Hochmut I

33 8 27
                                    

Ein Klopfen riss Ejahl aus dem Schlaf, als die Sonne gerade ihren Zenit erreicht hatte. Kerzengerade schoss er hoch. Dumpfer Schmerz pochte in seiner Hand und stechender in seinem Kopf.

Kematian saß an der Bettkante und hob seinen Blick aus einem Buch. Zwar war er schon angezogen, aber seine Haare hingen ihm noch offen über die Schultern. »Es ist Eugene«, sagte er, legte das Buch zur Seite und erhob sich.

Ejahl stieß ein leises Seufzen aus und rieb sich die Augen, bevor er ebenfalls aufstand. Nie gönnte man ihm Schlaf.

»Ich weiß, dass ich störe«, drang Eugenes Stimme durch die Tür. »Aber, was ich zu sagen habe, ist wichtig. Wirklich wichtig. Wenn Ihr also Euer Schäferstündchen unterbrechen könntet und ...«

Weiter kam er nicht, denn Ejahl hatte den Schlüssel im Schloss umgedreht und die Tür aufgerissen. »Ich habe geschlafen«, stellte er richtig. »Was ist los?«

Eugenes Blick richtete sich erst auf den Raben, der mit verschränkten Armen hinter Ejahl stand, dann auf den Meisterdieb selbst. »Oh, ich ...«, stammelte er. »Ihr schlaft echt im selben Zimmer? Haltet Ihr das überhaupt aus?«

»Mercer«, schnitt sich Kematians Stimme zwischen dessen Worte. »Sag, was du zu sagen hast.«

»Natürlich.« Eugene räusperte sich. »Ich habe versucht, alles in die Wege zu leiten, um Viera und Ava zurückzuholen, aber es gab dabei ein kleines Problem. Ava ist zurückgekehrt, doch sie meinte, dass Viera in der Nacht verschwunden ist.«

Ejahl schloss für einen Moment die Augen und rieb sich den Nasenrücken. »Warum kann nie etwas nicht schrecklich laufen?«

In der Ferne erklang das Rasseln von Ketten. Hinter Bergen und dem Rauschen von Flüssen trug der Wind es heran. Im ersten Moment nahm Ejahl es nicht wahr, bis eine Gestalt in Violett im Flur auftauchte und an ihrer Seite ein Elf in dunkle Roben gehüllt, dessen weiße Haare zurückgeflochten waren und violette Perlen trugen. Lloyds Hand war um einen Gehstock geschlossen, für den Fall, dass der Erzähler ihn nicht ewig stützen würde.

Eugene entfuhr ein Aufschrei. Er machte einen Satz zur Seite und versuchte, nach dem Dolch an seinem Gürtel zu greifen. Mit zitternden Händen scheiterte er, ihn zu zücken.

»Lass gut sein«, sagte Ejahl.

»Aber ... das ...«, stammelte der junge Mann und starrte auf die Neuankömmlinge. »Aber wie? Was?«

»Guten Tag, meine Werten«, sprach Murasaki. »Es wird Zeit, dass ich Euch mit meiner Anwesenheit beehre.«

»Wer ist das?«, flüsterte Eugene und schob sich an den Meisterdieb heran.

Dieser winkte ab und wandte sich den beiden Ankömmlingen zu. »Ich nehme an, Ihr seid nicht nur hier, um uns zu stören.«

»Mit meiner Anwesenheit zu beehren«, korrigierte der Erzähler. »Und nein, das ist nicht der einzige Grund. Mich hat außerdem brennend interessiert, ob Ihr noch lebt oder ob er Euch schon umgebracht hat.«

Lloyd lehnte sich leicht zu ihm. »Wer ist alles hier?«, fragte er leise.

»Ejahl«, sagte Murasaki. »Kematian.«

Der Elf schluckte und schob sich einen Schritt an den Erzähler heran. Dieser legte seine Hand auf Lloyds, die auf seinem Arm ruhte, und drückte sie leicht. »Und dann haben wir noch Kiran.«

Eugene wedelte mit den Händen. »Nicht so laut. Meine Güte, das ...« Er brach ab, wedelte aber weiter mit den Händen. Er erntete einen kurzen Blick aus Murasakis goldenen Augen, unter dem er den Kopf einzog.

»Es weiß hier ohnehin jeder«, sprach der Erzähler, aber ihm zuliebe, stellte er ihn anders vor. »Eugene Mercer. Ihr habt ihn als Kiran kennengelernt.«

The Tale of Greed and VirtueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt