27/Das kleine Hoffnungslicht

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Elena

„Ich will aber nicht mit dir reden, Mama." Eigentlich werde ich selten laut, schreien ist einfach etwas, das ich gar nicht mag und ich versuche immer zuerst eine friedliche Lösung zu finden. Leider gelingt mir das nicht immer und jetzt, wo meine Mutter mich versucht, wieder auf ihre Seite zu ziehen, platzt mir einfach der Kragen. „Alles was ich dir im Moment noch zu sagen habe, ist, dass ich bestens ohne dich klar komme. Du hast versucht mir mein Kind wegzunehmen und denkst wirklich, dass ich diese Tatsache einfach vergesse und dort weitermache, wo wir aufgehört haben? Vergiss es, Mama. Ich brauche den Abstand zu dir und hoffe, dass du das akzeptierst."

Ich warte ihre nächste Antwort gar nicht mehr ab und beende das Telefonat. Es ist unfreundlich, aber darauf möchte ich gerade einfach keine Rücksicht nehmen. Ich bin viel zu aufgewühlt und wer weiß, wo das ganze sonst noch hingeführt hätte.

Fred hat zu weinen begonnen und beruhigend gehe ich mit ihm auf und ab, während ich ihn dabei leicht schaukele. Ohne Armin zu sein, es überfordert mich an manchen Tagen, aber mein Sohn...Er lechzt nach meiner Liebe und ich versuche alles, um ihm diese zu geben. Die Minuten, ja Stunden verstreichen und mit jedem Tag, wird mir bewusster, dass es immer nur wir beide sein werden. Fred und ich. Ohne Armin, der so viel Liebe in sich trug, aber nie wirklich die Chance hatte, sie an seinen Sohn weiterzugeben.

Ich weiß, dass die Erinnerungen bleiben und ja, ich habe mir geschworen, sie eines Tages mit Fred zu teilen, aber es wird doch anders sein, als es eigentlich sollte. Für ihn wird Armin trotzdem immer ein Fremder bleiben...

Komischerweise will ich, dass Matthias meinen Sohn kennenlernt. Vielleicht, weil ich mich in seiner Nähe wohl fühle und Armin nahe bin. Möglicherweise will ich genau das für meinen Sohn, einen Mann, der an seiner Seite ist und mit ihm Zeit verbringt. Es ist absurd, weil wir uns erst ein paar Tage kennen und eigentlich noch nichts von einander wissen, außer der Tatsache, dass wir beide einen geliebten Menschen verloren haben. Die Liebe unseres Lebens, was seltsam ist, dass das Schicksal uns durch diesen traurigen Zustand zusammengeführt hat. Ich bin nicht der Mensch, der unbedingt an eine höhere Macht oder irgendwelchen Seelenkram glaubt, aber es ist schon ein merkwürdiger Zufall und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann sollte es wohl genau so kommen.

Zumindest rede ich mir das ein, damit ich mein schlechtes Gewissen ganz weit von mir wegschieben kann...

Im Leben kommt es wohl immer so, wie es soll. Papa ist damals auch einfach abgehauen und hat seine Familie im Stich gelassen. Vielleicht ist Mama genau deshalb so, wie sie ist. Ich kann es jetzt irgendwie ein bisschen verstehen, wie sie sich wohl all die Jahre gefühlt haben muss. Plötzlich alleine und obwohl Papa noch lebt, ist er von der Bildfläche verschwunden und hat sich nie mehr bei ihr gemeldet. Trotzdem rechtfertigt das nicht, wie sie mich behandelt. Seit damals wie ein kleines, naives Mädchen, das ohne ihre Hilfe nicht klar kommt. Dabei bin ich längst erwachsen, was sie wahrscheinlich manchmal zu verdrängen versucht. Wäre es nicht so wie es ist, könnte ich sie sogar verstehen, aber ich kann ihr einfach nicht verzeihen, dass sie mir Fred wegnehmen wollte.

Es ist jetzt genau eine Woche her, seit ich Matthias das letzte Mal gesehen habe. Mit ihm über Frida zu sprechen, es hat mich sehr berührt und die Liebe, die er für sie hegt, sie ist unbeschreiblich. Genau die Art, wie Armin mich immer angesehen hat. Mit soviel Liebe in seinem Blick, das mir immer warm ums Herz wurde, auch wenn ich mich manchmal nicht gut fühlte oder es Sorgen waren, die mich plagten. In seinen Armen zu liegen, es war der Moment, auf den ich manchmal den ganzen Tag hin fieberte, nur um mich dann aufzuregen, wenn ich ihn schon schlafend im Bett vorgefunden habe.

Irgendwie ist es seltsam, dass Matthias sich seit Freitag, also schon etwas mehr als eine Woche, nicht mehr bei mir gemeldet hat. Ich weiß, dass ich keinerlei Ansprüche auf seine Zeit habe und es auch durchaus ein sehr komisches Verhältnis ist, das wir haben....Und trotzdem. Ich bin mir sehr sicher, dass irgendwas vorgefallen ist. Wahrscheinlich hat seine Familie ihm ins Gewissen geredet, so dass er mich hat fallen lassen und es nicht einmal für nötig hält, mir darüber Bescheid zu geben.

Aber wer bin ich, um solche Ansprüche überhaupt stellen zu dürfen? Es ist mit Sicherheit besser so, dass wir das zwischen uns, was auch immer es ist, beenden. Irgendwann wäre ich sicher an meinen Schuldgefühlen zugrunde gegangen, dabei wünsche ich mir doch nur, dass Armin an diesem Abend nie ins Auto gestiegen wäre. Er sollte jetzt noch an meiner Seite sein und mir dabei helfen, Fred großzuziehen, genau so wie wir es uns zusammen ausgemalt haben.

„Hey Süße. Bitte melde dich bei mir, wenn du das liest. Till und ich, wir wollten eigentlich ins Hallenbad, aber Ben kam dazwischen... Lange Geschichte, auf jeden Fall geht es ihm echt mies und vielleicht wäre es besser, wenn du auch vorbeikommst. Wir könnten deine Hilfe gebrauchen... Ich sag nur noch eines, eine Menge Alkohol war im Spiel..."

Besorgt schiele ich auf mein Handy und dann in Freds Wiege. Die WhatsApp von Nadia klingt dringend und es gefällt mir überhaupt nicht, was sie geschrieben hat. Ben hatte früher die Angewohnheit, sich öfters sinnlos zu besaufen, was wohl dem Fortgehen von Papa, geschuldet war. Eigentlich hat er seit einigen Jahren damit aufgehört und seine rebellische Phase längst hinter sich.

Es muss was passiert sein.

Vielleicht hat es auch irgendwas mit Mama zu tun. Ich weiß, dass sie nicht aufgibt und es immer wieder bei mir versucht, trotz der Tatsache, dass ich nicht mit ihr sprechen möchte. Irgendwie ehrt sie das schon ein wenig, aber ich brauche den Abstand dringend.

Nicht, dass Ben sich Vorwürfe macht, weil er neulich versucht hat, zwischen uns zu schlichten.

Aber nein, das kann ich mir irgendwie auch nicht vorstellen, zumindest nicht, dass er sich deswegen sinnlos besäuft.

Es muss was anderes vorgefallen sein. Irgendwie ist gerade der Wurm drin. Alles scheint den Bach runterzugehen und das kleine Hoffnungslicht in mir, das wegen Matthias leuchtet, scheint auch an Leuchtkraft zu verlieren. Die Dunkelheit lockt mich erneut in ihre unergründlichen Tiefen.

Zum Glück habe ich Fred, an den ich mich klammern kann.

Er ist das Licht, das ich stetig in meinem Herzen trage.

Auch an besonders dunklen Tagen.

Ich sollte es wohl besser zu schätzen lernen!

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