2/Erste Sahne

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Matthias

Erste Sahne! Das ist es was mir als erstes in den Sinn kommt, als ich die Hochzeitstorte anstarre, die Frida gezaubert hat. Den ganzen Vormittag und Nachmittag war sie in ihrem Element. Hat die Böden gebacken, die Füllung zubereitet und das Ganze in mühseliger Arbeit verziert. Das Ergebnis ist wahrlich ein Meisterwerk. Ein aufgeschlagenes Buch, auf dem auf der einen Seite die Namen der Eheleute zu sehen sind und auf der anderen das Datum ihres großen Tages.

Der 15. Mai 2023.

„Ich kann nicht glauben, dass Sina morgen heiratet", sage ich und gehe auf Frida zu. „Meine große Schwester hat endlich den Einen gefunden... Das macht mich richtig glücklich. Und Mike ist sowieso wie ein Bruder für mich."

„Du bist so süß", grinst Frida. „Und deswegen liebe ich dich ja auch wie verrückt."

„Und ich dich erst", meine ich zufrieden. „Weißt du eigentlich wie sexy du bist, wenn du in dieser Schürze vor mir stehst. Und etwas von der Schokocremefüllung an deiner Nasenspitze klebt und womöglich auch in deinen Haaren...Vielleicht auch noch etwas tiefer..." Unauffällig versuche ich einen Blick unter ihre Schürze zu werfen, aber natürlich bekommt Frida das sofort mit.

Hochrot im Gesicht starrt sie mich an.

„Lass das, Matze", zischt sie schließlich und schiebt mich ein Stückchen von sich. „Wir wollen doch nicht, dass die Hochzeitstorte nachher nur noch eine einzige Matsche Pampe ist. Sina würde dich sicher... umbringen. Wenn sie das nicht vorher mit mir macht..."

„Ich bin echt nicht scharf von einer angefressenen Braut angepumpt zu werden, die mir die Ohren vollheult, weil sie keine Hochzeitstorte hat, die sie mit ihrem frisch Vermählten anschneiden kann", knicke ich ein. „An ihrem großen Tag sind alle Frauen plötzlich wie ausgewechselt. Als wären sie urplötzlich von Dämonen besessen. Bei Sina ist das irgendwie auch heute schon der Fall. Sie ist total aufgedreht. Schon dreimal hat sie mich angerufen um mich zu erinnern, dass ich morgen ja nicht vergesse zu Papa zu gehen, um Basti und ihm mit Mikes Styling zu helfen...Ich bin doch nicht bescheuert."

„Oh doch das bist du, Matze", meint Frida lachend. Dieses Geräusch ist himmlisch. Den ganzen Tag könnte ich ihm lauschen, ohne dass es langweilig oder gar nervig wird. In dieses Lachen habe ich mich verliebt. Damals, als wir noch Teenies waren. „ Du musst Sina verstehen. Sie will eben, dass nichts schief läuft an ihrem großen Tag."

„Brauchst du noch Hilfe beim Saubermachen?", wechsele ich schnell das Thema. Auf eine Diskussion, die womöglich im Streit enden könnte, habe ich jetzt gar keine Lust. Ich weiß doch selbst, dass meine Schwester es nicht böse meint. Scheint der Fluch eines Mannes zu sein. Die Frauen denken wohl immer, dass wir Männer ziemlich vergesslich sind. Zumindest erscheint mir das im Moment als Erklärung sehr plausibel.

„Hast du deinen Anzug schon aus der Reinigung geholt?", fragt Frida mich, ohne auf meine vorherige Frage einzugehen.

„Schon heute Morgen."

„Und warst du auch auf der Bank, damit wir endlich das Hochzeitsgeschenk für die beiden Turteltauben fertig machen können?"

„Alles erledigt mein Liebling...Kann ich dir hier noch irgendwie helfen?"

„Am besten gehst du nach oben", schlägt Frida vor. „Ich würde gerne noch ein paar klitzekleine Feinheiten an der Torte vornehmen."

„Aber nur, wenn du nicht mehr so lange machst", erwidere ich und grinse sie frech an. „Ich habe noch etwas mit dir vor. Und ich denke, dass du dazu anwesend sein solltest."

Schon wieder zaubert sich diese zauberhafte Röte auf Fridas Wangen. Unbewusst fährt sie sich mit den Fingern, an denen tatsächlich etwas Zuckerguss klebt durch die braunen Haare. Als sie es bemerkt lässt sie es sofort sein und grummelt etwas Unverständliches vor sich hin.

„Du bist verrückt", murmelt sie schließlich.

„Ja das bin ich tatsächlich." Ich trete ganz dicht an sie heran, so nah, dass ich ihren hektischen Atem nah an meinem Gesicht spüren kann. Ihr Körper verrät sie. Oh und wie er das tut!   „Und zwar nach dir."

Jetzt beißt sie sich mit den Zähnen in die Unterlippe. Dabei schaut sie mir direkt in die Augen. Ihre braunen Pupillen durch die sich ein grünlicher Schimmer zieht, bohren sich in meine.

Oh Gott. Sie. Ist. Einfach. Nur. Heiß.

Wie gerne würde ich sie jetzt nach oben entführen und dann...

„Ich glaube die Hochzeitstorte kann ich auch noch später fertig machen. Es sind ja nur noch Kleinigkeiten..."

Mein Mädchen starrt mich an. Fordert mich auf.

Oh ja. Dieser Bitte komme ich liebend gerne nach...

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Mit glasigen Augen starre ich an die Decke über mir. Betrachte die Maserungen in dem hellgrau gestrichenem Holz ganz genau, ehe meine Sicht verschwimmt. Tränen verwandeln meine blauen Pupillen in einen tiefen See, der überläuft. Die Ernüchterung tut so weh. Der Schmerz zermalmt mich förmlich.

Frida ist... überall!

Meine Gedanken gehören nur ihr. Manchmal fühlt es sich fast so an, als wäre sie noch hier. Nur in einem anderen Raum und jede Sekunde kommt sie ins Wohnzimmer gelaufen. Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen und ermahnenden Worten, warum ich am helllichten Tag auf dem Sofa gammele.  Doch jedes Mal stelle ich ernüchternd fest, dass sie nicht nur eben mal im Bad ist. 

Frida ist ...weg! Für immer gegangen. Genauso wie Mama damals. Bei ihr wussten wir, dass der Tag kommt. Aber es hat den Abschied nicht einfacher gemacht. Im Gegenteil... Ich habe so sehr um ihr Leben gekämpft, obwohl es im Endeffekt aussichtslos war. Wie die Bemühungen die ein Hamster in seinem Rad ausübt. Ein einziger Teufelskreis...

Egal... Der Schmerz ist übermächtig. Die Hoffnungslosigkeit die gleiche. Alles, was ich mir mit Frida aufgebaut habe, dahin. Der Traum der gemeinsamen Bäckerei, der sich endlich erfüllt hat und dazu diese beschissene Wohnung, in der jeder Winkel, alle Möbelstücke, einfach alles mich an sie erinnert.

Seit Stunden klammere ich mich an Fridas T-Shirt, das in unserem Schlafzimmer auf dem Bett lag.  Am Morgen vor...

Fuck!

Ich raffe mich endlich von der Couch auf und in meiner Verzweiflung schlage ich auf alles ein, das sich mir in den Weg stellt. Es befriedigt mich nicht so sehr, wie ich es erhofft hatte. 

Trotzdem hat es ein Gutes.

Die Erschöpfung übermannt mich und ich finde endlich in den Schlaf.

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