„Freu dich, du bekommst wieder eine Mutter und einen kleinen Bruder. Jetzt entschuldige mich, mein Sohn, ich habe noch Vorkehrungen zu treffen. Rosaria erobert man nicht, wenn man nichts tut", sagte Vater nun gut gelaunt und verließ die Halle. Ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen, ich stand da wie angewurzelt. Die Worte meines Vaters hallten in meinem Kopf wieder. Ich wollte es nicht glauben, dass Tethys tot war. Ich ballte meine vor Wut zitternden Hände zur Faust. Ich war wütend auf meinen Vater. Und doch wollte ich Rache für meine Schwester, auch wenn ein Teil von mir es nicht wahrhaben wollte. Aber ich wusste, dass ich gegen Barnabas jetzt noch keine Chance hatte, ich musste stärker werden, aber die Esper in mir wollte jetzt der Wut, dem Schmerz entkommen. Ich konnte Bahamut kontrollieren, wenn ich mich selbst unter Kontrolle hatte, ruhig war, doch ich war das in diesem Moment nicht und somit eine Gefahr für das Volk.Ich rannte aus der Halle, raus aus dem Schloss, raus aus Oriflamme, so weit wie möglich. Als ich die Kornfelder vor mir sah, wusste ich, dass ich weit genug von der Stadt entfernt war, und ich ließ Bahamut mit einem Schrei der Wut und Trauer frei. Der Schrei ging in ein Brüllen über, welches sich bis zum Schloss und die naheliegenden Dörfer erstreckte. Mir war es jedoch egal, das Volk wie die anderen verstanden ohnehin nicht, warum Bahamut brüllte, die Soldaten würden es wahrscheinlich als Kampfgebrüll deuten, wegen Vaters Zug gegen Rosaria, doch es war nicht so. Ich schlug mit den Flügeln und hob ab, immer höher und flog hinaus auf das offene Meer, immer weiter, bis ich mir sicher sein konnte, dass meine Attacke keinen zerstörerischen Tsunami auslöste. Diese ich im nächsten Augenblick abfeuerte und somit die Last der Wut und der Trauer leichter wurde.
Stunden vergingen, bis ich zurückflog, als ich landete und meine menschliche Gestalt wieder angenommen hatte, merkte ich, dass ich nicht beim Schloss war. Die Flügel von Bahamut hatten mich an einen anderen Ort gebracht, zu einem kleinen Haus, umgeben von einem kleinen Feld mit weißen Blumen, dem Wyvernschwanz und zu der Person, die mich neben meiner Schwester verstand. Diese Person kam mir in diesem Moment entgegengelaufen.
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Vereint durch das Schicksal
FanfictionTethys Lesage, Zwillingsschwester von Dion Lesage wird im Gegensatz zu ihrem Bruder, von ihrem Vater verachtet. Er sieht in ihr keinen Nutzen, da sie laut ihm kein Dominus ist, doch er irrt sich. Als Annabella Rosfield Tethys Vater, den Vorschlag ma...