Matthias
Nachdem Sina und Mike den Kleinen wieder abgeholt haben, ist es ruhig in meiner Wohnung. Zu ruhig, so dass mir die Decke auf den Kopf fällt und obwohl ich versuche mich mit Putzen abzulenken, bringt es nichts...
Die Minuten, ja Stunden nach Fridas Tod, verbrachte ich im Krankenhaus, ehe ich mit der Bitte, mich zu schonen, entlassen wurde. Wie es mir an diesem späten Nachmittag ging, ich weiß es nicht mehr, wenn ich ehrlich bin. Wahrscheinlich könnte ich diese Gefühle auch gar nicht in Worte fassen, selbst wenn ich es versuchen würde. Ich kam mit ein paar Kratzern und leichten Prellungen davon, während mein Mädchen...
Ich kann den Gedanken nicht zu Ende führen. Hier oben in der Wohnung zu sein, die wir zusammen bewohnt haben, so ganz alleine, es fühlt sich an, als hinge Gift in der Luft. Ich werde ständig aufs Neue damit verseucht, es lähmt alles in mir und benebelt dazu auch noch meine Gedanken.
Ich muss hier raus!
Die Zeit mit meinem Neffen war tröstend, obwohl es eine Herausforderung war. Alles ohne Frida machen zu müssen, es ist ungewohnt und trotzdem lief es wie am Schnürchen. Ich hatte anderes erwartet. Vielleicht, dass Leo die ganze Zeit unruhig ist, weil er bemerkt, dass seine Tante nicht da ist. Möglicherweise hatte ich auch damit gerechnet, dass ich es nicht packe, alleine auf ihn aufzupassen. Aber wir beide sind super miteinander klargekommen und es schmerzt, ja hört sich verdammt hart an, dass es ohne mein Mädchen derart gut geklappt hat.
Es ist erstaunlich, dass sich die Erde immer weiter dreht, ohne Rücksicht auf das Schicksal einzelner. Damals bei Mama ging es auch weiter, obwohl es sich für mich anfühlte, als wäre es das Ende. Gepaart mit Bens Mobbing, riss mir dieser Schicksalsschlag den Boden unter den Füßen, weg. Mein einziger Lichtstrahl war schon damals Frida. Jetzt ohne sie, es fühlt sich an, als wäre meine Seele mit ihr gegangen...
Ich kann es in manchen Minuten noch immer nicht richtig fassen, dass sie nicht mehr an meiner Seite ist. Wie oft erwische ich mich dabei, dass ich zur Badezimmertür schiele, mit der Hoffnung, dass sie gleich daraus hervorkommt.
Die Ernüchterung tut weh und lässt mich jedes Mal aufs Neue innerlich verbluten.
Und dann ist da ja auch noch die neueste Entwicklung, mit der ich irgendwie umzugehen versuche. Sie kam wie aus dem Nichts und bot mir an, einen Teil meiner Dunkelheit an sie abzugeben.
Elena!
Schon jetzt fühlt es sich an, als würde ich ihr einiges schulden. Ich weiß nicht genau, was sie mit mir macht, aber ich fühle mich befreit und gleichzeitig Frida nahe, wenn ich mit ihr zusammen bin. Unter normalen Umständen, würde ich jeden für verrückt erklären, der mit einer solchen Story kommen würde, wie ich es gerade mit Elena erlebe. Aber die Tatsache, dass auch sie...gebrochen ist und nach der Nähe ihres Freundes lechzt...Es erfüllt mich und schenkt mir seltsamerweise Trost, auch wenn es mich gleichzeitig zerbricht.
Es tut gut, mit jemanden über Frida zu sprechen, der nicht zur Familie gehört. Vielleicht, weil diese fast alles über mein Mädchen wissen und auch mich bestens kennen, so dass ich mich manchmal davor fürchte, mich ihnen anzuvertrauen. Meine Familie kennt die dunkelsten Seiten von mir, dabei wünsche ich mir gerade nur das Licht zurück.
Sie fassen mich mit Samthandschuhen an, weil sie Angst haben, dass ich jederzeit in die Luft gehen könnte. Vielleicht stimmt es ja auch, ich weiß es nicht. Es tut weh, dass sich dieses Mal alles nur um mich dreht. Auf diese Weise im Mittelpunkt zu stehen, war nie mein Wunsch und schon immer habe ich lieber zugeschaut, als auf der Bühne zu stehen...
Elena dagegen, sie hat mir wissbegierig zugehört, als ich ihr ein wenig von Frida erzählt habe. Meine darauf folgenden Tränen, haben sie nicht ratlos zurückgelassen, ihr Blick war nicht mitleidig und verzweifelt. Nein...Ich konnte darin sehen, wie sehr sie sich mit mir identifiziert. Für ein paar Minuten, da haben wir uns nur angeschaut und es waren keine Worte mehr notwendig. Es war wohltuend, dass kein „Es tut mir leid...", „Ich weiß nicht, was ich sagen soll", einfach nichts dergleichen kommuniziert wurde. Wir haben uns nur angeschaut und gewusst, dass es gerade nichts gibt, keine Worte, die den Schmerz in uns, irgendwie hätten lindern können.
Meine Beine tragen mich von selbst zur Wohnungstür. Ich brauche dringend frische Luft, ein Spaziergang wäre jetzt genau das Richtige. Der Herbst zeigt sich heute eher von seiner ungemütlichen Seite, aber der Regen ist mir mehr als willkommen. Ich liebe das beruhigende Geräusch, wenn die Tropfen auf den Asphalt treffen. Wie oft haben Frida und ich, im Regen getanzt. Etwas, das wir eigentlich seit dem Beginn unserer Freundschaft, getan haben. Damals war es eher unfreiwillig, aber wir haben unseren ersten Kuss im fallenden Regen geteilt und seither weckte er in uns etwas inniges, ja ganz besonderes.
Sehnsucht brodelt in mir. Das hier, es ist wieder etwas, das mich einfach überrumpelt. Erneut etwas, das ich ab jetzt ohne mein Mädchen erleben...muss. Der Spaziergang im Regen, er ist nicht mehr dasselbe wie mit ihr. So viel... Zu viel, was mich gnadenlos überfällt und mit einer Hilflosigkeit zurücklässt, die ich nicht beschreiben kann.
Niemand begegnet mir, während ich mit langsamen Schritten an den Häusern in meiner Straße, vorbeilaufe. Die meisten haben um ihr trautes Heim einen Zaun gebaut, damit niemand auf das Grundstück schauen kann. Es wirkt traurig und trostlos und das Bild passt sich dem Wetter an. Für die meisten Leute ist es zu schmuddelig heute Nachmittag. Das richtige Wetter für Kakao und einen Serienmarathon.
Doch auf der anderen Seite der Straße, sehe ich eine weitere Person, die sich hilfsbedürftig die Jacke über die Ohren zieht. Mein Herz bleibt stehen, als sie eilig die Straße überquert und auf mich zukommt. Trotz der Regentropfen, die von meinen Haaren, auf mein Gesicht laufen und meinen Blick etwas verschleiern, kann ich den intensiven Blick des anderen Typen vor mir, genaustens erkennen.
Ich kenne diese grauen Augen und die wirren, ja engelsgleichen blonden Locken, die meinem Gegenüber traurig am Gesicht kleben! Für mich wirkten diese beiden Iriden, immer wie ein Sturm, der mich auf zu schlingen, drohte.
Nie hätte ich auch nur davon geträumt, noch einmal einen Blick in sie werfen zu müssen.
Sie sind mein persönlicher Albtraum...
Dabei träume ich doch im Moment gar nicht.
Oder?
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Spuren deiner Liebe
RomanceMatthias ist sehr glücklich mit seinem Leben. Er hat den Bäckermeister in der Tasche und sich zusammen mit Frida, der Liebe seines Lebens den Traum einer eigenen Bäckerei erfüllt. Die perfekte Idylle. Doch das Schicksal schlägt gnadenlos zu und von...