Ein ganz besonderes Spiel

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Am nächsten Morgen erwachte Harry und blickte in ein Paar silbergrauer Augen, die ihn nachdenklich musterten.

„Morgen", gähnte er müde, als ihm plötzlich die gestrigen Erlebnisse wieder einfielen. Prompt lief er wieder rot an und auch Draco fühlte sich sichtlich unwohl. Der Blonde war sich sicher, dass seine immer stärker werdenden Gefühle von Harry nicht erwidert wurden. Um nicht sein Gesicht zu verlieren, richtete er mit Eisesmiene das Wort an den Dunkelhaarigen: „Du, Potter, wegen gestern - ich finde, wir sollten der Angelegenheit nicht zu große Bedeutung beimessen. Wir waren beide betrunken und wurden herausgefordert. Mehr war nicht. Ich stehe nicht auf Jungs und Du sicher auch nicht. Belassen wir es dabei."

Ohne auf den Schmerz in Harrys Augen einzugehen, griff Draco nach seiner Kleidung und verschwand im Badezimmer. Wie vom Donner gerührt saß Harry aufrecht in seinem Bett. Die Kühle des Blonden, mit der er ihm klargemacht hatte, dass er nichts von ihm wollte, verletzte den jungen Zauberer. Er hatte zwar befürchtet, dass Draco genau das sagen würde, trotzdem hatte er gehofft, dass der Andere seine Gefühle erwidern würde. Nun saß Harry da und fühlte, wie sein Herz brach.

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Der Zufall wollte es, dass Draco im Badezimmer auf Blaise traf, der unter der Dusche stand und vergnügt ein Liedchen pfiff. Nach der heißen Liebesnacht mit Neville war er blendender Laune und strahlte geradezu vor Glück.

„Morgen Draco", begrüßte er seinen besten Freund. „Hattet Ihr gestern noch viel Spaß?" Gereizt fauchte der Blonde ihn an: „Erstens geht es Dich nichts an und zweitens, nur zu Deiner Information, ist rein gar nichts passiert!"

„Ui, da ist aber jemand aufgebracht? Nicht zum Zug gekommen oder was ist los mit Dir? Jeder konnte gestern Abend sehen, dass die Luft zwischen Euch förmlich brannte."

„Zabini, in diesem Fall würde ich Dir dringend einen Optiker empfehlen. Das Einzige, was brannte, war der Feuerwhiskey in meiner Kehle. Ich stehe nicht auf Männer, so einfach ist das! Das habe ich Ha... Potter gerade auch gesagt."

„Und wie hat er das aufgenommen?", erkundigte sich Blaise besorgt. Er mochte Harry und hatte instinktiv erkannt, dass sich der ehemalige Gryffindor in den Eisprinzen verliebt hatte. Es war aber auch zu verzwickt, dass Draco nicht einfach zu seinen Gefühlen stand. Denn dass der Blonde ebenfalls sehr viel für Harry empfand, konnte er vielleicht vor den anderen verbergen, nicht aber vor seinem besten Freund.

„Das ist mir, ehrlich gesagt, ziemlich egal!", schnarrte Draco. „Ich wäre Dir jedoch sehr verbunden, wenn Du endlich Platz machen würdest. Andere Leute wollen auch noch duschen!"

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Während Draco unter der Dusche stand und versuchte, sein schlechtes Gewissen durch das Abschrubben von imaginärem Schmutz zu beruhigen, war Blaise sofort zu Neville geeilt und hatte ihn über die neuesten Geschehnisse informiert.

„Das darf doch nicht wahr sein!", empörte sich der ehemalige Gryffindor. „Wir alle haben gesehen, mit welcher Hingabe sie sich geküsst haben. Wo liegt Malfoys Problem, verdammt!"

„Ich fürchte, da müssen wir wohl ein wenig nachhelfen", erklärte Blaise und überlegte, wie er das am besten anstellen könnte.


Da dieser Tag ein Sonntag war, hatten die Schüler keinen Unterricht. Für Harry war diese Aussicht alles andere als verlockend, denn das hieß, dass er Draco den ganzen Tag über sehen würde. Der Blonde ließ sich jedoch nur bei den Mahlzeiten blicken und verschwand vom Tisch, ehe der Nachtisch aufgegessen war.

„Hey, Draco!", flitzte Blaise seinem Freund nach dem Abendessen hinterher. „Wo willst Du denn jetzt schon wieder hin? Wo warst Du eigentlich den ganzen Tag?"

Blaise verschwieg seinem Freund, dass die restlichen Dumblesnape-Schüler entsetzt festgestellt hatten, wie sehr Harry unter Dracos kalten Worten litt. Er hatte nur das Nötigste gesprochen und war nach dem Essen gleich in seinem Zimmer verschwunden, um nachzudenken.

Hermine, Ron und Neville machten sich große Sorgen um ihren Freund, in dieser Stimmung war er zuletzt nach Sirius' Tod gewesen. Sie hatten Angst, dass Dracos Zurückweisung nun die alten Wunden erneut aufgerissen hatte, kamen aber nicht an Harry heran.
Auch Theo und Milli zeigten sich besorgt, wollten ihrem Hausgefährten helfen und überlegten gemeinsam mit den anderen, was sie tun konnten.

Draco warf seinem besten Freund einen abschätzigen Blick zu. „Wenn Du mich suchst, ich bin bei den Hufflepuffs."

„Was machst Du denn bei denen? Nachhilfe geben?"

„Etwas in der Art, ja. Ich zeige nämlich der kleinen Branstone meinen Zauberstab." Draco wandte sich zum Gehen und ließ Blaise ziemlich bedröppelt stehen. „Das glaub ich jetzt einfach nicht", murmelte dieser verdattert.

In den Abendstunden hatte sich Harry dann doch noch im Gemeinschaftsraum der Dumblesnapes eingefunden, er wirkte ziemlich blass und hatte gerötete Augen, bemühte sich jedoch, den anderen gegenüber nichts von seinem Kummer zu zeigen. Denn damit musste er allein klarkommen! Unter Protest ließ er sich von Ron überreden, mit ihm Schach zu spielen. Der Rothaarige wollte seinen Freund zwar gewinnen lassen, aber Harrys Züge waren so schlecht, dass Ron trotz zögerlichen Spiels dessen Figuren vom Brett fegte.

Genau in dem Moment, als Harry mattgesetzt wurde, öffnete sich die Tür und ein hochnäsig dreinsehender Draco kam herein. Er warf einen Blick auf die Stellung, schüttelte den Kopf und schnarrte: „Mein Gott, Weasley, brauchst Du nun schon so dringend ein Erfolgserlebnis, dass Du mit diesem Stümper spielst?"

Blaise sprang auf. „Draco, halt die...!" Noch bevor er jedoch ausreden konnte, war Harry aufgesprungen und in sein Zimmer gelaufen. Fassungslose Blicke folgten ihm. Hermine kochte vor Wut. „Jetzt hör mir mal gut zu, Frettchen! Was Du hier abziehst, ist unter aller Würde! Ich dachte, Du hättest Dich verändert! Seit heute Morgen bist Du jedoch wieder der gleiche eiskalte, arrogante Kotzbrocken, der Du immer warst! Verdammt noch mal, reiß Dich zusammen! Harry hat Dir nichts getan und Du verletzt ihn so! Was soll das Ganze?"

Die Hexe zitterte vor Wut, ihre Augen blitzten und es war ihr anzusehen, dass sie dem Blonden am liebsten einen Haken verpasst hätte. Draco blickte sie entgeistert an. Wann hatte er Harry denn verletzt? Der Dunkelhaarige sagte doch selbst, dass er im Schach ein Stümper war! War es denn möglich, dass Harry genauso empfand wie er? Fragend wandte er sich an Theo, der jedoch warf seinem langjährigen Freund einen abschätzigen Blick zu und erklärte: „Du brauchst mich gar nicht so anzusehen. Ich finde, Hermine hat Recht!" Milli nickte zustimmend.

Blaise baute sich vor Draco auf. „Wenn Du willst, dass wir Freunde bleiben, dann gehst Du jetzt nach oben und sprichst Dich mit Harry aus. Ich teile nämlich ebenfalls Hermines Meinung!"

Der Blonde fühlte sich sehr unbehaglich. Im tiefsten Inneren seines Herzens hörte er ein leises Stimmchen, dass ihm versicherte, dass die anderen wirklich Recht hatten. Seine Verabredung mit Eleanor Branstone war nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Zwar hatte ihn die Hexe geküsst, doch als Draco die Augen schloss, sah er Harrys Gesicht vor sich. Das Ziehen in seiner Brust bei diesem Gedanken war unerträglich gewesen und so hatte der Blonde die Hufflepuff-Schülerin schließlich mit einer faulen Ausrede einfach sitzenlassen und war getürmt.

„Okay, ich geh' ja schon", brummte er und stieg langsam die Treppe hinauf. Als er die Zimmertür öffnete, hörte er das verzweifelte Schluchzen Harrys, Dracos Herz quoll über vor Mitgefühl, doch das durfte er dem Anderen nicht zeigen. Er warf einen prüfenden Blick in den Raum, erschrak, er sah Harry nicht. Leise folgte er den Geräuschen und blieb dann vor dem Bett stehen. Der Dunkelhaarige hatte sich in der hintersten Ecke des Zimmers zusammengerollt, seine Arme vor das Gesicht geschlagen. Seine Schultern zuckten heftig. Mit einem Wink seines Zauberstabs schloss Draco leise die Tür. Das hier war eine Sache zwischen Harry und ihm, die Einmischung der anderen Dumblesnapes war in diesem Fall nicht erwünscht.

Er kniete sich zu dem am Boden kauernden Harry und strich ihm über den schwarzen Wuschelkopf. „Hey", flüsterte er leise, „ich hab's nicht böse gemeint. Entschuldige, Harry." Harry hob den Kopf und richtete seine rotgeweinten Augen auf Dracos Gesicht. „Hau ab!", presste er heraus. „Geh zu den anderen und erzähl ihnen, dass ich ein heulendes Etwas bin!"

„Es tut mir leid!" Verzweiflung klang aus Dracos Stimme. Harrys Kummer brach ihm fast das Herz, zumal er ganz genau wusste, dass er allein der Grund dafür war. „Ich wollte Dir wirklich nicht wehtun. Und das heute Morgen... Ich hab's nicht so gemeint. Es ist nur ..."

„Ja, ich weiß. Du stehst nicht auf Jungs und wäre das Spiel nicht gewesen, hättest Du mich nie geküsst!" Der Schmerz in Harrys Worten drang bis zu Draco durch. „Stimmt, ich hätte Dich nie geküsst. Aber jetzt weiß ich, wie Deine Küsse schmecken, Harry. Es hat mir gefallen, mehr noch, es hat mich erregt!"

„Ach ja? Und darum bist Du auch ins Badezimmer gelaufen und hast Dir einen von der Palme gewedelt, während Du an irgendeine Hexe gedacht hast! Wahrscheinlich an die, bei der Du heute den ganzen Tag warst!", rief Harry verzweifelt aus, erneut füllten sich seine Augen mit Tränen.

Draco war peinlich berührt, dass sein Tun offenbar nicht unbemerkt geblieben war, konnte sich aber selbst zusammenreimen, dass Harry nicht bis zum Schluss geblieben war. Der ehemalige Gryffindor hätte sicher anders reagiert, wenn er gehört hätte, wem Dracos Gedanken bei seiner lustvollen Tätigkeit galten.

„Harry", antwortete er ruhig, obwohl alles in seinem Inneren schrie. „Ich habe dabei nicht an eine Hexe gedacht und schon gar nicht Branstone. Du warst es. Ich habe mir in diesem Augenblick nichts sehnlicher gewünscht, als dass es Deine Hände gewesen wären!"

„Wir...Wirklich?", schniefte Harry.

„Wirklich!", bestätigte Draco und tat nun das, wonach er sich wirklich sehnte, das, was er am besten heute Morgen schon hätte tun sollen. Ehe Harry recht wusste, wie ihm geschah, fühlte er die weichen Lippen des Blonden auf den seinen. Zögerlich erwiderte er den Kuss, brach ihn aber schnell ab. „Draco, bitte spiel nicht mit mir, wenn es Dir nicht ernst ist!", erklärte er, pure Verzweiflung klang aus seiner Stimme.

„Mir war noch nie etwas so ernst wie das", erwiderte der Blonde und zog Harry ganz nah an sich heran. ‚Dann bin ich eben schwul, was soll's?', dachte er noch, bevor er den Dunkelhaarigen erneut leidenschaftlich küsste.


Jubel und anerkennende Pfiffe ertönten, als die beiden wenig später gemeinsam in den Gemeinschaftsraum kamen. Draco hatte seinen Arm besitzergreifend um Harrys Taille gelegt und schnarrte die begeisterten Zuschauer an: „Gibt's hier was zu glotzen? Nein!"

„So, Malfoy, dann lass es uns ein für allemal klären, wer hier der Stümper ist", forderte Ron den Blonden frech zum Duell. „Aber diesmal machen wir es spannender, okay?"

„Was hast Du vor, Weasley?", fragte Draco misstrauisch. Der Rothaarige grinste ihn keck an.

„Was hältst Du denn von einer Partie auf einem etwas größeren Brett?"

„RON!", schimpfte Hermine. „Du willst doch nicht etwa...?"

„Doch, ich möchte eine Partie mit McGonagalls großem Schachbrett spielen!"

Draco staunte, er hatte keine Ahnung gehabt, dass es in Hogwarts ein großes Schachbrett gab. Wieder einmal musste er feststellen, dass das „Goldene Trio" während der bisherigen Schulzeit wohl wesentlich mehr erlebt hatte als er. ‚Irgendwann muss Harry mir alles erzählen', schwor er sich.

Die anderen sechs Dumblesnape-Schüler wollten ihre Hausgefährten nicht allein lassen und beschlossen, einen kleinen nächtlichen Ausflug zu wagen. Das Risiko, dabei erwischt zu werden, war relativ gering. Filch schien es immer noch nicht begriffen zu haben, dass es jetzt ein fünftes Haus in Hogwarts gab, ein Haus, in dem sich zufälligerweise die größten Unruhestifter seit den Weasley-Zwillingen befanden. Der Mut und Leichtsinn, den die Gryffindors verkörperten, wurde durch die List und Tücke der Slytherins noch verstärkt, und so verließen die Schüler leise ihren Gemeinschaftsraum und liefen zu der Tür, hinter der damals Fluffy den Zugang zur Kammer bewacht hatte.

Die Falltür war immer noch darin. Harry öffnete sie und blickte in die bodenlose Schwärze. Im Gegensatz zum letzten Mal war nun allerdings eine Leiter angebracht worden. Harry überlegte kurz und beschloss dann, dass dies wohl Dumbledores Werk gewesen war, der ihn aus der Kammer des Steins gerettet hatte. Nach und nach kletterte ein Schüler nach dem anderen die Leiter hinab.

Harry war der Erste, ihm folgte Draco, nach diesem kletterten Theo, Milli, Neville und Blaise die Leiter hinab. Hermine und Ron bildeten das Schlusslicht der Truppe. Kalte, feuchte Luft war in diesem Schacht und Blaise bedauerte, nicht im gemütlichen, warmen Gemeinschaftsraum geblieben zu sein. Er und Neville hätten jetzt so viele schöne Dinge tun können!

„Wir müssen tief unter der Schule sein", stellte Blaise fest, als sie schließlich endlich das Ende der Leiter erreicht hatten. Die Luke über ihnen wirkte so klein wie eine Briefmarke.

„Hier war früher eine Teufelsschlinge", erklärte Ron lachend. „Und meine liebe Freundin wusste zwar, dass man ein Feuer machen sollte, da dieses entzückende Pflänzchen Dunkelheit und Feuchtigkeit liebt, hatte allerdings das Problem, dass kein Holz vorhanden war - AUA!"

Natürlich hatte Hermine dem Frechdachs dafür wieder eine Kopfnuss verpasst, das war Ron aber schon gewohnt. Noch immer konnte sich die Hexe so herrlich darüber aufregen, wenn man ihr die kleinen Fehlerchen vorhielt. Doch der Rothaarige war der Meinung, das ab und zu tun zu müssen, damit sie nicht größenwahnsinnig wurde.

Aus diesem Raum führte ein steinerner Gang, Theo fand das Ganze einfach nur noch aufregend. Außerdem kuschelte sich Milli ängstlich an ihn, so dass er voll in der Rolle als Beschützer aufgehen konnte.

Sie erreichten das Ende des Ganges und sahen wieder die hell erleuchtete Gruft, in der Harry in seinem ersten Schuljahr den richtigen Schlüssel hatte suchen müssen. Damals war es ihm zugute gekommen, dass er ein so exzellenter Sucher war. Die schwere Holztür ließ sich diesmal ohne Schlüssel öffnen, ein einfacher Alohomora genügte.

Dunkel lag die nächste Gruft vor ihnen, doch sobald sie den Raum betreten hatten, durchflutete helles Licht den Raum. Sie waren am Ziel angekommen.

Staunend blickten sich Theo, Blaise, Draco, Milli und Neville an. Dieses Schachbrett war riesig! Links von ihnen standen die schwarzen Schachfiguren, rechts die weißen. Jede der Figuren war größer als sie, selbst die kleinen Bauern überragten Ron, der der Größte der Dumblesnapes war, um gute 20 cm.

Das goldene Trio kannte das Spiel schon. Niemals würden sie diese Nacht vergessen, in der sie vermeintlich Snape verfolgt hatten, der im Auftrag Voldemorts den Stein stehlen sollte. Erst zum Schluss hatte sich herausgestellt, dass es der damalige VgddK-Lehrer Quirrell war, der dem Dunklen Lord seinen Körper angeboten hatte.

Ron ging zu einem der beiden Springer, diese Figur war schon immer seine Lieblingsfigur gewesen. Er erkannte ihn wieder, auf ihm sitzend hatte er sich damals geopfert, um Hermine und Harry den Durchgang zu ermöglichen.

Der schwarze Springer erkannte seinen früheren Reiter wieder. „Ist der Durchlass dein Begehr, so spiele mit uns. Suchst Du jedoch das Geheimnis, das hier verborgen liegt, so folge meinem Pfade, auf dass die Tour geschlossen ist. Meine Dame bewacht das Feld, an dem alles seinen Anfang nimmt. Unter dem Feld der unendlichen Zahl verborgen liegt das Mysterium, geschützt vor allem, das es zu vernichten sucht."

Dass Ron und Draco ursprünglich hatten spielen wollen, war vergessen. Die Gryffindors zweifelten ein wenig, ihr Bedarf an Abenteuern war eigentlich gedeckt, jedoch waren sie von Haus aus neugierig. Welches Geheimnis verbargen diese 64 Felder? Und was bedeuteten die Worte des Springers? Auch in den Slytherins erwachte die Abenteuerlust.

Nach sehr kurzer Beratung waren sich alle acht einig. Sie wollten das Geheimnis suchen.
Der Springer nickte und wie von Geisterhand verschwanden die anderen Schachfiguren. Gleichzeitig fiel die Tür, durch welche die Dumblesnape-Schüler die Gruft betreten hatten, krachend ins Schloss. Nur der Springer blieb zurück und richtete seine letzten Worte an die Zaubererschar: „Das Spiel beginnt, in 8x8 Minuten wird es enden! Der Tod erwartet den, der scheitert!" Dann löste auch er sich auf. Gleichzeitig erschien auf der gegenüberliegenden Seite eine große Sanduhr, die zu laufen begann.

„Dieser idiotische Gaul!", schimpfte Theo. „Hätte er uns das nicht eher sagen können?" Er war sehr ungehalten und keifte weiter, während Ron und Draco sich zögernd ansahen. Es lag an ihnen, ob sie das Mysterium lüften konnten. Unter einem dieser 64 Felder lag etwas verborgen, ein Schatz, den sie unbedingt bergen mussten.

„Mal überlegen", brummte der Rothaarige. „Meine Dame bewacht das Feld, an dem alles seinen Anfang nimmt. Der Springer war schwarz, also ist unser Ausgangsfeld D8."

Er und Draco versuchten gemeinsam, einen Sinn in die rätselhaften Worte des Springers zu bringen. Beide spielten zwar hervorragend Schach, aber mit Springertouren hatten sie sich bislang nicht beschäftigt. Sie sahen darin einfach Kindereien, die nur vom Wesentlichen, dem Zermalmen des Gegners auf dem Brett, abhielten.

„Was heißt das überhaupt, geschlossene Tour?", erkundigte sich Harry neugierig. Draco unterbrach seine Überlegungen. „Du weißt ja, wie ein Springer zieht, immer zwei Felder gerade in eine Richtung und dann ein Feld zur Seite, so dass sich bei jedem Zug die Farbe seines Standfeldes ändert. Bei einer Springertour landet er nacheinander auf jedem einzelnen Feld des Spielbretts, ohne ein Feld auszulassen oder doppelt zu besuchen. Und wenn er nach dem 64. Zug wieder auf dem Ausgangsfeld steht, ist das eine geschlossene Springertour!"

Ron nickte bekräftigend.

„Aha", murmelte Harry, der den Ausführungen des Blonden nicht hatte folgen können.
„Wenn wir einfach alle 64 Platten aufheben und nachschauen, ob was darunter ist, könntet Ihr Euch die ganze Denkarbeit sparen", meinte er schließlich, schwang den Zauberstab und vollführte ein Wutschen und Wedeln. Dazu sprach er die Worte „Wingardium leviosa", wie er es in seinem ersten Schuljahr gelernt hatte.

Dröhnend erhob sich die schwarze Platte vom Brett, schwebte hoch in der Luft, ehe sie sanft am Rand des Brettes zu Boden glitt.

Plötzlich ertönte ein immer lauter werdendes Summen und Harry hatte das Gefühl, eine große Dummheit begangen zu haben. Was immer unter der Platte war, kam nun zum Vorschein.

„Raus hier!", brüllte Theo und schob Milli zur Tür. Diese jedoch war verschlossen und kein Zauber vermochte sie zu öffnen.

Entsetzt beobachtete Hermine, wie sich ein Schwarm Wespen aus dem Loch erhob. Die Insekten waren riesig, etwa so groß wie ihre Handteller. Hinzu kam, dass sie in ihrer Jahrhunderte langen Ruhe gestört worden waren. Nun wollten sie nur eines: Rache.

Wütend stürzten sie sich auf die Zauberer und Hexen, die nicht so schnell reagieren konnten, wie sie angegriffen wurden. Laut schrien die Gestochenen auf, die Biester schienen zu allem Überfluss auch noch giftig zu sein. Die Stellen, die sie erreichten, schwollen in Windeseile an.

Hermine versuchte, sich mit einem Feuerschild gegen die fliegenden Monster zu wehren. Während sie jedoch von vorne die Insekten blockte, näherten sich die nächsten Wespen umso wütender von hinten.

Milli schrie verzweifelt auf, sie glich immer mehr einer besonders verbeulten Kartoffel.

Während Ron seiner Freundin zu Hilfe eilte und mit einem weiteren Feuerschild deren Rückseite schützte, hastete Draco wild um sich schlagend auf Harry zu, der ebenfalls einen erbitterten, wenn auch aussichtslosen Kampf gegen die Insekten führte.

„Verdammt, Harry, zaubere die Platte wieder auf das Loch, sonst stechen uns die Viecher hier tot!", keifte er und versuchte, die Wespen nacheinander mit gezielten Schockzaubern zu treffen.

„Wie denn?!", schrie Harry ihn an. „Wie soll ich mich auf einen Zauber konzentrieren, wenn die Gegner immer mehr werden?"

„Eben darum sollst Du das Loch auch schließen!", brüllte Draco zurück und schlug wild um sich. Er mochte diese Insekten schon in Normalgröße nicht, an diesen Monstern hätte höchstens Hagrid seine Freude gehabt. Hinzu kam, dass die ohnehin schon vorhandene zahlenmäßige Überlegenheit der Wespen mit jeder Minute stieg.

Blaise und Neville machten es Ron und Hermine nach, so dass sie wenigstens ein paar Tiere abwehren konnten. Theo versuchte, Milli freizukämpfen, wie ein Berserker stieß er Flammenstöße in die dicht gedrängten Wespenwolken.

Ron und Hermine bewegten sich auf Blaise und Neville zu, die Hexe hatte eine Idee. Normale Insekten erstarrten bei Kälte, vielleicht würden es auch die magischen Verwandten der Wespen tun.

„Ihr drei müsst mich für einen Augenblick abschirmen", zischte sie den Zauberern zu, ehe sie einen Gefrierzauber über die Gruft legte.

Schlagartig wurde es eiskalt. Der heiße Atem der Zauberer dampfte förmlich in der Luft, Hermine zitterte. Jedoch war sie nicht die Einzige, die fror. Die Wespen wurden langsamer, weniger aggressiv, bis sie schließlich endgültig erstarrten und zu Boden fielen.

„Sssso, jjjetzt wwwwerfen wwir sssie aaallle zzzzurück iiins Lllloch uuuund ddddann zzzzauberst Ddddu ddddie Pppplatte wwwwieder dddrauf", schnatterte Draco vor Kälte, seine Lippen waren schon blau angelaufen und er fühlte sich sichtlich unwohl.

Die Wespen, die noch herausfliegen wollten, wurden durch die Kälte und die starren Leiber ihrer schockgefrosteten Artgenossen davon abgehalten. Seufzend bibberte Harry den Zauber ein weiteres Mal und das Loch schloss sich.

„Mmmmach ssssowas nnnnie wwwieder, jja?", zitterte Draco, was der Dunkelhaarige nur zu gerne versprach. Zu größeren Gefühlsausbrüchen war der Blonde zum Glück nicht fähig.

Hermine sprach einen Wärmezauber aus und sehr schnell tauten die Zauberer wieder auf. Das Gute an der Kälte war, dass sich dadurch das Gift der Wespen nicht weiter ausgebreitet hatte, Theo und Milli hatten auch so alle Hände voll zu tun, bis sie die zerstochenen Zauberer, Hermine und sich selbst geheilt hatten. Nur ein paar kleine Stiche deuteten auf das soeben Erlebte hin.

„Das nächste Mal lässt Du den Quatsch lieber bleiben!", warnte Ron seinen Freund. „Ohne diese Schnapsidee hätten wir das Rätsel nämlich schon geknackt." Er deutete auf die Sanduhr, mehr als die Hälfte des Sandes lag schon im unteren Teil.

Ron zauberte für sich und Draco ein Stück Pergament und eine Feder herbei, gemeinsam gingen sie Feld für Feld durch, bis Draco schließlich erleichtert aufrief: „Okay, wir haben die Tour! – Jetzt stellt sich nur die Frage, was um Merlins Willen der Springer mit der unendlichen Zahl gemeint hat."

Hermine grübelte. Theo dachte nach. Blaise und Neville lagen sich schluchzend in den Armen. Kaum dass sie einander gefunden hatten, mussten sie schon sterben! Milli versuchte, die Sanduhr magisch aufzuhalten. Harry hatte ein schlechtes Gewissen, Draco und Ron zuckten mit den Schultern, sie hatten ihr Möglichstes getan.

Plötzlich rief Theo auf: „Ich hab's! Eine unendliche Zahl kann ja nur eine Zahl sein, die keinen Anfang und kein Ende hat!"

„Und wie soll uns das weiterhelfen?", raunzte Draco wütend.

„Ganz einfach, es gibt nur zwei solche Zahlen. Die eine ist die Null, das ist aber Blödsinn, weil unsere gesuchte Zahl irgendeinen Wert haben muss. Und die zweite ist die Acht. Wenn man die 8 zur Seite dreht, erhält man das Zeichen für unendlich. Also brauchen wir das achte Feld auf der Tour, wenn man D8 als erstes Feld nimmt!"

Der Magische Schild - HP FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt