33/Wir drei gegen die Welt

6 2 0
                                    

Elena

Wie würde ich mich fühlen?

Ben hat direkt meinen wunden Punkt getroffen. Ich würde diesen Kerl oder diese Tussi abgrundtief hassen, die meinen Freund tot gefahren hat. Es würde nichts ändern, zu wissen, dass diese Person bei diesem Unfall auch gestorben ist. Es ist echt nicht fair, einen toten Menschen zu hassen oder gar zu verachten, aber ich verstehe, was mein Bruder mir sagen will. So sehr ich mich sträube, ich muss Matthias die Wahrheit sagen, auch wenn ich damit riskiere, dass ich ihn verliere und mit ihm ein zweites Mal, Armin.

„Kannst du mich halten, Ben?", bringe ich mühsam hervor. Die Tränen kämpfen sich verbittert an die Oberfläche und lange wird es nicht mehr dauern, bis sie mich in die Knie drängen.

Nur zwei Tage nach Armins Tod, wurde er beigesetzt und ich erinnere mich an jedes einzelne Detail von diesem Tag, obwohl mein Herz damals noch nicht richtig verstanden hatte, dass das jetzt das Ende ist. An seinem Grab, ging ich auf die Knie und so sehr ich weinen wollte, den Kummer in die Welt hinausschreien wollte, es kam nichts. Ein tiefes, unendliches Nichts.

Umso heftiger, nahm mich die Dunkelheit in der darauffolgenden Nacht, in ihre Fänge. Einsam und verloren, lag ich in unserem viel zu großem Bett und bei jedem kleinsten Geräusch, schreckte ich auf, in der Hoffnung, es wäre Armin.

„Was habe ich nur getan?", wispere ich, eingehüllt in Bens Umarmung. „Sex ohne Gefühle? Das gibt es doch nicht, oder?" Die Frage bleibt in der Luft hängen, aber ich will auch gar keine Antwort darauf. „Ich hätte es ahnen müssen und trotzdem habe ich mich auf den Deal mit Matthias eingelassen. Ich liebe ihn nicht, zumindest glaube ich das, Ben. Es ist irgendwie mehr als kompliziert und trotzdem habe ich grausige Ängste, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich will nicht, dass er mich hasst oder sich dazu entscheidet, wieder aus meinem Leben zu verschwinden...Ben, ich brauch ihn an meiner Seite. Mit ihm fühle ich mich geborgen und ja, erst dachte ich, es geht nur um das Körperliche zwischen uns und um die Nähe zu unseren Liebsten...Aber jetzt, ich weiß einfach nicht, wie ich die Beziehung oder das, was zwischen uns ist, beschreiben soll. Kannst du mir sagen, was ich machen soll?"

„Du weißt, wie ich darüber denke, Elena. Ich würde Matthias die Wahrheit sagen. Mit Sicherheit hätte ich auch die größte Panik davor, wenn ich an deiner Stelle wäre", murmelt mein Bruder. „Vielleicht habe ich aber auch nur eine große Klappe und würde, wäre ich denn in deiner Situation auch ganz anders darüber denken. Eigentlich habe ich ja so gar kein Recht, mich hier aufzuführen, als wäre ich die Unschuld in Person." Er stoppt und wuschelt sich nachdenklich durch die Lockenmähne. „Aber du solltest dringend darüber nachdenken, was genau du von Matthias willst. Ich denke, dass das der erste Schritt sein könnte und danach...Ach ich weiß es doch auch nicht, Elena."

„Ich danke dir, dass du mir überhaupt zuhörst. Es hat mich ganz schön schockiert, als Matthias mir erzählt hat, dass du willst, dass ich mich von ihm fernhalte. Ich habe dich echt dafür gehasst, aber ich wusste ja nicht, dass du diese...tiefen Gefühle für ihn hast. Eigentlich ist es richtig, was du da gefordert hast..."

„Ist es nicht", unterbricht er mich. „Ich habe egoistisch gehandelt und wollte etwas, das ich sowieso nie bekomme. Vielleicht ist es gut, dass du dich um Matthias kümmerst und er sich um dich. Ihr beide, habt auf grausige Art eure Lieben verloren und es scheint, dass das Schicksal wollte, dass ihr zueinander findet..."

„Ich fühle mich Armin gegenüber manchmal schuldig", gestehe ich und spüre, wie mir die Tränen in die Augen steigen. „Er ist es doch, Ben. Die Liebe, von der ich dachte, sie hält ein ganzes Leben. Wir haben einen Sohn zusammen und wollten heiraten. Wie kann es da funktionieren, dass ich nur wenige Wochen, ja eigentlich nur Tage, nach seinem Tod einfach weitermache und mit dem nächstbesten Kerl ins Bett hüpfe? Das ist doch auch nicht richtig, oder?"

„Armin würde wollen, dass du glücklich bist", tröstet mein Bruder mich. „ Und hey, ich glaube nicht, dass Matthias einfach nur der nächstbeste ist...Außerdem, wäre es dir lieber, stundenlang im Bett zu liegen und vor Trauer zu zergehen? Ich weiß, dass es so einfach nicht ist, aber Armin, er wird immer in deinem Herzen weiterleben und du kannst ihn schon alleine wegen Fred nicht vergessen. Mach dir keine Vorwürfe und lass dir von niemanden einreden, dass du zu wenig um deinen Freund trauerst. Es ist ein Prozess und bei jedem Menschen ist dieser anders. Nur, weil du Zeit mit einem anderen Mann verbringst und mit ihm sogar ein Bett teilst, heißt das nicht, dass du Armin damit komplett vergessen hast."

„Was andere denken, ist mir schon lange egal", wispere ich eine Antwort. Meine Stimme ist viel zu heiser und mehr geht da einfach nicht mehr. „Ich will nur, dass es für dich okay ist, Ben. Es mag dämlich klingen, aber ich kann nicht mit Matthias...Zeit verbringen, wenn ich weiß, dass du darunter leidest. Du bist mein großer Bruder und ich kann nicht jede deiner Taten verstehen, mit einigen bin ich auch nicht einverstanden, aber du gehst ganz klar vor, weil du Familie bist. Hast du vergessen, was wir uns versprochen haben, Till, du und ich, nachdem Papa abgehauen ist?"

„Nein, wie könnte ich das vergessen?", flüstert er mit tränenerstickter Stimme. „Für immer? Wir drei gegen die Welt?"

„Für immer! Wir drei gegen die Welt."

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: 2 days ago ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Spuren deiner LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt