Severus in Aktion

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Noch ehe Draco etwas auf diese verblüffende Eröffnung seines Freundes sagen konnte, schaltete sich Snape wieder in das Gespräch ein. „Könnten Sie beide DAS vielleicht später klären? Immerhin gibt es wesentlich Wichtigeres als der Vergangenheit nachzuhängen. Ich befürchte allerdings, dass ich Ihnen bei Ihrer Suche nicht behilflich sein kann. Zum ersten Mal bedauere ich dies wirklich. Sehen Sie mich doch an: Ich sitze hier in einem Rahmen fest, einem ziemlich scheußlichen wohlgemerkt, und muss darauf hoffen, dass jemand vorbeikommt und sich mit mir unterhält. Außer Ihnen, Minerva, Peeves und Dumbledores Portrait weiß niemand, dass ich hier bin, niemand besucht mich. Ich bin die griesgrämige, alte Fledermaus, die bekommt, was ihr zusteht."

Snape stand kurz davor, in Selbstmitleid zu zerfließen. Zu allem Unglück war auch Sir Cadogan nicht in seinem Portrait, als Draco ihn holen wollte, um dem ehemaligen Lehrer etwas Gesellschaft zu leisten, während sie zu Mittag aßen.

„Sogar dieser einfach strukturierte Ritter schafft es, sein Bild zu verlassen", ärgerte sich Snape, „nur ich weiß nicht, wie das geht!"


Als die acht Dumblesnapes schließlich zum Mittagessen in die Große Halle gingen, konnten die anderen Schüler dieser Schule ihnen nicht in die Augen sehen. Auch wenn sie Harry und seine Hausgenossen nicht willentlich verfolgt hatten, so änderte dies nichts an ihren Schuldgefühlen, dass sie es überhaupt getan hatten. Keiner verstand, woher sie plötzlich diesen Drang verspürt hatten, die sechs Zauberer und zwei Hexen zu jagen und zu verletzen.

Der einzige, der ihnen dies hätte erklären können, saß mit arroganter Miene am Haustisch der Gryffindors und überlegte, mit welcher Taktik er am kommenden Wochenende sein Quidditchteam zum Sieg gegen das Haus der Schlangen führen konnte. Eine weitere Demütigung wie gegen Dumblesnape durfte es nicht mehr geben.

Auch Greg, Ginny, Seamus und Dean waren unruhig. Sollten sie ihre Freunde darüber informieren, dass sie sich vorgenommen hatten, den Raum der Wünsche wieder herzustellen? Der Raum konnte zwar nach der Rackerei des gestrigen Tages wieder betreten werden, aber würde er sich auch verwandeln?

„Lasst uns erst ausprobieren, ob es funktioniert, bevor wir den anderen bescheid sagen. Es wäre doch peinlich, wenn wir ihnen Hoffnung machen und dann feststellen, dass es nicht geklappt hat", flüsterte Dean unauffällig, die drei anderen nickten.

Nach dem Essen ging Draco zielsicher zum Gryffindortisch; seine Hausgenossen hielten den Atem an. Mit einem kritischen Blick überflog der Blonde die Stichpunkte, die sich McLaggen für den Sieg der Löwen gegen Slytherin gemacht hatte; sicherlich würde Draco damit einige Pluspunkte sammeln können. Deshalb war er aber nicht hier. Draco beugte sich hinunter zum immer noch sitzenden McLaggen und zischte ihm leise ins Ohr: „Auch wenn Du so tust, als wüsstest Du von nichts, so weiß ich genau, dass die gestrige Aktion auf Deine Kappe geht. Ich warne Dich, McLaggen. Solltest du es noch einmal wagen, Dich direkt oder indirekt an einem meiner Hausgefährten oder an mir zu vergreifen, wirst Du das bereuen!"

Ohne auf den Zauberer zu achten, verließ er die Große Halle. Deutlich spürte er die hasserfüllten Blicke des Gryffindors in seinem Rücken, doch sich jetzt umzudrehen, hätte seinem Abgang viel von der gewünschten Wirkung genommen. Außerdem hatte er Wichtigeres zu tun, als sich um den gekränkten McLaggen zu kümmern, der aussah, als hätte ihm Draco eine Ohrfeige gegeben.

„Na warte, Malfoy. Ich werde Euch das Leben zur Hölle machen, Dir und Deinen hoch geehrten Dumblesnapes!", schnaubte McLaggen schließlich und fügte in Gedanken hinzu: ‚Sobald Furnius eingesehen hat, dass er mich braucht, werde ich Euch vernichten!'

