Verlies Nr. 712

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Das Herrenhaus der Malfoys war wahrhaft riesig, schon seit Jahren war es zur liebgewonnenen Tradition geworden, dass Dracos beste Freunde nach den Weihnachtsfeiertagen einige Tage bei dem Blonden verbrachten. Lediglich die letzten beiden Jahre waren eine Ausnahme gewesen. Vor zwei Jahren war der Hausherr in Askaban eingesperrt gewesen, vor einem Jahr diente das Manor als Treffpunkt für die Todesser.

Lucius dachte noch heute mit Grauen daran, wie schrecklich diese Zeit gewesen war. Anstatt Dinnerpartys abzuhalten und Geschäfte zu machen, hatte er Versammlungen organisieren müssen, auf denen regelmäßig Zauberer und Hexen gefoltert und getötet worden waren.

Als Dankeschön hatte sich der schlangenäugige Verrückte dann auch noch seinen Zauberstaub „ausgeliehen" und zerstört. Der Ersatzzauberstab, den sich der Blonde besorgt hatte, war gerade einmal für einfache Zauber zu gebrauchen, keinesfalls jedoch für den Unterricht.

Nachdem sich das Oberhaupt der Malfoys beschlossen hatte, Minerva McGonagalls Vorschlag anzunehmen, wusste er, dass der Tag kommen würde, an dem er Mr. Ollivander gegenübertreten musste, dem Zauberstabmacher, der in Lucius' Haus vom Lord selbst gefoltert worden war. Lucius würde es Voldemort nie verzeihen, dass er Draco mit dem Mord an Dumbledore beauftragt hatte, aber auch die Tatsache, dass der Lord verlangt hatte, dass sein einziger Sohn bei den Folterungen dabei sein musste, ließ ihn selbst heute noch wütend werden.

Lange hatte er diesen Tag hinausgeschoben, doch nun war es soweit: Ein neuer Zauberstab musste her, einer, der sich seinem Willen unterwarf und ihm bedingungslos gehorchte.

„Ich habe heute Nachmittag einige Besorgungen in der Winkelgasse zu erledigen", verkündete Lucius beim Mittagessen. „Wenn jemand etwas brauchen sollte, möge er das bitte jetzt melden."

Draco schien kurz nachzudenken, während Harry bereits zustimmend nickte. „Kann ich mitkommen?" Daraufhin wollten die anderen natürlich auch nicht hier bleiben und beschlossen, sich ebenfalls anzuschließen.

Neville erkundigte sich: „Was haltet Ihr davon, wenn wir Ron und Hermine ebenfalls Bescheid sagen. Wir könnten ja nach dem Einkauf in ein Cafe gehen."

Dieser Vorschlag fand breite Zustimmung und so wurde gleich eine Eule zum Fuchsbau geschickt. Ron und Hermine waren begeistert und schrieben, sie würden sich gleich auf den Weg machen und die anderen dann vor Gringotts treffen.

Lediglich Lucius Malfoy verzog gequält das Gesicht; er hatte eher daran gedacht, den Schülern ein Buch oder vielleicht ein Quidditchballset mitzubringen. Dass er stattdessen nun mit acht volljährigen Zauberschülern unterwegs sein würde, brachte seine Pläne etwas durcheinander. Trotzdem ließ er sich seine Enttäuschung nicht allzu deutlich anmerken und wenige Minuten später musste der Kamin im Herrenhaus Höchstleistungen vollbringen, bis die sechs Dumblesnape-Schüler und Lucius nacheinander in die Winkelgasse flohten.

Narzissa atmete erleichtert auf; so sehr sie auch den plötzlichen Trubel im Manor genoss, war es doch auch erholsam, einige Stunden Ruhe zu haben.

„Armer Lucius", lächelte sie ihrem Mann hinterher. „Aber nun kannst Du Dich schon mal auf das Kommende vorbereiten. Mein Mann als Lehrer. Dass ich das noch erleben darf."


„Da seid Ihr ja endlich", wurden Harry und seine Freunde empfangen, als sie einer nach dem anderen aus dem Kamin in der Winkelgasse kletterten. Hermine deutete ungeduldig auf ihre Uhr. „Ihr kommt wie immer viel zu spät. Ron und ich warten schon seit einer halben Stunde auf..." Ihre Stimme erstarb, als sie plötzlich Lucius Malfoy erblickte, der aus dem Kamin kletterte und sich demonstrativ den Staub von der Robe klopfte.

„Entschuldigen Sie die Verspätung, Miss Granger, aber der Zugang des Manors zum Flohnetzwerk wurde lange nicht mehr genutzt und ist deshalb etwas langsam. Wäre ich, wie es meinen ursprünglichen Plänen entsprach, allein unterwegs gewesen, hätte ich es selbstverständlich vorgezogen, zu apparieren."

Kritisch beäugte die Hexe den Blonden, sie erinnerte sich gerade an ihre erste Begegnung mit dem hochgewachsenen Mann mit den kalten Augen. Damals hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben, was er von Leuten ihrer Abstammung hielt.

Andererseits schien Lucius Malfoy es gelassen hinzunehmen, dass sein Sohn gegen jegliche Familientradition verstieß und sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. Vielleicht hatte sich der ältere Blonde ja geändert; Hermine wünschte sich das für Harry. Daher beschloss sie, ihm eine zweite Chance zu geben.

Unsicher lächelte sie Lucius an. „Was steht denn auf dem Programm? Ich hatte ja gehofft, bei Flourish und Blotts interessante Lektüre zu finden, aber das war ein Misserfolg", erklärte sie.

Lucius warf ihr einen kurzen Blick zu. „Meine Damen und Herren, ich kenne Ihre Pläne leider nicht und werde daher zunächst zu Gringotts gehen, da ich einige kostspieligere Investitionen zu tätigen habe. Sie können sich natürlich gerne anschließen, sollten jedoch darauf achten, mich dabei nicht zu stören. Ich versichere Ihnen, dass ich mich ausschließlich in der Winkelgasse aufhalten werde."

Mit zügigen Schritten betrat er die Zaubererbank. Zögernd schlossen sich die Schüler an. Wie jeden Tag war Gringotts voller Zauberer und Hexen, an jedem Schalter stand eine lange Warteschlange.

Misstrauische Blicke folgten dem Oberhaupt der Malfoys, einige Hexen steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten aufgeregt. Harry ärgerte sich unheimlich darüber und beschloss, den Tratschtanten nun wirklich Grund zum Klatsch zu geben. In aller Öffentlichkeit griff er nach Dracos Hand, zog diesen hart zu sich heran und küsste ihn leidenschaftlich – und das im gefüllten Schalterraum von Gringotts! Fassungslos starrten die Hexen nun die beiden Jungzauberer an und waren entsetzt, dass ausgerechnet der Retter der Zauberwelt eine Affäre zum Sohn des Todessers Malfoy hatte.

Selbst die Kobolde vergaßen einen Augenblick lang ihre Arbeit und begafften mit offenen Mündern und missbilligenden Mienen die verliebten Zauberer.

Lucius nutzte die allgemeine Aufregung, um sich einen weitaus günstigeren Platz in der Warteschlange zu sichern.

„Ich möchte mein Verlies aufsuchen. Wenn Sie so freundlich wären und mich, meinen Sohn und seinen Partner geleiten würden", raunte Lucius kühl dem Kobold hinter dem Schalter zu.

„Natürlich, sofort, Mr. Malfoy", erklärte dieser dienstbeflissen und fragte dann aber noch einmal nach. „Möchte Mr. Potter in das Verlies der Potters oder in das der Blacks?"

Als Finanzkenner wusste Lucius natürlich, dass Harry Zugriff auf beide Verliese hatte; wie er seinen künftigen Schwiegersohn jedoch einschätzte, hatte der noch nicht einmal seinen Fuß in das Verlies der Blacks gesetzt. Dabei war der Bengel im Grunde genommen sogar reicher als Lucius selbst, auch wenn er sich dieser Tatsache offenbar nicht bewusst war.
Oh, Lucius gönnte dem Dunkelhaarigen dieses Vermögen, es war sehr beruhigend, dass Draco auch nach einer Eheschließung gut versorgt wäre.

„Ich denke, wir besuchen das Verlies der Blacks, schließlich liegt es gleich neben dem meiner Familie", erklärte er und winkte die beiden Jungzauberer zu sich.

Die übrigen Dumblesnape-Schüler suchten ebenfalls ihre Verliese auf, die alle im oberen Bereich der Bank lagen und mit einem einfachen Schlüssel zugänglich gemacht wurden. Lediglich Lucius, Harry und Draco mussten tief ins Innere des Labyrinths aus Gängen und Felsen vordringen, die ältesten Zaubererfamilie horteten seit Jahrhunderten ihre Schätze tief unter der Erde in Hochsicherheitsverliesen. Das Verlies der Blacks hatte die Nummer 711, das der Malfoys die Nummer 712.

Es war kalt unter der Erde. Harry und Draco kuschelten sich in dem kleinen Karren, der auf den schmalen Gleisen durch die engen Gänge und die hohen Schluchten raste, eng aneinander, um sich gegenseitig ein wenig Wärme zu spenden. Endlich hatte die Höllenfahrt ein Ende, mit wackligen Knien stiegen die Zauberer aus dem Wagen. Harry überfiel ein mulmiges Gefühl, er kam sich vor wie ein Dieb, als er zum ersten Mal im Leben vor dem Verlies der Blacks stand. Der Klirrer in der Tasche des Kobolds verriet ihm, dass hinter dieser Tür ebenfalls ein Drache lauerte, um Eindringlinge abzuhalten.

Beiläufig legte der Kobold seine langen Finger auf die Tür, die sich daraufhin in Luft auflöste.
Als sich der Eingang zum Verlies öffnete, starrte Harry gebannt auf die Reichtümer, die darin angehäuft waren. Seine Eltern hatten ihm zwar ebenfalls ein Vermögen hinterlassen, doch das wirkte winzig im Vergleich zu dem, was im Verlies Nr. 711 lag. Riesige Berge von Galleonen, durchzogen von silbernen Sickeln, bedeckten den Steinboden vollständig. Auch einige Edelsteine waren darunter. Harry hatte zwar gewusst, dass die Blacks reich waren, aber damit hatte er nicht gerechnet.

Unsicher betrachtete er das Kapital, das hier einfach herumlag. Er war zwar Sirius' Erbe, aber dennoch erschien es ihm falsch, sich seine Taschen mit dem Geld der Blacks zu füllen. „Ich möchte lieber zum Verlies meiner Eltern", bat er leise.

Lucius sah ihn entgeistert an. „Aber Harry, Sie sind der rechtmäßige Erbe dieses Vermögens. Es steht Ihnen zu, sich hier jederzeit die Taschen zu füllen. Wer außer Ihnen sollte einen Anspruch darauf erheben? Sirius Black hat Sie als Alleinerbe eingesetzt."

Trotzig blickte der Dunkelhaarige ihm in die grauen Augen. „Ich will dieses Geld nicht!", beharrte er stur auf seinem Standpunkt.

„Nun gut, dann werde ich etwas Geld aus meinem Verlies holen, bevor wir zu dem der Potters fahren. Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung irgendwann einmal", resignierte Lucius. „Reich zu sein ist nie verkehrt, wer weiß, was in einigen Jahren sein wird. Mein Sohn ist teuer im Unterhalt."

Der Kobold verschloss die Tür zum Verließ Nr. 711 und öffnete nun unter lautem Klirren die benachbarte Nr. 712, das vom Inhalt her seinem Vorgänger um nichts nachstand. Auch hier stapelten sich Geldberge und Juwelen, die ein Zauberer während seines gesamten Lebens nicht ausgeben konnte. Trotzdem war es nicht der Reichtum hinter dieser Tür, der Harry und Draco magisch anzog. Etwas anderes lag hier verborgen, etwas, dessen Wert nicht mit Galleonen aufzuwiegen war.

„Fühlst Du es auch?", wisperte Draco seinem Freund ins Ohr. „Es ist noch viel stärker als die letzten Male." Auch Harry spürte die Magie dieses Ortes, konnte ihm jedoch zumindest in der letzten Aussage nicht beipflichten. Die magischen Schwingungen waren zweifelsohne vorhanden, seine Nerven vibrierten wie zuletzt in der Heulenden Hütte und in Tinsworth; dass der Blonde dies jedoch intensiver empfand als er selbst, konnte eigentlich nur eines bedeuten. Jedem in ihrer Gemeinschaft war ein Schildteil zugeordnet und hier, im Verlies der Malfoys, war das gelagert, dessen Eigenschaften Draco ausgewählt hatten.

Panik überfiel den Dunkelhaarigen, als er an die Prüfungen dachte, die ihnen die letzten Male auferlegt worden waren. Zudem kam hinzu, dass ihre Gemeinschaft zum aktuellen Zeitpunkt nicht vollständig war. Hermine, Ron und Neville waren im Schalterraum geblieben; Theo, Milli und Blaise räumten sicher gerade ihre Familienverliese leer. Nur er und Draco waren hier, gemeinsam mit dem ahnungslosen Lucius und einem ebenso unwissenden Kobold, der möglicherweise versuchen würde, nicht vorhandene Besitzansprüche zu stellen, weil der Schild von seiner Rasse geschmiedet sein worden könnte.

Doch auf welchem Wege mochte das Bruchstück hierher gelangt sein, ausgerechnet in das Verlies der Malfoys? Harry war sich sicher, dass weder Lucius Malfoy noch Voldemort etwas von der Präsenz dieses Schatzes geahnt hatten - selbst jetzt musterte der ältere Malfoy das staubige Metallstück, das unbeachtet an der Wand lehnte, verächtlich -, denn der Lord hätte der Versuchung, diese Macht zu besitzen, gewiss nicht widerstehen können. Wer weiß, wie lange diese Kostbarkeit schon hier ruhte?

Lucius schien Harrys Gedanken zu erraten, denn er brummte „Pah, dieses blinde Metallstück befindet sich schon seit 200 Jahren im Besitz der Malfoys. Ich wollte es schon mehrmals wegwerfen, aber sonderbarerweise kam immer irgendetwas dazwischen. Das einzig Wertvolle dürfte wohl der Stein sein.

Draco wandte sich an seinen Vater. „Ich will das haben. Bitte!" Mit einem flehenden Blick, der Eisberge zum Schmelzen gebracht hätte, unterstrich er seinen Wunsch.

Knurrend erteilte der ältere Malfoy seine Zustimmung, wenngleich er seinen Sohn auch nicht verstand. Bislang war Draco doch nur an schönen und wertvollen Dingen interessiert gewesen. Woher kam nun dieser Drang, das billige Stück Blech besitzen zu wollen?

‚Offenbar hängt es mit Potter zusammen, denn der wirkt überhaupt nicht überrascht, so als ob er nichts anderes erwartet hätte', überlegte Lucius. Bevor er jedoch laut nachfragen konnte, was es mit diesem seltsamen Gegenstand auf sich hatte oder diesen genauer untersuchen konnte, entrollte Draco ein unscheinbares, wenn auch ziemlich vergilbtes Stück Pergament, das anscheinend an dem Metall hing.

Prüfend überflog der Blonde die Zeilen. Seine Miene verfinsterte sich, noch einmal begann er den Text zu lesen.

„Was steht denn da?", erkundigte sich Harry neugierig, die plötzliche Anspannung seines Liebsten war ihm nicht entgangen.

Wortlos drückte ihm Draco das Pergament in die Hand und Harry las lautlos.

Die Einheit der Acht baut auf Vertrauen,
denn zu schwer ist der Weg allein.
Lernt, in das Herz hineinzuschauen,
trauet nie dem äuß'ren Schein.
Sonst lauert auf Euch das blanke Verderben,
legt Eure ganze Welt in Scherben.
Der Schlüssel ist der Blumen Sohn
Nur seine Liebe führt zum Thron.

Fragend schaute er Draco an. „Was soll das bedeuten?", erkundigte er sich. Draco zuckte ratlos die Schultern. „Wenn ich das nur wüsste."

Der Kobold warf einen gleichgültigen Blick auf das Metallstück, erhob jedoch keinerlei Besitzansprüche, wie es sonst die Art seines Volkes war. Harry fragte nach: „Dieser Gegenstand wurde wohl nicht von Kobolden geschmiedet?"

Der Gringotts-Angestellte linste durch seine randlose Brille und erklärte nach einer kurzen Überprüfung. „Nein. Es handelt sich zwar um eine Arbeit aus der magischen Welt, ist jedoch das Werk eines begabten Menschen, niemals das eines Koboldes."

Harry bedankte sich für diese Auskunft, er war sehr erleichtert, das zu hören. Seit der Geschichte mit Gryffindors Schwert wusste er, welch eigentümliche Ansichten über Besitzrechte Kobolde haben konnten. Zumindest vor diesen Wesen war der Schild sicher, ihm reichte ja schon der durchgeknallte Furnius.

Irritiert stellte er fest, dass er seit Wochen nicht mehr an den Geist gedacht hatte. Warum jetzt plötzlich?

Ein reißend-stechender Schmerz zog durch seine Narbe und mit einem lauten Schrei brach Harry zusammen und fiel auf die Knie.

„Weil ich von nun an in Dir bin, Söhnchen", gackerte eine höhnisch lachende Stimme in seinem Kopf. „Egal, wie sehr Du Dich wehrst, jetzt gehörst Du mir."

Mit letzter Kraft wandte sich Harry an Draco. „Bring... den Schildteil... weg und ...warne die anderen. Furnius... ist hier", keuchte er angestrengt. „Versteckt sie... alle! Schnell! Ich komme schon klar. "

Lucius, der gerade seine Taschen mit einigen Galleonen füllte, bekam nur am Rande mit, dass Harry plötzlich zusammenbrach, während Draco mit Kobold und Blech in den kleinen Karren stieg. „Ich muss schnell weg, Vater. Kümmere Dich um Harry!", rief sein Sohn ihm zu, während das Gefährt sich rasant in Bewegung versetzte.


Es fiel Draco nicht leicht, seinen Liebsten hier allein zu lassen, aber dieser hatte ihn ausdrücklich mit dem Schutz des Schildteiles betraut. ‚Harry schafft das, er kann das', redete sich der Blonde ein. ‚Er hat den Dunklen Lord besiegt, da wird er wohl mit einem verrückten Geist spielend fertig.'

Währenddessen versuchte Harry verzweifelt, den Eindringling aus seinem Körper zu vertreiben. Seine letzten Gedanken galten Draco, bevor er in einer Welt aus Schwärze versank.

Innerhalb weniger Minuten hatten Draco und der Kobold den Schalterraum erreicht. „Hierbleiben", ordnete der Malfoyspross an und der Angestellte gehorchte.

Ron, Hermine und Neville erwarteten ihn schon ungeduldig; als sie sahen, welchen Schatz er bei sich trug, verschlug es ihnen den Atem. „Der Malachit", keuchte Hermine auf. „Wo war er?"

Ron hingegen brannte eine andere Frage auf der Seele. „Was ist los mit Dir – und wo verdammt noch mal ist Harry!"

„Der Schildteil lag in unserem Verlies, gemeinsam mit einem sehr rätselhaften Brief", ächzte Draco. „Bevor wir jedoch verstanden, worum es ging, sagte mir Harry, dass Furnius hier ist und bat mich, das Bruchstück in Sicherheit zu bringen – und die anderen auch. Könnt Ihr das übernehmen? Ich möchte ihn jetzt nicht allein lassen."

Ron verstand nur Teile dessen, was Draco hastig sagte; zum Glück war Hermine schneller im Denken. „Neville, Du suchst Blaise, Milli und Theo und informierst sie. Herr Kobold, ich möchte gern ein Verlies bei Gringotts eröffnen, jetzt sofort. Ron, Du fährst mit Draco zurück zum Verlies der Malfoys. Sobald ich unsere neue Errungenschaft in mein Verlies gelegt habe, komme ich nach", scheuchte die Hexe die Zauberer umher.

Der Kobold fragte sich inzwischen, ob es Zufall oder Schicksal war, dass immer dann etwas passierte, wenn er Dienst hatte und Harry Potter bei Gringotts auftauchte.

Ein weiterer Karren setzte sich zu den Hochsicherheitsverliesen in Bewegung, Draco trieb den Angestellten zur Eile an. „Ich hab ein verdammt mieses Gefühl, Ron", gestand er dem Rothaarigen, der ihm unumwunden zustimmte. „Ich auch, Mann!"


Als die beiden Zauberer endlich am Ziel ankamen, fanden sie zu ihrem großen Erstaunen einen fröhlichen, unverletzten Harry vor, der sich prächtig mit Lucius Malfoy zu amüsieren schien.

Beim Anblick seines Sohnes zog Lucius missbilligend die Augenbraue nach oben.

„Mein lieber Sohn, ich wäre Dir sehr verbunden, wenn Du beim nächsten Mal, wenn Deinem Freund übel wird, nicht fliehend das Weite suchen und mich mit ihm allein lassen würdest. Das war weder ihm noch mir gegenüber taktvoll."

„Ja, aber Furnius...", protestierte Draco. Harrys Miene verfinsterte sich ein wenig, doch dann winkte er ab. „Ich habe mich wohl getäuscht. Das liegt an dieser Kälte hier. Wo ist der Schild?"

„Du sagtest doch, ich solle ihn in Sicherheit bringen", versuchte der Blonde sich zu rechtfertigen.

„Aber nun ist die Gefahr vorüber. Am besten holst Du meinen Schatz aus seinem Versteck und legst ihn mit den beiden anderen in das Verlies der Potters. Vorher würde ich jedoch noch gerne etwas Geld aus dem Verlies der Blacks holen. Dein Vater hat völlig recht; es steht mir schließlich zu."

Draco starrte den aufgedreht wirkenden Grünäugigen prüfend an. Irgendetwas an ihm stimmte doch nicht, wenn er nur wüsste, was es war? ‚Vielleicht hat er Raumangst und hatte eine Panikattacke. Oder die ganze Aufregung war ein wenig zu viel. Ja, bestimmt muss er nur zur Ruhe kommen', überlegte Draco und wollte Harry in seine Arme schließen.

Der Dunkelhaarige drehte sich jedoch weg und verzog das Gesicht. Lucius erkundigte sich besorgt. „Sie werden meinem Sohn die Flucht doch nicht nachtragen, nicht wahr, Harry?"

Der Angesprochene lächelte gequält. „Nein, machen Sie sich keine Gedanken, Mr. Malfoy. Ich habe mir nur beim Hinfallen eine Rippe geprellt und diese schmerzt ein wenig."

Zwei quietschende Karren näherten sich und die übrigen Dumblesnape-Schüler kletterten heraus. Hermine stürzte auf Harry zu. „Ist alles in Ordnung mit Dir? Draco hat mir ja direkt Angst eingejagt, als er..."

„Keine Sorge, Hermine, mir geht es gut", beruhigte Harry seine Freundin und flüsterte ihr leise ins Ohr: „Draco wollte wahrscheinlich nur im Mittelpunkt stehen, so wie immer. Du kennst ja unsere kleine Diva, alles muss sich immer um ihn drehen."

Lächelnd ging er zu Draco hinüber. „Hermines Mutterinstinkte in allen Ehren, aber ihre übertriebene Anteilnahme ist einfach nervend. Kann sie uns nicht einfach in Ruhe lassen? Soll sie doch lieber den Rotschopf betüddeln", raunte er dem Blonden ins Ohr.

Draco sah seinen Freund entgeistert an. Noch niemals, in all den Jahren, in denen er Harry nun kannte, hatte dieser so abfällig über seine Freunde gesprochen.

Lucius Malfoy mahnte inzwischen zum Aufbruch. „Nun los, Dumblesnapes, ich habe noch anstrengende Einkäufe vor mir. Nach oben."

Während die drei kleinen Wägen nach oben fuhren, fragte Harry Draco erneut. „Wohin hast Du das Schildbruchstück gebracht? Vergiss nicht, es wieder zu holen. Es ist wertvoll."

Eine Gänsehaut legte sich auf Dracos Körper, das ungute Gefühl, das er seit einigen Minuten hatte, ließ sich einfach nicht abschütteln. Er spürte die Kälte der Umgebung, doch das allein war es nicht. Noch nie zuvor hatte Draco neben Harry so gefroren.


Der wahre Harry hatte verzweifelt versucht, Furnius abzuwehren. Der Geist jedoch erwies sich als zu stark. Zumindest eines schaffte der Dunkelhaarige noch. Das bisschen Okklumentik, das Snape ihm beigebracht hatte, nutzte er, um jede Erinnerung an die Schildteile hinter einer unsichtbaren Mauer zu verschließen, die Furnius nicht überwinden konnte.

Ansonsten blieb dem Dunkelhaarigen nur die Hoffnung, dass Draco schnell bemerken würde, dass er in seinem eigenen Körper gefangen war. Harry musste einfach nur lange genug durchhalten. Sobald Furnius eine Schwäche zeigte, musste er zum Gegenangriff ansetzen.

Der ehemalige Gryffindor zog sich zurück, um seine Kräfte zu sammeln. Wenn es darauf ankam, musste er bereit sein. Vielleicht würde es nur eine einzige Chance geben, er durfte sie nicht verstreichen lassen.

Wie vorher der Blutige Baron war nun Harry ein Gefangener – und alles nur, weil ein machtbesessener Geist die Herrschaft über eine Welt wollte, die nicht mehr existierte.

Verzweifelt hatte der Dunkelhaarige zugesehen, wie Draco ihn in den Arm nehmen wollte, hatte sich von dieser Berührung Trost und Kraft erhofft, doch Furnius wusste das genau.

„Glaubst Du wirklich, ich lasse zu, dass Deine Freunde Dich retten und mir das nehmen, was mein ist? Bist Du wirklich so schwach, Harry Potter? Du wirst sie verlieren, Du wirst alles verlieren. Hör' auf, gegen mich zu kämpfen. Finde Dich damit ab.

Mit Hilfe Deiner kleinen, dummen Freunde werde ich auch die anderen fünf Teile des Schildes finden und mit seiner Macht den Thron zurückerobern, den der Nebel mir raubte. Dieser verfluchte Nebel. Er zog auf, um Cumulus der Welt zu entziehen, nachdem ich ihn nahe der Ortschaft Ballater tötete.

Als der Nebel dann auch mich verschlang und mich zu dem machte, was ich so lange Zeit war, schwor ich Rache. Das Schild wird mein sein und niemand wird sich zwischen mich und meinen Anspruch stellen. Tröste Dich, wenn ich König bin, wird es Dein Körper sein, der auf dem Thron sitzt. Nur schade, dass Du das nicht mehr erleben wirst.

Weißt Du eigentlich, wie lange eine Seele im Körper gefangen sein kann, bis sie schließlich stirbt? Nun, ich werde es Dir sagen. Es sind 12 Tage. In zwölf Tagen hat mein Geist Deinen Körper übernommen und Harry Potter wird aufhören, zu existieren. Deine Zeit ist vorüber. Meine Zeit ist gekommen."


Draco war verzweifelt. Seine große Liebe, sein Herz, sein Leben lief neben ihm her wie ein Fremder. Jedes Mal, wenn er Harry berühren wollte, wich dieser aus, als ob der Blonde eine ansteckende Krankheit hätte. War er wirklich so beleidigt, dass Draco ihn einfach alleingelassen hatte? Dabei war es doch Harrys eigener Wunsch gewesen, den Schild in Sicherheit zu bringen. Draco verstand die Welt nicht mehr.


Lucius spürte den Kummer seines Sohnes, doch andererseits verstand er auch die Reaktion Harrys. Er war zu Tode erschrocken, als der Dunkelhaarige mit einem Schmerzenslaut zu Boden ging und Draco war einfach davongerannt. So verhielt sich kein Malfoy.
Er ging schließlich auch zu Mr. Ollivander, um einen neuen Zauberstab zu erwerben und sich beiläufig für dessen Schmerzen, die dieser im letzten Jahr in seinem Anwesen erdulden musste, zu entschuldigen.

Der alte Zauberstabmacher staunte nicht schlecht, als die acht Schüler und Lucius Malfoy seinen Laden betraten.

„Benötigen Sie alle neue Zauberstäbe? Haben Sie Ihre alten zum Feuermachen benutzt oder gab es eine magische Katastrophe?", fragte er alarmiert nach.

„Nein, Mr. Ollivander", beruhigte Lucius den anderen Zauberer. „Die Kinder begleiten mich lediglich. Aber ich benötige einen neuen Stab, vielleicht wurden Sie schon darüber informiert?"

„In der Tat", erklärte der Ladenbesitzer mit säuerlicher Miene und ging in seinen Lagerraum, um ein geeignetes Werkzeug für den älteren Malfoy zu finden. Lucius folgte ihm jedoch und hielt ihm verlegen die Hand entgegen. „Und bei dieser Gelegenheit möchte ich mich die Vorkommnisse im letzten Jahr entschuldigen", erklärte er reuevoll.

Mr. Ollivander stutzte kurz und ergriff dann die angebotene Hand. „Gut, Mr. Malfoy. Seien Sie in Zukunft vorsichtiger mit der Wahl Ihrer Freunde." Der Stein, der dem Blonden vom Herzen fiel, hätte ausgereicht, um Hagrid zu erschlagen.

Schon bald hatte Lucius einen neuen Zauberstab gefunden, zur großen Überraschung aller enthielt er als Kern die Feder eines Phönix. Es war zwar nicht Fawkes, wie Ollivander mit einem Zwinkern an Harry versicherte, aber dennoch fand gerade Draco es schön, dass der Stab seines Vaters eine Verbindung zum Wappentier seines neuen Hauses war.

„Der Kern Deines Stabes ist doch auch eine Phönixfeder, nicht wahr?", erkundigte er sich bei Harry, doch dieser gab ihm keine Antwort, sondern schnaubte ihn nur wütend an.

„Harry, bitte hör doch auf zu schmollen. Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin. Wie oft soll ich mich noch dafür entschuldigen?", fragte Draco erregt. Langsam riss ihm der Geduldsfaden. Warum war der ehemalige Gryffindor auch so stur und bockig?

„Lass mich in Ruhe", fauchte Harry und lief einige Schritte nach vorn.

„Mach doch, was Du willst, Potter!", keifte Draco wütend hinterher. Etwas in ihm zerbrach gerade in tausend kleine Scherben und jede einzelne stach tief in sein Herz.

Hermine und Ron starrten ihren besten Freund fassungslos an. Ein kurzer Blick reichte ihnen zur Verständigung aus. Während Hermine hinter Harry her raste, ging Ron zu Draco, der nur mit Mühe Tränen des Schmerzes und der Wut zurückhalten konnte.

„Nimm es Dir nicht zu Herzen, Draco", versuchte der Rothaarige den Blonden zu beruhigen. „Das legt sich bestimmt bald wieder. Morgen sieht die Welt ganz anders aus."

„Und wenn nicht?" Langsam lief eine Träne über Dracos bleiche Wange hinab.


„Sag mal, Harry, spinnst Du?" Hermine war außer sich, ihre Stimme überschlug sich fast. „Wie kannst Du so herzlos sein? Draco hat es nur gut gemeint. Er weiß doch genauso gut wie wir alle, dass der Schild unheimlich wichtig für Dich ist. Warum machst Du ihm jetzt das Leben zur Hölle? Ich verstehe das nicht, erklär es mir."

Harrys Augen verzogen sich zu schmalen Schlitzen. „Ich wüsste nicht, was Dich das angeht. Führ Dich nicht auf wie meine Mutter? Hör auf, Dich in Dinge einzumischen, die Dich nichts angehen. Ich habe schließlich Voldemort besiegt und das öfter als einmal. Geh zurück zu Deinem Rotschopf und tröstet den Todesserbengel. Macht doch, was Ihr wollt, aber lasst mich verdammt noch mal endlich in Ruhe!", brüllte er los.

Hermine wurde blass. „Es reicht, Harry. Das war unterstes Niveau. Wir sprechen hier von Deinem Freund. Bis heute Nachmittag glaubte ich, dass Du ihn liebst. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob Du überhaupt weißt, was das Wort bedeutet.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zu den anderen zurück, ohne sich noch einmal zu Harry umzudrehen.


Der echte Harry saß hinter seiner selbst errichteten Mauer und hatte jedes Wort der Unterhaltung mitgehört. Sein Herz brannte und seine Seele schrie.

Furnius triumphierte. „Ich sagte doch, Du wirst alles verlieren. Dein Untergang hat soeben begonnen!"

Der Magische Schild - HP FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt