Hochmut III

20 7 11
                                    

Funken stoben um den Stein herum, legten sich auf die schwarze Oberfläche und brannten sich ihren Weg hinein. Das Licht wurde heller. Zuerst glich es noch dem sanften Glühen von Kohle, dann einer Flamme und nur Sekunden später einem Sonnenstrahl, sodass Ejahl seinen Blick abwandte. Er hörte nur, wie Lloyd nach Luft schnappte.

Nach einigen Momenten dämmte sich das Licht und Ejahl sah wieder hin.

Der Erzähler ließ seine Hand sinken, die er vor Lloyds Augen gehalten hatte.

»Ich konnte es sehen«, flüsterte der Elf und wandte sich zu Murasaki. »Warum konnte ich es sehen?«

»Euch wurde vielleicht das Augenlicht genommen, aber Göttlichkeit bleibt trotzdem auch für Euch noch sichtbar.«

»Das war Göttlichkeit?«

Jedes Mal, wenn die beiden miteinander sprachen, beschlich Ejahl die Ahnung, dass es noch tiefere Abgründe in dieser Welt gab. Abgründe, in die nie ein Lichtstrahl gefallen war und in die er nie blicken wollte. Er hatte gesehen, welche Dunkelheiten diese Welt bereit hielt und gedacht, finsterer ging es nicht. Er wollte nicht tiefer stürzen, nicht herausfinden, was es mit dem Erzähler auf sich hatte oder was Lloyd widerfahren war, als er ein Tyrann geworden war. Er wollte nichts von Göttlichkeit oder Göttern hören.

»So«, sagte er und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf sich. »Ihr habt bekommen, was Ihr wolltet.« Er streckte die Hand aus. »Gebt mir die Phiole und dann geht.«

Murasakis Blick schweifte zu ihm. Das Gold in seinen Augen zeigte weiterhin keine Wärme. »Ich werde nicht gern rausgeworfen«, sagte er. »Aber ich verstehe.« Er zog das Fläschchen hervor und reichte es an den Meisterdieb.

»Und du, Mädchen«, sprach er zu Ava, die sich mittlerweile wieder erhoben hatte, »hast du jemals darüber nachgedacht, eine Göttin zu stürzen?«

Sie sah fragend zu Ejahl, der auch nur mit den Schultern zucken konnte.

»Das reicht mir als Antwort«, sagte Murasaki. »Vielleicht solltest du anfangen, darüber nachzudenken. Doch nun genug davon.«

Lloyd verstaute den Stein, der nun wieder schwarz glänzte, unter seinem Umhang. Etwas an ihm war anders. Er strahlte eine gewisse Wärme aus, als könnte er jeden Moment aufs Neue zu einer kleinen Sonne werden.

Der Elf tastete nach Murasakis Arm und ergriff ihn. »Habt Dank«, sagte er an Ejahl und Ava gerichtet.

»Dann auf auf, mein Werter«, sprach der Erzähler. »Wir haben Engel zu stürzen.«

Und mit diesen Worten waren beide verschwunden und Ava und Ejahl standen allein im Raum.

»Das war ... seltsam«, murmelte Ava und strich sich durch die blonden Haare. »Warum war das so seltsam?«

»Frag mich was Leichteres«, sagte Ejahl. »Mach dir am besten nicht zu viele Gedanken drüber und leg dich vor allem mit keiner Gottheit an.«

»Hatte ich nicht vor.«

»Gut.« Er stieß ein Seufzen aus. »Wenn das nun geklärt ist, ich muss mich um Geschäftliches kümmern.«

»Geschäftliches?«, echote Ava. Das Blau in ihren Augen erkaltete, als hätte sie gerade in diesem Moment bemerkt, dass sie ihren Streit mit ihm eigentlich noch nicht beigelegt hatte.

Er hob seine verbundene Hand. »Ich wurde verraten. Und ich lasse mich nicht verraten.«

»Oh«, machte sie. »Hat ... hat Vs Verschwinden was damit zu tun?«

Ejahl schloss kurz die Augen. »Möglicherweise.«

»Dann –«

»Nein«, unterbrach er sie. »Du bleibst hier. Ich brauche jemanden, der hier auf die Diebe aufpasst.«

The Tale of Greed and VirtueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt