18/Wie nach Hause kommen

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Elena

Ich liege in den Armen eines Mannes, von dem ich nicht sehr viel weiß, wenn man es genau nimmt, eigentlich nichts. Nicht einmal seinen Namen...

Dabei fühlt es sich an, wie nach Hause kommen, auf der warmen Brust zu liegen, die darin in einem unregelmäßigem Tempo, trommelt. Wie bei Armin, der vor allem an den Wochenenden ständig kuscheln wollte und mir dabei von allem erzählt hat, das er in der Woche erlebt hat und was wir während der anderen Stunden vergessen hatten oder einfach keine Zeit dazu gefunden haben, uns mitzuteilen.

Ich glaube jeder, der meinen unbekannten... Fremden und mich, so sehen könnte, würde sagen, dass wir einen an der Klatsche haben. Und eigentlich sollte ich mich schämen, mit ihm geschlafen zu haben und jetzt hier mit ihm zu liegen, weil es Armin ist, der...

Es ist egal. All das, es zählt nicht. Mein Freund, er ist jetzt hier und mein Herz rast vor Aufregung und purer Freude. Wenn ich die Augen geschlossen habe, dann sehe ich ihn und spüre seine Hände überall auf meinem erhitzen Körper. Schmerzhaft pocht das Verlangen in meiner Mitte, aber es geht mir nicht um Sex. Es ist viel mehr als das und ich trinke jede Sekunde von diesem Moment mit...Armin.

Nadia, wenn sie hiervon wüsste, oh, sie würde mir zuerst die Hand auf die Stirn legen und schauen, ob ich Fieber habe. Wenn das nicht der Fall wäre, dann ich weiß nicht, ich denke, sie wäre mit ihrem Latein am Ende und obwohl sie meine beste Freundin ist, ich glaube, sie könnte nicht nachvollziehen, was ich hier gerade tue.

Irgendwie kann ich es ja selbst nicht verstehen, vor allem, wo ich den Mut hergenommen habe, aber als ich dann hier war. Nichts anderes, als die Sehnsucht jagte durch jede Pore meines Körpers und wie ein Roboter, befolgte ich die Befehle, die sie mir sandte.

Stille umgibt uns, daher beginne ich zu reden. Vielleicht weil ich wissen will, wie genau die Frau war, die dafür verantwortlich ist, dass dieser Mann, in dessen Arme ich liege, atemlos ist. Ich spüre, wie sehr er nach ihrer Nähe lechzt und es ist genau das, was auch ich brauche.

Nie hätte ich gedacht, einmal mit einem Fremden in einem Bett zu liegen und mich ihm trotzdem derart nahe zu fühlen. Es ist eine verkorkste Situation und gleichzeitig die Schönste, seit mehr als drei Wochen. Ich weiß nicht mehr, wann genau Armin und ich, das letzte Mal in dieser Ruhe und Stille, nebeneinander gelegen haben.

Fred kam eine Woche zu früh auf die Welt, weil die Wehen mitten in der Nacht einfach so eingesetzt haben. Und trotz der Umstände, dass ich einen Kaiserschnitt machen musste, weil Fred sich noch nicht gedreht hatte und es gefährlich für ihn wurde, durften wir das Krankenhaus nach anderthalb Wochen wieder gesund verlassen.

Die wenigen Tage zuhause als kleine Familie, fiel natürlich die Zweisamkeit erstmal aus, es gab einfach andere Dinge, die mehr zählten und ganz nebenbei waren wir immer viel zu müde und selbst, wenn wir nachts in den Armen des anderen lagen, bekamen wir es nicht mit, weil wir ziemlich schnell eingeschlafen sind.

Umso mehr genieße ich es, diese Vertrautheit wieder genießen zu dürfen und zu wissen, dass Fred gut versorgt ist, weil Nadia und meine Brüder bei ihm sind.

Mein Namensloser, wiegelt meine Frage sofort ab. Es brennt mir auf der Zunge, nach seinem Namen zu fragen und trotzdem lasse ich es sein. Stattdessen will ich lieber wissen, wie sein bisheriger Tag, war.

Er erzählt mir etwas von seinem Tag in der Backstube, dann auf meine Nachfrage, erklärt er mir, warum er Bäcker geworden ist. Anscheinend hat es mit seiner Mutter zu tun und obwohl ich es besser sein lassen sollte, frage ich sofort, was mit ihr ist. Irgendwie hört es sich für mich so an, als wäre sie nicht mehr da, vielleicht ist sie aber auch nur abgehauen, wie mein eigener Vater.

Natürlich geht er auf die Frage nicht ein und zerstört sogar den innigen Moment zwischen uns. Sein Lächeln, das er mir schenkt, wirkt alles andere als echt, viel mehr gefakt und ich weiß selbst, wie schwierig es sein kann, zu meinen, ein solches erzwingen zu müssen.

„Es tut mir leid", hauche ich. „Da war mein Mund wieder schneller, als meine Gedanken."

„Was machen wir hier eigentlich?", fragt er und die Emotionslosigkeit in seiner Stimme lässt mich erschaudern. „Wie abgefuckt bin ich eigentlich?" Jetzt steht er auf und zieht sich schnell die Boxershorts an, die auf dem Boden, vor seinem Bett gelegen hat. „Was habe ich nur getan? Fuck...Fuck... Fuck." Er spricht nicht mehr mit mir, viel mehr redet er leise vor sich hin, aber ich kann jedes Wort verstehen, vor allem die Flüche, die aus seinem Mund purzeln.

Es scheint wie ein Hieb in den Magen, als ich ihm zuhöre. Er hat doch recht. Wir haben uns gehen lassen. Erbärmlich trifft es wohl am ehesten, vielleicht auch irrsinnig oder gar schon verrückt. Dabei dachte ich, dass mein Plan ein Guter ist. Die Sehnsucht lockte mich mit Argumenten, die ich für richtig ansah. Jetzt schäme ich mich schon fast.

„Willst du mir deinen Namen sagen?"

„Das ist doch egal", kommt es nüchtern von ihm. „Du warst Frida und ich bin Armin. Warum willst du wissen wie ich heiße? Es zählt doch nicht."

„Bitte." Meine Stimme wird sanfter.

„Matthias", flüstert er und hat es aufgegeben, sich im Zimmer auf- und ab zu bewegen. „Und du bist Elena?"

„Offensichtlich", murmele ich verlegen.

„Schön dich kennenzulernen, Elena."

„Das kann ich nur zurückgeben, Matthias."

Fast schon schüchtern, ist sein nächster Blick, den er mir schenkt und schon wieder betrachte ich dabei die tiefblauen Iriden, in denen genau wie im Ozean, etliche Mysterien glitzern, die ich liebend gerne erforschen würde.

Mir war nicht klar, wie aufregend ein paar Augen sein kann, dabei war es genau ein solches, in das ich mich damals verliebte, als ich Armin kennenlernte. Seine graublauen Augen wirkten wie das Danach eines Sturmes, der Moment, wenn die Wolken sich verziehen und etwas vom blauen Himmel, durchblitzt.

„Ich sollte noch ein bisschen schlafen", holt Matthias mich aus meinen Gedanken.

„O...Okay", stottere ich. „Wie geht es... Würdest du... Meinst du, wir können das hier noch mal wiederholen?" Hitze steigt in meine Wangen und verlegen senke ich meinen Blick auf die hellblau karierte Bettdecke, die ich immer noch um meinen nackten Körper geschlungen habe.

„Ich glaube schon", fällt seine knappe Antwort aus. „Danke, Elena. Für diesen Moment."

Ich muss ihn anschauen, alles andere wäre unfreundlich. Ein zaghaftes Lächeln umspielt seine Lippen und kurz meldet sich mein schlechtes Gewissen. Irgendwas passiert hier gerade, ich kann es einfach nicht einordnen, will das aber auch gar nicht. Zumindest für den Moment nicht.

„Ich danke dir, Matthias."

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