Matthias
„Machst du die Bäckerei morgen auf?" Müde blicke ich auf mein Handy und lese Bastis WhatsApp. Es ist schon kurz vor zweiundzwanzig Uhr und eigentlich sollte ich längst im Bett sein, zumindest, wenn ich nachher wieder in der Backstube, stehen will.
„Ja, aber wahrscheinlich mit einem kleineren Sortiment", tippe ich eine Antwort. „Ich sollte dringend darüber nachdenken, jemanden einzustellen. Alleine schaffe ich es nicht, alles zu backen und Papa und du, ihr habt genug mit dem Verkauf zu tun."
„Ich bin morgen um fünf am Start", fällt die Antwort meines Bruder aus, dahinter ein Daumen hoch Smiley.
Gähnend tapse ich ins Badezimmer, um mich bettfertig zu machen. Ich weiß sowieso, dass ich kein Auge zumachen werde, in Gedanken bin ich bei dem verkorksten Abend im Restaurant und natürlich bei Frida. Außerdem geht mir immer durch den Kopf, wie ich mit dieser Frau, Elena, zusammengestoßen bin. Sie hat mir ihre Handynummer gegeben und obwohl ich seit Minuten darüber nachdenke, warum genau ich den Drang verspüre, sie anzuschreiben, habe ich mich diesem noch nicht hingegeben. Es ist einfach seltsam und passt mir gerade so gar nicht in den Kram.
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Nur etwa dreieinhalb Stunden später, stehe ich in der Backstube. Es ist ziemlich einsam, aber immerhin lenkt die Arbeit mich etwas von meinen wirbelnden Gedanken, ab. Die Gleichmäßigkeit hilft mir, einfach mal alles loszulassen. Wie von selbst, formen sich die Brote und Brezeln und zufrieden, schiebe ich die fertigen Teiglinge in den Ofen. Viel Kuchen und süße Teilchen wird es nicht geben, aber eine kleine Auswahl stelle ich auch hier her, immerhin sollen meine Kunden auch etwas Süßes für zwischendurch oder zum Kaffee, kaufen können. Es ist etwa halb sechs, als Basti den ersten Kunden bedient, während ich fleißig für Nachschub sorge. Eine Zeitlang kann es so gut funktionieren, aber ich sollte dringend nach einem Ersatz für Frida, sorgen. Mehr Backwaren, mehr Gewinn...
„Ich hau mich hin", gebe ich Basti um halb zehn Bescheid. „Schließ ab, wenn alles verkauft ist. Zwei Bleche mit Brezeln und eines mit Süßteilchen, sind noch im Kühlraum, falls du da noch Nachschub brauchst."
„Versuch zu schlafen", meint er nur. „Falls ich Hilfe brauche, dann ruf ich Papa an, so wie immer..."
Frau Laas betritt den Laden und grüßt höflich. Sie ist fast achtzig, wohnt um die Ecke und kommt jeden Morgen zum Frühstück vorbei.
„Ich bin so froh, dass ihr wieder geöffnet habt", sagt sie und macht sich auf zu ihrem Stammplatz direkt neben der Theke. „Bis zum Laier waren es ganze zehn Minuten länger und seine Brötchen sind nicht einmal ansatzweise so lecker, wie hier, Kinners."
„Das freut uns sehr zu hören, Frau Laas." Basti bringt ihr einen Kaffee und ein belegtes Körnerbrötchen mit Käse, was sie sofort mit einem herzlichen Lächeln, dankt.
„Danke, mein Sohn. Es ist so schön zu sehen, dass es noch junge Menschen gibt, die einen handwerklichen Beruf ergreifen. Ich sag immer zu meinem Willi... Willi, wenn es mehr junge Menschen gäbe, die einen handwerklichen Beruf erlernen, dann hätten wir auch nicht ein derartigen Mangel an Arbeitskräften. Studieren ist schön und gut und wir brauchen auch die Ärzte, Richter und Lehrer, aber muss das heute wirklich jeder Zweite tun? Meine Tochter musste fast sechs Monate warten, bis jemand kam, um ihr Bad zu renovieren. Die Firmen sind komplett überlastet und es wird schon nach Dringlichkeit aufgeteilt. Bin ich froh, dass ich noch so fit bin. Meine Nachbarin, die Gisela, hat mir erzählt, dass es drei Wochen gedauert hat, bis jemand von der Diakonie kam, um ihren Harald zu waschen und ihr mit seinen Tabletten zu helfen. Du könntest krepieren und selbst dann würden sie erst mal von dir verlangen, die Anträge auszufüllen, um die Lage besser einschätzen zu können..." Frau Laas redet ohne Punkt und Komma. Ich unterdrücke ein Gähnen und tausche einen Blick mit Basti.
„Wie geht es ihrem Mann Frau Laas?", höre ich meinen Bruder noch fragen, ehe ich durch die Tür in den langen Flur, trete. Wie immer schmeiße ich meine dreckigen Arbeitsklamotten in die Waschmaschine in der Umkleide , die Basti später laufen lässt. Dann gehe ich die Treppe nach oben, die links neben der Tür der Umkleide ist, die auf eine kleine Plattform führt und mich damit direkt vor meine Wohnungstür.
Ich schäle mich aus der dünnen Hose und dem T-Shirt und nehme dann erst noch eine Dusche, ehe ich ins Schlafzimmer gehe. Von der körperlichen Arbeit bin ich ziemlich erschöpft und falle daher schnell in einen tiefen Schlaf.
Als ich gegen drei Uhr am Nachmittag, wieder aufwache, tapse ich ins Wohnzimmer und schalte ein bisschen den Fernseher an, um richtig wach zu werden. Auf dem Kissen liegt Fridas T-Shirt und ich hebe es mir an die Nase. Es ist, als würde sie mir immer mehr entgleiten. Ich kann mich kaum noch an ihren Geruch erinnern und es gibt keinen Weg, diesen wieder zu mir zurückzuholen. Mit ihrer Stimme und dem Klang ihres Lachens, ist das anders. Ich habe ein paar Videos von ihr auf meinem Handy und wenn ich sie abspielen würde, könnte ich es mir anhören. Aber etwas hält mich davon ab, es fühlt sich wie... Angst an. Frida zu sehen und zu hören, es geht nicht, weil ich sonst wieder und wieder zerbrechen würde und ihre Nähe, die ich so sehr begehre, es würde sich noch grausiger anfühlen, zu wissen, dass ich sie nie wieder spüren darf. Ich weiß, dass ich sie loslassen muss, aber für diesen Schritt fühle ich mich noch nicht gewappnet und klammere mich an alles, um sie ja bei mir behalten zu können.
Das Klingeln an der Wohnungstür, schreckt mich aus meinen Gedanken und ich schalte den Fernseher ab, weil ich mich sowieso nicht darauf konzentriere, was da läuft.
„Wer ist da?", frage ich durch die Lautsprecheranlage.
„Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber wir sind gestern... Hier ist Elena. Ich wollte mal nach dir sehen und fragen, wie es dir geht", kommt es von der anderen Seite.
Perplex starre ich auf den Lautsprecher, als könne er mir sagen, ob es wahr ist, dass Elena tatsächlich vor meiner Haustür steht.
Sie will nach mir sehen?!
Ist es eine gute Idee, sie hochzulassen?
Aber auf der anderen Seite, kann ich sie ja nicht einfach abweisen, oder?
„Komm doch rein", höre ich mich sagen und drücke dann auf den Knopf, damit sie zu mir nach oben in die Wohnung, kommen kann.
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Spuren deiner Liebe
RomanceMatthias ist sehr glücklich mit seinem Leben. Er hat den Bäckermeister in der Tasche und sich zusammen mit Frida, der Liebe seines Lebens den Traum einer eigenen Bäckerei erfüllt. Die perfekte Idylle. Doch das Schicksal schlägt gnadenlos zu und von...