In Staub und Knochen I

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»Wir holen uns nicht mehr, als uns zusteht«, sagte Aithon. Weitere Blitze schossen aus den Wolken und auf die Templer zu.

Ejahl suchte nach Reia, die er an Aithons Seite vermutete, doch in der Menge aus Magiern und Templern, aus Feuer und Schwertern, sah er sie nicht.

»Wir wollen nur dieselben Rechte, wie sie einem jeden anderen auch zustehen«, fuhr Aithon fort. »Ein Recht darauf, zu lieben und eine Familie zu gründen, zu entscheiden, wo wir wohnen. Ein Recht, zu leben, ohne gejagt zu werden.«

Einen Pfeil, der auf ihn zuraste, wischte er mit einer einfachen Handbewegung fort. Auf einen Templer, der sich mit gezogenem Schwert zu ihm bewegte, ließ er einen Blitz fahren.

»Ein Recht auf Freiheit«, rief er über den Lärm hinweg. »Und von dem heutigen Tag an wird es uns niemand mehr verwehren.«

Sein Blick schweifte über den Platz und blieb an dem Meisterdieb hängen. Zweifel blitzte in seinen Augen auf, dann Sorge.

»Geh!«, rief Aithon, doch diesmal nicht zur Menge. »Vertrau mir.«

Ejahl nickte knapp und wandte sich ab. Er gehörte weder zu den Templern noch zu den Magiern und würde daher von beiden Seiten als Feind gesehen werden.

»Wir gehen«, sagte er zu Sorah und Kematian und eilte los.



Erst als er schon einige Straßen von dem Zirkel entfernt war, drosselte er seine Geschwindigkeit. »Wir müssen die anderen warnen«, sagte er. »Und sie am besten dazu bringen, Kastolat zu verlassen. Was auch immer heute geschehen wird, es ist zu gefährlich, hier zu bleiben.«

Kematian nahm Ejahl am Arm und hielt ihn auf. »Die Raben bemerken sicherlich, was vor sich geht.«

Eine kalte Faust drehte Ejahl den Magen um, noch bevor Kematian die nächsten Worte sprach.

»Ich gehe in die Katakomben und achte darauf, dass kein Rabe entkommt.«

»Das kann ich nicht ...«, setzte Ejahl an.

»Mir wird nichts geschehen«, versicherte Kematian ihm. Er beugte sich zu ihm und drückte sanft seine Lippen auf dessen.

Ejahl versuchte, den Geschmack des Abschiedes hinunterzuschlucken. Es wird alles gut, redete er sich ein. Kematian war schließlich nicht nur einer der fähigsten Kämpfer, die er kannte, sondern auch ein Vampir.

Doch eine leise Stimme flüsterte ihm anderes ein. Sie sagte ihm, dass der Rabe zwar schwer zu töten, aber nicht unsterblich war.

Er strich Kematian über die Wange. »Lass mich nicht zu lange warten«, sagte und schloss ihn in seine Arme. Als er sich wieder von ihm löste, schenkte er ihm ein schwaches Lächeln, das die Bitterkeit aber nicht gänzlich vertreiben konnte.

Kematian nickte nur als Antwort und wandte sich in die andere Richtung. Für einen Moment sah Ejahl ihm nach, bis er in den Gassen verschwand.

»Dann weiter«, sagte er. Noch ehe er einen Schritt machen konnte, erzitterte der Boden unter seinen Füßen. Er drehte sich zu der Mauer des Zirkels. Kleine Steinchen rieselten an ihr herab und prophezeiten das Chaos, das in dem Inneren vor sich ging.

Rauch beschwerte die Luft und Ejahl hustete. Er schluckte den metallischen Geschmack in seinem Mund hinunter und machte sich auf den Weg. Eile war geboten.

In der Nähe des Diebesversteckes deutete er eine Straße entlang. »Am Ende findet Ihr ein Gasthaus«, sagte er zu Sorah. »Dort sollten Eugene und Fastald sein. Gebt ihnen Bescheid, dass sie die Stadt verlassen und in das Kestrel-Anwesen nördlich von hier gehen sollen. Und begleitet sie.«

The Tale of Greed and VirtueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt