Matthias
Vor ein paar Tagen hätte ich nicht gedacht, dass ich wieder in der Backstube stehe, noch weniger, dass ich mich dermaßen auf den Feierabend freue und fast schon ungeduldig darauf poche, dass die Zeit vergeht. In etwa fünf Stunden, werde ich Elena wiedersehen und für eine Zeit, wird sich alles gut anfühlen und im Lot sein. So, als wäre überhaupt nichts passiert und Frida noch immer an meiner Seite. Dafür verzichte ich sogar auf meinen Schlaf und verschiebe alles ein bisschen nach hinten.
Für mein Mädchen immer!
„Na du strahlst heute aber", grummelt Basti, als er sich müde die Schürze umbindet und sich dann mit einer Ladung Brötchen in den Verkaufsraum, aufmacht. Ich höre ihn immer wieder lautstark gähnen, während er die Theke mit den frisch gebackenen Backwaren bestückt.
„Ich habe miserabel geschlafen", sagt er, als er wieder zu mir in die Backstube kommt. „Mein Rücken tut auch weh, weil ich mich irgendwie verdreht habe. Was geht bei dir? Es ist schön zu sehen, wie happy du bist und trotzdem mache ich mir irgendwie Sorgen... Hast du was genommen, Bro?" Sein Blick wird ernst und er mustert mich eingehend.
Typisch! Wenn es mir schlecht geht, dann will jeder, dass ich glücklich bin. Und wenn ich das dann mal bin, dann machen sie sich auch wieder Sorgen...
„Du weißt, dass das vorbei ist", beruhige ich ihn sofort. „Ich habe seit damals nichts mehr angerührt."
„Gut...Es wäre nämlich total beschissen, wenn du dich wieder in dem Zeugs verlierst, Matthias. Nur weil ich damals noch ziemlich jung war, heißt das nicht, dass ich nicht mitbekommen habe, wie schlecht es dir in der einen Nacht ging..."
Diese eine Nacht!
Mein Herz, es tut weh, wenn ich an sie denke, aber die Wunde ist seit Jahren verheilt. Manchmal meldet sich die Narbe und zieht etwas, aber meistens geht das schnell wieder vorüber. Damals jedoch, wuchs mir alles über den Kopf. Bens Hänseleien, Mamas Tod, es war wohl alles zu viel, vor allem als ich damals in den Armen meines größten Feindes, aufwachte und die halbe Schule davon Zeuge war. Es war der große Bruder von einen von Bastis Freunden, der mir irgendwelche Pillen besorgte und ich schluckte sie ohne weiters darüber nachzudenken. Alles, was ich wollte, war nur, die klaffende Wunde in meinem Herzen, nicht mehr spüren zu müssen. Pure Verzweiflung, gemischt mit panischer Angst, lässt uns Dinge tun, die wir sonst nie in Erwägung ziehen würden...
„Es war damals ein einmaliger Ausrutscher, Basti, aber ich weiß, was du mir sagen willst. Es tut mir leid, dass du mit ansehen musstest, wie schlecht es mir ging, vor allem der Part, wo Papa mich zum Erbrechen gebracht hat. Es hätte eigentlich anders sein müssen und ich deine Stütze, gerade weil ich dein großer Bruder bin. Und jetzt bist es schon wieder du, der kleine, der sich um mich kümmert. Irgendwie schon scheiße, oder?"
„Finde ich nicht. Du bist trotzdem immer mein Vorbild gewesen und ich konnte Gott sei Dank unterscheiden, ob deine Handlungen gut sind oder einfach aus purer Verzweiflung geschehen sind. Ich kann nicht sagen, wie ich gehandelt hätte, wenn es mir passiert wäre. Das mit dem Mobbing damals, gepaart mit Mamas Tod, ich wusste, dass es zu viel für dich ist. Und jetzt wiederholt es sich ja quasi und ich, wir, haben einfach nur Angst, dass du wieder in ein tiefes Loch fällst."
„Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich keine Pillen geschluckt habe. Und darauf gebe ich dir mein Wort. Ich habe gestern Nachmittag nur sehr gut geschlafen und bin deswegen ausgeruht, das ist alles. Ein wenig tiefer Schlaf, ganz ohne Träume oder Unterbrechung, ist Goldwert. Solltest du auch mal versuchen, anstatt bis in die Nacht zu zocken, nur um dann hundemüde in der Arbeit aufzukreuzen. Du kannst ja froh sein, dass ich dein Chef bin und nicht irgendein blöder Depp, der dich immer angeht oder den ganzen Tag nur mit dir meckert."
Basti anzuflunkern, es fühlt sich ein wenig mies an, aber er muss ja nicht wissen, was ich treibe. Er würde es sowieso nicht verstehen und gleich zu Papa oder Sina rennen, damit sie es analysieren, um schließlich zum Schluss zu kommen, dass ich es besser sein lassen sollte, weil es mich unglücklich macht und es gewissermaßen ein Spiel mit dem Feuer ist. Immer noch besser, als die Pillen, aber trotzdem der falsche Weg.
Wahrscheinlich ist es das auch, aber wenn ich die Wahl habe, zu verbluten, oder mich doch immer wieder verbrennen zu lassen, aber gleichzeitig das löschende Wasser in meinem Herzen aktivieren kann, dann entscheide ich mich ganz klar für die zweite Option.
„Ich glaube dir", meint Basti schmunzelnd. Er geht nicht auf meinen letzten Kommentar ein, grinst mich nur etwas dümmlich an, ehe er fortfährt. „Auch, wenn ich trotzdem glaube, dass es nicht nur der gute Schlaf von gestern Abend ist, der dich so zum Strahlen bringt. Wetten, dass da noch etwas anderes dahintersteckt oder womöglich jemand anderes? Gib zu, Matze... Du hast dir eine klargemacht..."
„Du glaubst ernsthaft, dass ich Frida derart hintergehe?", unterbreche ich ihn fassungslos. „Sie ist es, Basti und wird es immer sein. Mein Mädchen, die Liebe meines Lebens. Wie könnte ich sie betrügen, wo sie die einzige ist, die in meinem Herzen existiert und das für immer?"
„Ich dachte ja nur." Basti zuckt mit den Schultern. „Entschuldige, dass ich gefragt habe. Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich dich ein bisschen alleine lasse. Offenbar willst du mir nicht sagen, was dich gerade beschäftigt und hey, ich akzeptiere es. Ich hoffe nur, dass du keinen Scheiß baust."
"Du hast mein Wort."
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Eigentlich bin ich ziemlich fix und fertig, als ich ein paar Stunden später, endlich in der Dusche stehe und das warme Wasser über meinen Körper rinnen lasse. Trotzdem will ich nicht schlafen. In weniger als einer halben Stunde, wird Elena hier auftauchen und ich bin schon ziemlich aufgeregt. Heute will ich es unbedingt besser machen, als vorgestern. Der Sex war viel zu schnell vorbei, weil ich mich einfach nicht zurückhalten konnte und wahrscheinlich auch nicht wollte.
Ich ziehe mir einen dünnen Pullover und eine Jeanshose an, um später ein paar Klamotten zu haben, die wir uns ungeduldig ausziehen müssen.
Gerade freue ich mich wie ein kleines Kind, das am Heiligabend darauf wartet, endlich die Geschenke auspacken zu dürfen.
Warum vergeht die Zeit manchmal so schleppend?
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Spuren deiner Liebe
RomanceMatthias ist sehr glücklich mit seinem Leben. Er hat den Bäckermeister in der Tasche und sich zusammen mit Frida, der Liebe seines Lebens den Traum einer eigenen Bäckerei erfüllt. Die perfekte Idylle. Doch das Schicksal schlägt gnadenlos zu und von...