Bei diesem Gedanken fiel ihm erstmals auf, dass er diesen heute noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Sich offen nach dem Geist des Hauses Dumblesnape zu erkundigen, erschien ihm jedoch als viel zu auffällig. McLaggen beschloss, Augen und Ohren offen zu halten.


Draco ging schnurstracks zum Gemeinschaftsraum, Sir Cadogan hatte sich mittlerweile ebenfalls wieder in seinem Portrait eingefunden. Allerdings sah der sonst so kühne Recke merkwürdig verändert aus. Jemand schien ihn furchtbar verprügelt zu haben, denn der Ritter hatte nicht nur ein blaues Auge, sondern auch einige Schrammen und Kratzer, was für ein Portrait doch eher untypisch war.

Als er des Blonden ansichtig wurde, begann Sir Cadogan gleich zu jammern. „Oh, werter Herr, ich wurde vor einigen Tagen Zeuge Eures Duells mit dem jungen Harry Potter und bewunderte Eure Kriegslist, mit der Ihr Euren Gegner besiegt habt. Ich beschloss, mich auf ebensolche Weise mit Barnabas dem Bekloppten zu duellieren, scheine aber irgendetwas falsch gemacht zu haben. Anstatt in die Knie zu brechen, wie Harry Potter es tat, beschimpfte mich dieser Grobian auf Unflätigste und drohte, meine perversen Neigungen im Schloss kundzutun. Unterweist mich in Eurer Technik, Sir Malfoy, auf dass ich den Schurken in seine Schranken weisen kann."

Draco sah den Ritter an, als ob er an dessen Verstand zweifle. Welches Duell mit Harry meinte Sir Cadogan? Dann jedoch fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das Portrait hatte ihn dabei beobachtet, als er Harry einen geblasen hatte und dies für eine neue Kriegslist gehalten. Um diese zu testen, war Sir Cadogan wohl zum Wandteppich Barnabas des Bekloppten gegangen und hatte ihn zum Duell gefordert, was wohl ziemlich schief gegangen war.

„Bedaure, Sir Cadogan", versuchte sich der Blonde das Grinsen zu verbeißen, „doch es bedarf höchster Zauberkunst, ein derart schwieriges Kriegsmanöver durchzuführen. Doch Sie können etwas für mich tun." Draco blickte sich prüfend um, damit keiner hörte, worum er den Ritter bitten wollte. „In unserem Gemeinschaftsraum hängt ein Portrait von Severus Snape. Bitte bringen Sie ihm bei, wie er seinen Rahmen verlassen und andere Bilder besuchen kann. Es ist unheimlich wichtig – für uns alle."

Draco wusste selbst nicht, weshalb er sich dessen so sicher war, doch er konnte das Gefühl nicht unterdrücken, dass Snape, selbst wenn er offensichtlich nichts von dem magischen Schild gewusst hatte, noch eine Rolle bei dessen Wiederherstellung spielen würde.

Sir Cadogan nahm diesen Appell des Schülers an seine Ritterlichkeit natürlich sehr ernst und so besuchte er Snape noch am selben Tag.

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Während die Dumblesnape-Schüler den Unterricht besuchten und die Erstklässler unterrichteten, die mit Feuereifer bei der Sache waren, bemühte sich Snape, Sir Cadogans Anweisungen zu befolgen. Die ersten Tage waren sehr mühsam und von keinerlei Erfolg gekrönt. Immer wieder wurde Snapes Tatendrang durch den Rahmen seines Portraits gebremst. Er war äußerst ungehalten darüber; doch wenn abends die Schüler in den Gemeinschaftsraum schlichen, ließ er sich nichts anmerken. Lediglich Draco wusste, womit sein Lieblingslehrer seine Zeit verbrachte.

Erst am Donnerstag schaffte es Snape, sich aus seinem beengten neuen Zuhause zu lösen und sich bis zu Sir Cadogans Portrait zu bewegen. Kritisch musterte er das Bild und war plötzlich froh und dankbar, dass man bei seinem Portrait auf derartige Ausschmückungen verzichtet hatte. Das Pony des Ritters glotzte ihn dümmlich an und lief dann wiehernd davon, stieß sich allerdings den Kopf am Bilderrahmen und taumelte benommen zurück.

„Ein selten dämliches Vieh", stellte Snape fest und überlegte, wohin er jetzt wandern wollte.

Er kannte zwar das Schloss wie seine Westentasche, doch eben nur aus seiner eigenen Zeit als Schüler und später als Lehrer und Direktor. Als Portrait musste er Hogwarts von einer völlig neuen Seite kennenlernen und das war wirklich ein Abenteuer. Auf seiner Reise ins Ungewisse kam er bei der Fetten Dame vorbei und erschreckte diese derart, dass sie ihrer Freundin Violet, die im Nebenraum der Großen Halle hing, flüchtete.

Höhnisch grinsend zog Snape weiter. Die Gryffindorschüler würden leichte Probleme haben, wenn sie nach dem Unterricht in ihren Gemeinschaftsraum zurückkehren wollten. ‚Das hätte ich schon früher einmal machen sollen', freute sich der früher so strenge Zauberer. Seit seinem Tod hatte Severus Snape einen recht eigentümlichen Humor entwickelt. Vieles sah er nun mit anderen Augen, es war, als hätte er erst sterben müssen, um langsam das Leben zu beginnen. Der Zauberer konnte sich nicht daran erinnern, jemals so viel gelacht zu haben wie in den letzten Tagen.

Gerade sein erster Ausflug durch die Portraits des Schlosses erfüllte ihn mit großer Freude; es war doch ganz etwas anderes als tagein, tagaus in dem engen, goldenen Rahmen zu hängen und den Erzählungen der Dumblesnape-Schüler zu lauschen, obwohl er natürlich sehr stolz auf sein Haus war, als sie ihm berichteten, welch große Fortschritte die Erstklässler machten.

Derart in Gedanken versunken, achtete er nicht auf seinen Weg und stand plötzlich in einem Bild, das seine schrecklichsten und zugleich schönsten Erinnerungen hervorrief. Neben ihm standen die Mitglieder des ersten Orden des Phönix; Severus rechnete damit, dass Potter und Black ihn jeden Moment mit bösen Beschimpfungen attackieren würden.

Nach allem, was geschehen war, hätte er es ihnen noch nicht einmal verdenken können. Stattdessen flog ihm Lily entgegen und nahm ihn sanft in die Arme. „Ich wusste, dass Du irgendwann auftauchen würdest, Severus", flüsterte sie mit der leisen, wohlklingenden Stimme, deren Klang er zu Lebzeiten so sehr vermisst hatte. „Ich möchte Dir danken, dass Du so gut auf Harry aufgepasst hast. Ohne Dich hätte Voldemort gesiegt, wir alle stehen tief in Deiner Schuld."

„Es tut mir so unendlich leid, dass ich dem Lord von der Prophezeiung erzählt habe", murmelte Snape und konnte der rothaarigen Hexe vor Scham nicht in die Augen blicken.

„Severus, hör auf, Dich für Dinge zu entschuldigen, die ohnehin nicht zu ändern sind. Es musste geschehen und dass Voldemort versuchen würde, ein Kleinkind zu töten, konnte niemand ahnen. Du hast lange genug dafür gebüßt und darunter gelitten. Es wird Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und neu anzufangen." Energisch schob Lily Potter den widerstrebenden Snape zu ihrem Ehemann. James Potter wuschelte sich unsicher durch die Haare, ehe er seinem früheren Schulfeind die Hand entgegenstreckte. „Lass uns die Vergangenheit begraben. Im Tod sind wir alle gleich und unsere Feindschaft hat viel zu lange gedauert. Du hast so viel Mut bewiesen und unseren Sohn behütet und vor Schrecklichem bewahrt. Dafür danke ich Dir, Schnie... Severus", sagte er aufrichtig.

Snape starrte Harrys Vater fassungslos an, ehe er langsam dessen Hand ergriff und vorsichtig schüttelte. Dies war ein magischer Moment. Lange Jahre der Rivalität waren vergessen und Lilys grüne Augen, die denen Harrys so sehr ähnelten, strahlten vor Freude. Ein seltsames Gefühl erfüllte den toten Tränkemeister. Noch immer liebte er die rothaarige Hexe, doch war es eine andere Art von Liebe als bisher. Alles Begehren und die Bemühungen um Lilys Gunst waren entschwunden; das Einzige, was er wollte, was er nie verloren hatte, war ihre Freundschaft.

Severus hatte fast vergessen, wie es sich anfühlte, Freunde zu haben. Er war sein Lebtag lang ein Einzelgänger gewesen. Die vermeintliche Freundschaft zu Mulciber und Avery war nur ein Buhlen um Anerkennung gewesen, nicht mehr als der Versuch, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die ihn als Halbblüter nur schwer akzeptiert hatten.

Lilys Lächeln und James' Geste brachen die Mauer, die seit Snapes Tod ohnehin schon bröckelte, endgültig. Langsam, zunächst kaum wahrnehmbar zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Severus wagte ein vorsichtiges Lächeln, das sich langsam auf seinem Gesicht ausbreitete. James' Händedruck verstärkte sich, ein Band der Freundschaft entstand zwischen den einstigen Rivalen.

Ein freundschaftlicher Schlag auf den Rücken ließ Severus herumfahren. Erstaunt blickte er in das Gesicht von Sirius Black, der ihn verlegen anlächelte. „Ich... ähm, wollte mich auch dafür bedanken, dass Du... mein Patenkind beschützt hast", nuschelte der sonst so selbstsichere Zauberer und reichte Snape ebenfalls seine Hand. „Entschuldige, dass ich Dir das Leben so schwer gemacht habe", bat er den Schwarzhaarigen um Verzeihung.

Snape schluckte, denn dies überstieg seine kühnsten Träume. Nie hätte er gedacht, dass der stolze Reinblüter Sirius Black, dessen Arroganz der Lucius Malfoys um nichts nachstand, ihm einmal die Hand zur Freundschaft reichen würde. Ein boshaftes Funkeln trat in Severus Augen, als er Sirius' Hand ergriff. „Vergeben und vergessen... alte Flohschleuder", grinste er seinen einstigen Widersacher an. Sirius war einen Moment lang perplex – und brach dann in lautes Gelächter aus.

Selbst Remus, der die Begrüßung seiner Freunde mit dem langjährigen Feind kritisch beäugt hatte, lachte nun befreit los. Völlig ruhig trat er auf Snape zu und begrüßte ihn freundlich. Nur Pettigrew konnte sich der allgemeinen Wiedersehensfreude nicht anschließen, sein schlechtes Gewissen drückte ihn selbst jetzt noch. Mochten James und Lily ihm auch noch so oft versichern, dass sie keinen Groll gegen ihn hegten, er konnte sich selbst nicht verzeihen.

Als dann auch noch Dumbledore von seinem Portrait im Direktorenzimmer zu dem Bild des Phönixordens kam, kannte die Freude keine Grenze.

„Sag, Severus, wie gefällt es Dir eigentlich im Gemeinschaftsraum der Dumblesnapes?", erkundigte sich der weißhaarige Zauberer nach der großen Begrüßung.

Snape strahlte ihn an, wie Dumbledore es noch nie gesehen hatte. „Es war die beste Entscheidung meines Lebens, Albus!"

„Was ist Dumblesnape?", erkundigte sich James und Snape klärte sie über das 5. Haus und die neue Aufgabe der Schüler auf. Die beiden Potters waren sehr stolz auf ihren Sohn und strahlten vor Glück, wobei James Severus leise zuraunte, dass er ihn um diesen Platz beneidete. „Wie gerne würde ich meinen Sohn täglich sehen", platzte er heraus.

„Ich weiß nicht, wie Du reagieren würdest, wenn Du ihn nachts HÖREN würdest", lächelte Snape süffisant und ließ einige fragende Gesichter zurück, als er sich freundlich winkend zu seinem eigenen Portrait zurückzog. Schließlich war bald Unterrichtsende und er wollte sein Geheimnis noch etwas für sich bewahren.

Dass er aus einem Tierbild eine kleine Maus mitnahm und diese ausgerechnet bei der Fetten Dame fallen ließ, die daraufhin einen schrillen Schrei ausstieß und sich sofort wieder bei Violet verkroch, war natürlich ein reines Versehen. Gerade noch rechtzeitig kam er in seinem eigenen Bild an, als von draußen schon die ersten Dumblesnapes hereinströmten.


Am Samstagmorgen herrschte große Aufregung in der Großen Halle. Das Quidditchspiel Gryffindor gegen Slytherin stand an und jeder wollte wissen, wie die Löwen die Pleite gegen Dumblesnape verdaut hatten. McLaggen wirkte sehr beunruhigt, noch immer hatte sich Furnius nicht bei ihm blicken lassen. ‚Wenn er bis morgen nicht aufgetaucht ist, frage ich nach seinem Verbleib', beschloss der Hüter der Gryffindors, während er letzte taktische Veränderungen an seinem Team vornahm. Da ihm Seamus, Dean und Ginny ohnehin ein Dorn im Auge waren, strich er sie einfach aus der Mannschaft und ersetzte sie durch zwei Dritt- und eine Viertklässlerin, die ihn hoffnungslos anbeteten und ihm das Gefühl gaben, der Größte zu sein. Den Zettel hing er gut lesbar ans Schwarze Brett der Schule, das kurze Zeit später von einer dichten Menschentraube umringt war.

„Das... das kann er doch nicht machen!", entsetzte sich Ginny und wetzte hinter McLaggen her, der es sich gerade inmitten der Schar seiner Bewunderinnen gemütlich gemacht hatte.

„Was soll das? Warum streichst Du Seamus, Dean und mich aus dem Team, ohne uns vorher zu informieren?!", fauchte sie ihn wütend an.

„Lass es mich so sagen, Weasley", sprach McLaggen sie von oben herab an. „Zum einen war ich mit Eurer zuletzt gezeigten Leistung denkbar unzufrieden, zum anderen möchte ich keine Verräter in der Hausmannschaft haben. Nachdem Du, Finnigan und Thomas sich in letzter Zeit sehr stark von Gryffindor distanziert habt und mir Gerüchte zu Ohren kamen, dass Du und ein gewisser Slytherin zarte Bande geknüpft habt, erscheint es mir nur als logische Konsequenz, störende Elemente aus dem Team zu entfernen und durch Schüler zu ersetzen, die den Sonderstatus zu würdigen wissen."

Ginny musterte ihren Ex-Kapitän mit zusammengekniffenen Augen. „Treib es nicht zu weit, McLaggen. Irgendwann wird das Blatt sich wenden und Du bist derjenige, der ganz unten steht."

Wütend drehte sie auf dem Absatz um und steuerte zum Slytherintisch, an dem sie sich neben Goyle setzte. Erstaunt blickte dieser auf seine um Beherrschung kämpfende Freundin.

„Was ist los, Liebes?", erkundigte er sich. Greg machte sich schon seit Tagen Gedanken, wie er sich beim Quidditch verhalten sollte. Er war schließlich leidenschaftlicher Treiber. Die Vorstellung, der Rothaarigen jedoch einen Klatscher auf den Hals zu hetzen, ließ ihm kalte Schauer über den Rücken treiben. Nun würde er nicht gegen seine drei Freunde spielen müssen, aber die Art und Weise, in der McLaggen deren Suspendierung bekannt machte, empfand Greg als falsch, hinterhältig und feige. „Und so was schimpft sich mutiger Gryffindor", motzte er sein Spiegelei an.

„Zumindest weiß ich jetzt, wen ich heute anfeuern werde!", erklärte Ginny kategorisch. „Hast Du einen Schal für mich?"

Greg strahlte die Hexe an. „Ich werde gleich Draco fragen, ob er seinen alten Schal noch hat. Wenn er das hört, leiht er ihn Dir sicher gerne."


Währenddessen war am Haustisch der Dumblesnapes eine leise Diskussion entbrannt. Fleur war endlich schwanger und Bill hatte Ron und seine Freunde eingeladen, das nächste Wochenende bei ihnen zu verbringen. Besonders Hermine war entzückt, nicht weil sie die Französin so sehr möchte, nein, aber Shell Cottage lag in Tinworth und das war nun einmal eine der ersten magischen Siedlungen.

„Überlegt doch einmal, Jungs", versuchte sie ihren Hausgefährten klarzumachen, „früher oder später müssen wir ohnehin dorthin, wenn wir die Suche fortführen wollen. Eine bessere Ausrede für die Lehrer finden wir bestimmt nicht mehr. Trelawney lässt uns ohnehin kaum mehr aus den Augen."

„Granger, das ist ja alles gut und schön", argumentierte Draco, „aber hast Du schon mal darüber nachgedacht, dass Rons Bruder allenfalls mit Ron selbst, Harry, Dir und eventuell noch Longbottom rechnet? Wir können nicht einfach zu acht auftauchen."

„Quatsch!", meinte Ron überzeugt. „Bill schrieb wortwörtlich „Du und Deine Freunde", das schließt Milli, Theo, Blaise und Dich mit ein."

Harry hing seinen Gedanken nach. „Ich könnte Dobbys Grab besuchen", überlegte er ein wenig wehmütig. Hermine legte ihre kühle Hand auf seinen Arm. „Das werden wir – und wir fahren gemeinsam. Wir sind EIN Haus, eine Einheit und wir halten zusammen."

So war es also beschlossen. McGonagall blickte zwar etwas irritiert, als ihr Ron den Brief Bills zeigte, beschloss dann aber, dass sie den Schülern den Besuch gestatten würden. Nach all den Aufregungen der letzten Tage würde es den Aushilfslehrern bestimmt gut tun, in einer ruhigen und beschaulichen Gegend neue Kräfte zu sammeln. Bill Weasley war schon immer einer ihrer Lieblingsschüler gewesen und sie gönnte dem werdenden Vater die kleine Freude. Auch wenn schon in wenigen Wochen Weihnachten war, würde sie die Dumblesnapes ziehen lassen. Bill und Fleur hätten in den freien Tagen genug mit anstrengenden Verwandtschaftsbesuchen zu tun, es würde sie sicherlich entlasten, wenn zumindest Ron und seine Freunde den Pflichtbesuch vorher absolvierten.

Trelawney zeigte sich weniger erfreut. „Ich hatte gehofft, Sie würden mir am Wochenende bei der Entrümpelung meines Turmes helfen. Das ist schon längst überfällig und im letzten Jahr kam ich unglückseligerweise nicht dazu. Können Sie den Besuch nicht verschieben?"

Draco musterte die Lehrerin streng. Mit der ihm eigenen Logik erklärte er seiner Hauslehrerin: „Wenn die Arbeit ohnehin schon seit einem Jahr in Verzug ist, kann sie getrost noch ein paar Wochen liegen bleiben."


„Ihr könnt mich doch nicht einfach zwei Tage allein hier hängen lassen!", empörte sich Snape. „Mit wem soll ich mich denn unterhalten?" Er hatte keinem der Dumblesnape-Schüler mitgeteilt, dass er mittlerweile in der Lage war, seinen Rahmen zu verlassen, selbst Draco wusste nicht Bescheid. Der düstere Schwarzhaarige hatte sein Leben lang Geheimnisse gehabt, zumindest das sollte sich auch vorerst nicht ändern.

Draco schluckte betroffen und dachte einige Minuten ernsthaft darüber nach, ob er nicht doch hierbleiben und mit Severus über die alten Zeiten plaudern sollte, während die anderen den Familienbesuch abhielten, doch Harry sagte ihm deutlich, dass er von den Plänen des Blonden nichts hielt.

„Wir sind eine Einheit, Draco, und wenn wir den Schild finden wollen, müssen wir auch zusammenhalten. Du kommst selbstverständlich mit..."

Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach die Moralpredigt des Dunkelhaarigen, Ron öffnete und sah sich Aug' in Auge mit seiner Schwester.

„Ginny! Solltest Du nicht im Umkleideraum sein und Dich auf das Spiel gegen Slytherin vorbereiten?"

Die rothaarige Hexe rümpfte die Nase und schimpfte los: „Dieser arrogante Mistkerl hat Seamus, Dean und mich aus dem Team geworfen! Soll er doch sehen, was er davon hat. Ich feuere heute Slytherin an und hoffe, dass sie dem Idioten die Hölle heiß machen. Ich bin eigentlich nur hier, weil Greg meinte, dass mir vielleicht jemand seinen Slytherinschal leihen würde!"

Entschlossenheit hörte man aus der Stimme der Hexe und Draco, der bereits eine spitze Bemerkung auf der Zunge hatte, schluckte diese lieber runter. Ginny sah nicht so aus, als ob sie heute zu scherzen aufgelegt war. Hinter ihr drängten sich Seamus und Dean in den fremden Gemeinschaftsraum und echoten: „Wir bräuchten auch einen!"

„Wenn McLaggen so weitermacht, schafft er es, dass Gryffindor bald völlig ohne Fans ist", unkte Theo und ging gemächlich in sein Zimmer, aus dem er wenige Minuten später mit einem eleganten silber-grünen Schal wiederkam. Grinsend warf er diesen dem Iren zu, der ihn kalt anlächelte. „Ich fürchte, McLaggen setzt Voldemorts edles Werk zur Spaltung der Häuser fort. Allerdings ist der Dummkopf so beschränkt, dass er den Ast absägt, auf dem er selbst sitzt. Irgendwann wird er ein böses Erwachen erleben", prophezeite Seamus, während er den Schal um seinen Hals schlang.

Auch Ginny und Dean wurden von den ehemaligen Slytherins mit Kleidung versorgt und sahen nun aus, als ob sie selbst dem Haus der Schlangen angehörten. Selbst die Gryffindor-Roben hatten sie abgelegt und gegen neutrale eingetauscht.

Harry schüttelte den Kopf. „Es ist unfassbar, wie weit es schon gekommen ist. Gryffindors in Slytherinkleidung. Vor zwei Jahren wäre das undenkbar gewesen."

„Damals waren auch wir die Bösen, während Ihr die Guten wart", erinnerte Theo.

Neugierig blickte sich Seamus im Gemeinschaftsraum der Dumblesnapes um. „Eins muss man Euch lassen, Ihr habt es Euch richtig gemütlich gem... AAAAAAHH!"

Soeben hatte der Ire das Portrait Snapes entdeckt, der bei dem lauten Urschrei des Rothaarigen genervt die Brauen hochzog. „Mr. Finnigan, ich bin ebenfalls höchst erfreut, Sie zu sehen. Darf ich Sie dennoch bitten, sich diese Schlachtrufe für das Spiel aufzusparen?"

„Wie... Wie kommt der denn hierher?", stammelte Seamus, der nicht damit gerechnet hatte, ausgerechnet im Gemeinschaftsraum von Harry und Neville deren meistgehassten Lehrer anzutreffen.

Neville grinste über beide Backen. „Er ist gar nicht so übel, wenn man sich an ihn gewöhnt hat. Als Bild ist er nur halb so erschreckend wie zu Lebzeiten."

Hermine unterbrach das Geplänkel. „Los, lasst uns zum Quidditch gehen. Ich möchte zu gern miterleben, wie McLaggens Fanclub heute mit Pauken und Trompeten untergeht!"

In der Tat hatte das Team der Gryffindors der eingespielten Mannschaft der Slytherins nichts entgegenzusetzen. Greg Goyle jagte einen Klatscher um den anderen auf die gegnerischen Jäger und die neue Sucherin, es schien, als wollte er im Alleingang Rache für die Suspendierung seiner Freundin nehmen. Alle Aggressionen, die sich im Laufe des Schuljahrs an in ihm aufgestaut hatten, ließ er heute heraus und sorgte dafür, dass das Gryffindorteam verängstigt einen großen Bogen um ihn und seine Keule schlug. Luna Lovegood, die an seiner Stelle das Spiel kommentieren musste, nutzte die ihr gebotene Plattform und informierte ihre Mitschüler über Schnarchkackler und Nargel, doch ihr hörte ohnehin niemand zu.

Viel zu gebannt beobachteten alle das einseitige Spiel, das schließlich damit endete, dass der Slytherin Joe Harper den Schnatz fing. Die Schlangen hatten 210:0 gewonnen.

Zutiefst gedemütigt glitten die Gryffindors zu Boden und wurden von McGonagall in Empfang genommen. Die Direktorin wirkte äußerst verärgert und bat McLaggen, noch heute Abend in Ihrem Büro zu erscheinen. Auch Ginny, die gerade begeistert ihren siegreichen Freund küsste, ohne auf die Umstehenden zu achten, erhielt eine solche Einladung und kam wenig später freudestrahlend in den Gemeinschaftsraum der Dumblesnapes, um Draco den Schal zurückzugeben und die Schüler über die Neuigkeiten zu informieren.

„Sie hat ihn aus dem Team geworfen!", strahlte die Rothaarige über alle Maßen. „Gonni hat ihm erklärt, dass ihr seine Art der Mannschaftsbildung und –führung missfalle. Ab morgen bin ich neuer Kapitän und habe alle Kompetenzen, das Team neu zusammenzustellen. Außerdem hat sie ihn gründlich ins Gebet genommen, weil er so viel Feindschaft zwischen Euch und uns schürt. Sie hat gesagt, wenn er sich nicht bald ein wenig zurücknimmt, wird das Konsequenzen haben, die nicht sehr angenehm sind."

„Ich wusste nicht, dass Minerva so konsequent sein kann, vor allem, wenn es um ihr heißgeliebtes Gryffindor geht", spottete Snape, der es äußerst unhöflich fand, so übergangen zu werden. Auch wenn er an der Wand hing, konnte wohl ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit nicht zu viel verlangt sein, oder?

Ganz genau ließ er sich von Ginny das Spiel schildern und freute sich über den Triumph seines früheren Hauses. Sobald die Schüler zu Bett gingen, würde er dem Pokalzimmer einen weiteren kleinen Besuch abstatten und dort die Neuigkeiten zum Besten geben.


„Was ist denn nur in die Gryffindors gefahren?", fragte Lupin besorgt. Er konnte sich keinen Reim auf das Verhalten der Löwen machen, die sich immer mehr von den anderen Häusern isolierten. „Kann Minerva denn nichts dagegen unternehmen?"

„Ich fürchte, Minerva ist mit der Schulleitung, der Leitung ihres Hauses und dem Unterricht etwas überfordert", erwiderte Snape. „Der Einzige, der McLaggen jemals unter Kontrolle hatte, war Harry. Sein Wechsel nach Dumblesnape war das Schlimmste, was Gryffindor passieren konnte."

Sirius musterte den Schwarzhaarigen. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass Du uns irgendetwas verschweigst, Severus. Der Junge stellt doch schon wieder irgendetwas an. Was ist es?"

Snape zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten.


Nach einer weiteren Woche war es endlich soweit. Ron hatte Bill eine Eule geschrieben und das Kommen des kompletten Hauses Dumblesnape angekündigt. Bill war anfangs zwar etwas erschrocken, dann jedoch brach die legendäre Gastfreundschaft der Weasleys durch und er schrieb zurück, dass er sich schon sehr freute, Rons neue Freunde kennenzulernen.

Ein wenig wehmütig blickte Snape den lachenden und schwatzenden Zauberschülern hinterher, als sie sich am Freitagabend verabschiedeten und zu Bill und Fleur apparierten.
Besonders Kreachers Geste hatte ihn beeindruckt. Der alte Hauself hatte gemeinsam mit den anderen Elfen ein kleines Blütenkränzchen gebastelt und es Harry vor seiner Abreise in die Hand gedrückt, damit dieser es auf Dobbys Grab legen konnte.

Snape seufzte und beschloss, die Tage bis zur Rückkehr seiner Schüler im Pokalzimmer zu verbringen. Natürlich war es etwas lästig, Sirius' Fragen auszuweichen, aber er zog die Gesellschaft der Rumtreiber der Einsamkeit vor. Wer wusste es schon, vielleicht würde es sogar ganz lustig werden? Nur selten kam jemand ins Pokalzimmer, meist waren es nur Schüler, die von Filch zum Putzdienst verdonnert worden waren, so dass noch niemand etwas von Snapes Ausflügen mitbekommen hatte.

Er bat Peeves, gelegentlich ein Auge auf den Raum zu haben, schärfte Sir Cadogan ein, niemanden einzulassen, der nicht nach Dumblesnape gehörte und trat seine Reise durch die Portraits an. Im Pokalzimmer angekommen wurde er schon sehnsüchtig erwartet. Sirius stürzte sich auf ihn und teilte ihm freudestrahlend mit, dass Dumbledore ihnen heute das Bild einer Feuerwhiskeyflasche mitgebracht hatte, die sie heute Abend trinken wollen.

„Vielleicht lockert das Deine Zunge ein wenig und Du plauderst ein wenig aus dem Nähkästchen", grinste der schwarzgelockte Zauberer.

„Vielleicht solltest Du Dich in einen Hund verwandeln, ich verspreche Dir auch, Dich einmal stündlich zu streicheln", erwiderte Snape, der nach wie vor nichts von den kleinen Geheimnissen der Schüler preisgeben wollte.

„Verrätst Du mir wenigstens, ob mein Patenkind nun ein Verhältnis mit dem jungen Malfoy hat?", bat Sirius.

„Versprichst Du mir, mich dann nicht länger mit Fragen zu löchern?"

„Großes Rumtreiberehrenwort!", gelobte Sirius und kreuzte hinter seinem Rücken die Finger.

James und Lily unterbrachen ihr Gespräch und warteten gespannt auf die Antwort des früheren Tränkemeisters. Auch Peter und Remus starrten Snape mit offenen Mund und weit aufgerissenen Augen an, als dieser würdevoll nickte und diese Geste mit einem „Ja" bekräftigte.

Lily lächelte. „Ich dachte es mir schon. Er hat James und mich sehr gründlich gemustert, so als ob er genau feststellen wollte, wem von uns Harry nun ähnelt."

„Ich hatte den Eindruck, als wäre er nicht mehr der widerliche, kleine Kotzbrocken, der er in der 3. Klasse war", teilte Remus seine Beobachtungen mit. Snape überlegte einen Augenblick, ehe er seinem Kollegen antwortete. „Nun, irgendetwas muss passiert sein, er hat sich tatsächlich verändert. Er wird zwar sein Leben lang ein Malfoy sein und wie ein Malfoy handeln, doch er hat sein Herz gefunden. Lily, James, gewöhnt Euch daran, dass Ihr nie Großeltern werdet."

Lily seufzte. „Wieder kein Nachwuchs für das Blumenhaus, wie schade!"

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