Die Stadt im Meer

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Harry spürte das vertraute Ziehen in seinem Magen, als er mit Draco an seiner Seite zum Shell Cottage apparierte. Ron hatte Blaise und Neville untergehakt, Hermine war mit Milli und Theo gereist. Dies war notwendig, weil die anderen noch nie hier gewesen waren. Es erschien dem Trio als zu riskant, ihre Hausgefährten auf gut Glück reisen zu lassen.

Ein kleiner Stich fuhr durch Harrys Herz, als er sich an die Umstände seines letzten Aufenthaltes hier erinnerte. Es kam ihm vor, als seien weit mehr als 6 Monate vergangen, als er Dobby an diesem Ort auf Muggelart begraben hatte. In seinen Händen trug er das Blumenkränzchen, das ihm Kreacher überreicht hatte; diese Geste hatte Harry zu Tränen gerührt. Dobby war nicht vergessen, der Hauself hatte sich für den Dunkelhaarigen geopfert. Eines der vielen Opfer, die Voldemorts blutiger Feldzug durch die magische Welt verursacht hatte...

Vor dem weiß getünchten Haus mit den Muschelschalen im Putz standen Bill und eine etwas rundlicher gewordene Fleur. Ron stürzte sich auf seinen Bruder und umarmte ihn. Währenddessen musterte Fleur interessiert die übrigen Dumblesnape-Schüler. Blaise trat auf sie zu und gab ihr einen formvollendeten Handkuss, während er sich wortreich für die freundliche Einladung bedankte.

„O 'Arry!", rief sie entzückt, „wenn isch gewusst 'ätte, wie charmant Eure Mitbewohner sind, 'ätte isch Bill gedrängt, Eusch schon früher einzuladen. Jetzt bin isch so dick wie eine Walfisch", lachte sie und deutete auf ihren Bauch.

Bill grinste und trat neben seine Frau. „Ach, Liebes, sprich nicht so über unser Kind. Du weißt, ich werde Dich noch lieben, selbst wenn Du doppelt so dick bist." Zärtlich küsste er Fleur auf die Nasenspitze.

Hermine und Milli seufzten entzückt, was bei Theo und Ron leichtes Unbehagen hervorrief. Hoffentlich war eine Schwangerschaft nicht ansteckend! McGonagall würde die beiden Jungs eigenhändig aus der Schule prügeln, sollte eine der beiden Hexen unter ihrer Obhut für Nachwuchs sorgen.

Nach der ersten Begrüßung, bei der Bill Draco einer gründlichen Musterung unterzog, ehe er ihm auf die Schulter klopfte und ihm leise zuraunte „Wage es ja nicht, Harry unglücklich zu machen", führten die der Hausherr und die Hausdame die Neuankömmlinge in das Innere von Shell Cottage.

„Wir haben die beiden Gästezimmer im Obergeschoss magisch geteilt und ein wenig vergrößert, wir belassen es am besten bei der Zimmeraufteilung, die Ihr auch von Hogwarts her kennt."

Etwas erstaunt musste der älteste Weasleyspross feststellen, dass sein jüngster Bruder sich im selben Zimmer wie Hermine einquartierte. „Seit wann gibt es gemischte Zimmer im Schloss?"

Ron fühlte sich ertappt und wurde knallrot. „Ich...ähm...wir...dachten...weil..."

Bill grinste über Rons verlegene Versuche der Rechtfertigung und winkte ab. „Lass es gut sein, ich habe verstanden. Sei aber vorsichtig, die alte Gonni bringt Dich um, wenn Du ihre beste Schülerin in Schwierigkeiten bringst."

Harrys Weg führte hinter das Haus, zu Dobbys Grab. Langsam legte er den Blumenkranz aus seinen Händen auf die Ruhestätte des Elfen. Sich unbeobachtet wähnend, glitt er auf die Knie und sprach mit dem Toten, als würde er neben ihm stehen.

„Kreacher hat mir die Blumen gegeben, damit ich sie Dir bringe. Ich wünschte, Du wärst noch am Leben. Jetzt wärt Ihr sicher Freunde. Ach, Dobby, Du fehlst mir. Die Welt hat sich verändert, Du solltest es sehen. Draco und ich sind jetzt ein Paar, er ist überhaupt wie ausgewechselt. Wahrscheinlich würdest Du ihn nicht wiedererkennen. Hermine führt immer noch ihren B.ELFE.R, jetzt hat sie auch noch Milli überredet, mit ihr Mützchen für die anderen Hauselfen zu stricken. Die wollen davon natürlich nichts wissen. Winky trinkt übrigens nicht mehr, dafür trauert sie immer noch um Dich.

Kennst Du Peeves noch? Er ist jetzt unser Hausgeist, weil ich doch nicht mehr in Gryffindor, sondern mit Draco, Ron, Hermine, Neville, Blaise, Theo und Milli in Dumblesnape bin. Zuvor hatten wir einen anderen Hausgeist, einen fiesen, hinterhältigen Typ, aber McGonagall hat ihn rausgeworfen. Sie macht sich gut als Direktorin, hat allerdings viel zu wenig Zeit, sich um alles zu kümmern. Und gerade jetzt würden die Gryffindors ..."

Eine blasse Hand legte sich auf seine Schulter. Harry zuckte zusammen und wandte sich um. Zwei silbergraue Augen strahlten ihm entgegen. „Hier liegt Dobby, ein freier Elf", las Draco die Inschrift auf dem leicht verwitterten Grabstein. „Ist das der Hauself, den Du meinem Vater stibitzt hast?"

Harry nickte. „Er hat uns geholfen, aus Eurem Verließ zu fliehen, und hat teuer dafür bezahlt."

„Er hat es sicher gern getan, er tat es für Dich, Harry", meinte Draco sehr ruhig und streichelte über den Rücken seines Freundes. „Ich soll Dich holen. Die anderen wollen essen."

Während des Essens wurde wenig gesprochen, erst danach sprachen die Zauberer und Hexen über die große Schlacht in Hogwarts, die so viele Leben gefordert hatte. Auf jeden der geliebten Toten wurde ein Trinkspruch gesprochen, selbst auf Snapes Wohl wurde im Gedenken an den Lehrer getrunken.

Fleur war die Erste, die zu Bett ging. Da sie nichts trinken durfte, war sie als Einzige noch nüchtern und es war auf Dauer sehr ermüdend, dem steigenden Lallen der Zauberer sinnvolle Worte zu entnehmen.

Bill und Ron gaben schließlich noch Fred und Georges Kinderscherze zum Besten, ein Hauch Wehmut lag in ihrem Lachen. Es war weit nach Mitternacht, als die Dumblesnapeschüler und Bill endlich in ihre Betten torkelten.

Draco und Harry versuchten vergebens, ihre Betten zusammenzuhexen, bis sie schließlich eng aneinandergekuschelt in einem der beiden Betten einschliefen.


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„Was meinst Du mit Blumenhaus?", erkundigte sich Severus neugierig. Er erinnerte sich daran, dass Harry davon gesprochen hatte, als er ihm von seinen Träumen erzählte.

Lily lachte. „Du kennst das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, Severus. Dieses Haus wurde mütterlicherseits immer an das jüngste Mädchen weitervererbt. Wir konnten es über 8 Generationen zurückverfolgen – und alle Mädchen hatten Blumennamen. Es gab eine Daisy, eine Poppy, eine Ivy, eine Marigold, eine Pansy, Urgroßmutter Veronica, Großmutter Violet und meine Mutter Rose. Meine Mutter behielt die Tradition bei und gab ihren beiden Töchtern ebenfalls Blumennamen, nämlich Petunia und Lily. Darum wurde es von den übrigen Dorfbewohnern spöttisch das „Blumenhaus" genannt."

Wäre Severus noch am Leben gewesen, hätte sein Herz sicher schneller geschlagen. Dieser Hinweis würde seinen Schülern den richtigen Weg weisen. Er selbst wäre niemals auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet im Haus einer Muggelfamilie ein derart wertvoller Schatz liegen könnte. Andererseits hatte ihn dieser Ort seit jeher magisch angezogen. Ob das wohl doch eher am Schild als an Lily lag?

„Gab es in Deiner Familie vor Dir eigentlich auch schon eine Hexe oder einen Zauberer?", erkundigte er sich betont gelassen. Eine alte Großtante vielleicht?

Lily verneinte, und James warf ein: „Nur ein alter Drache, aber Du kennst Petunia ja selbst."

„Du solltest nicht so von meiner Schwester sprechen, James Potter!", schimpfte seine Frau, während Sirius und Severus unisono erklärten: „Wieso, er hat doch Recht?!"

Daraufhin brachen alle Rumtreiber in lautes Gelächter aus.

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„Na, wartet!", drohte eine Stimme im Schutz der Dunkelheit. „Ihr seid schuld daran, dass meine Ehre besudelt wurde! Niemand legt sich ungestraft mit mir an!" Die vermummte Gestalt trug einen Zauberstab in der Hand. Sir Cadogan hielt gerade ein Nickerchen und sein Pony versuchte zum wiederholten Male vergeblich, aus dem Rahmen auszubüchsen. Plötzlich schreckte der Ritter hoch. „Halt, gib Dich zu erkennen, Schurke! Niemand hat Zutritt zum ehrbaren Hause Dumblesnape!", dröhnte er.

„Das EHRBARE Haus!", höhnte die Stimme, McLaggen schob die Kapuze seiner Robe vom Kopf, ein wahnsinniges Leuchten lag in seinen Augen. Gleichzeitig hob er den Zauberstab und zerschnitt das Portrait. Sir Cadogan und sein Pony suchten fliehend das Weite. Ein „Bombarda" zerstörte den Eingang, gehässig grinsend betrat McLaggen das Reich der so verhassten Schüler.

„Sieh an, sieh an, unser hochverehrter Professor Snape ist nicht hier", spottete er kalt. „Wieder einmal muss ich mein Werk ohne Zeugen vollbringen. Jammerschade." Mit einer einzigen Bewegung seines Zauberstabs schlitzte er das Sofa auf, ein weiteres Wedeln setzte den Tisch in Brand. Lachend schritt er die rechte Treppe nach oben. „So, Granger, dann werden wir uns Dein Zimmerchen vornehmen. Du wirst es bereuen, MICH abgewiesen zu haben." Er riss den Schrank auf und warf alle Kleidungsstücke zu Boden. Verärgert nahm er zur Kenntnis, dass die Hälfte davon einem Zauberer gehören mussten. „So, so, Du treibst es also mit Weasley. Was würde McGonagall wohl dazu sagen? Zu schade, dass ich es ihr nicht sagen kann."

McLaggen zertrümmerte das Bett und wandte sich dann der Truhe zu. „Alohomora", brüllte er die Kiste an, diese öffnete sich jedoch nicht. „Welchen Zauber hat das kleine Schlammblut auf Dich gelegt?", musterte er den Gegenstand mit zusammengekniffenen Augen. „Was verbirgst Du?" Kurzerhand sprach er einen Schwebezauber über den Behälter aus, der hinter ihm herschwebte, während er die Treppe hinunterging und die Räume der Zauberer verwüstete.

Das Zimmer von Blaise und Neville verwandelte er in einen botanischen Garten voller Fangzähniger Geranien, den Raum von Draco und Harry beschmierte er mit unflätigen Beschimpfungen und obszönen Zeichnungen. Im Schlafraum von Theo und Milli fand er hingegen etwas, was seine Aufmerksamkeit mehr auf sich zog als Hermines Truhe. Der Kasten sank zu Boden, während McLaggen andächtig über die beiden Schildteile strich.

„Kommt zu mir, meine Süßen", frohlockte er, „jetzt kann ich Furnius geben, wonach er sich sehnt. Sicher wird er mich reich belohnen."

Er ahnte nicht, dass Peeves das Chaos im Gemeinschaftsraum entdeckt hatte und ihm beunruhigt gefolgt war. Fröhlich pfeifend nahm der geschasste Hüter der Gryffindors die beiden Metallstücke mit den Edelsteinen und verließ – wie er dachte, ungesehen – den Ort seines Triumphes.

Auf Peeves' Gesicht bildete sich eine Zornesfalte. „Du hast mein Haus nicht umsonst verwüstet. Ich verwette meinen Hut, dass Du auch hinter dem Verschwinden des Barons steckst. Die Dumblesnapes werden es erfahren, das verspreche ich Dir", schimpfte er leise und folgte McLaggen unauffällig.

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„Guten Morgen, Schatz", begrüßte Draco seinen Liebsten, als dieser müde seine Augen öffnete.

„Morgen", gähnte Harry zurück und wollte sich umdrehen, um noch ein wenig weiterzuschlafen. Allerdings hatte er vergessen, dass sie beide nicht in ihrer breiten Liebesinsel in Hogwarts lagen, sondern in dem schmalen Bett in Shell Cottage. Folge dessen landete er höchst unsanft auf dem Fußboden und guckte verdutzt nach oben. Hatte Draco über Nacht ihr Schlafzimmer verzaubert?

Der Blonde konnte nur mit Mühe verhindern, laut loszulachen. Der Anblick Harrys, der völlig orientierungslos aus dem Bett gepurzelt war, amüsierte ihn sehr.

„So eilig haben wir es heute auch wieder nicht", spottete Draco und erntete einen wütenden Blick des Dunkelhaarigen. „Aber wenn Du schon einmal wach bist, können wir ebenso gut aufstehen."

Entsprechend mürrisch war Harry, als sie wenig später in der Küche der Weasleys frühstückten. Schon lange hatte sich Fleur gegen ihren Ehemann durchgesetzt, so dass anstelle des üblichen Haferbreis leckere Croissants, Toast, verschiedene Marmeladen und Aufschnitt gereicht wurde. Hungrig stürzten sich die Dumblesnape-Schüler auf die Köstlichkeiten, ihrem Appetit nach waren sie völlig ausgehungert.

„Was sollen wir heute unternehmen?", erkundigte sich Bill neugierig. „Wir könnten draußen auf dem Meer fischen gehen oder Tinworth besichtigen, das, wie Ihr sicher wisst, zu den vier ältesten magischen Siedlungen gehört." Natürlich entschieden sich die Besucher einstimmig für die Ortsbesichtigung.

Zwei Stunden später bereuten sie diesen Entschluss. Nichts, aber rein gar nichts deutete darauf hin, dass sich an diesem Ort ein Schildteil befinden könnte. Die Bevölkerung von Tinworth unterschied sich durch nichts von anderen Menschen; zwar waren einige Zauberer unter ihnen, doch die Muggel, die ebenfalls hier lebten, wussten das nicht.

„... und wie Ihr sicher aus dem Geschichtsunterricht wisst, haben sich mehrere Zaubererfamilien hier niedergelassen, als das internationale Abkommen zur Geheimhaltung der Magie im Jahr 1689 unterzeichnet wurde", erklärte Bill, der sich als Reiseleiter betätigte, während Fleur Lebensmittel einkaufte.

„Was allerdings die Wenigsten wissen, ist, dass der damalige Ortskern durch die große Flut im Jahr 1709 überschwemmt und unter gewaltigen Wassermassen begraben wurde. Dieser Teil der Stadt ist übrigens ziemlich genau unterhalb der Klippe, auf der Shell Cottage steht, das Meer ist dort sehr tief. Solltet Ihr also daran gedacht haben, schwimmen zu gehen, verschiebt das lieber. Das Wasser ist eiskalt und ich möchte Euch nur ungern krank nach Hogwarts zurückschicken."

„Sag mal, Bill, woher weißt Du das mit der Flut?", erkundigte sich Ron. „So was lernt man doch nicht im Geschichtsunterricht, oder?"

„Ach, weißt Du, Ronnie", flachste sein ältester Bruder, „manchmal muss man einfach nur zuhören, wenn sich ältere Leute oder in diesem Fall, ältere Kobolde unterhalten."

Hermine wandte sich an Blaise und Theo, die neben ihr standen und raunte ihnen zu: „Findet Ihr nicht auch, dass das schon merkwürdige Zufälle sind? Prospero hat den ersten Teil des Schildes 1669 erhalten. 20 Jahre später tritt das Abkommen in Kraft und mehrere Magier ziehen hierher. Und dann wird ganz zufällig wieder 20 Jahre später ein Teil des Ortes unter Wasser gesetzt und die magische Welt schweigt diese Tatsache tot. Sehr verdächtig, wenn Ihr mich fragt."

„Meinst Du, wir sollten ...?", fragte Blaise und erntete ein entschiedenes Kopfnicken seiner beiden Mitverschwörer. „Dann sollten wir aber gewisse Vorkehrungen treffen."

Neville blieb ebenfalls zurück, als Bill dozierend weiterlief; manchmal war es nicht zu übersehen, dass Percy ebenfalls sein Bruder war.

„Es ist so langweilig hier, schlimmer als bei Binns während des Geschichtsunterrichts. Was tuschelt Ihr eigentlich die ganze Zeit?"

„Schatz, kennst Du irgendeine Pflanze, mit der man unter Wasser atmen kann?", wandte sich Blaise an Neville. Der schaute ihn ganz verdutzt an. „Ähm, ja, Dianthuskraut. Damit hat Harry im 4. Schuljahr die 2. Aufgabe beim Trimagischen Turnier..."

„Was habe ich?" Mittlerweile waren auch Harry, Draco und Milli stehengeblieben; nur Ron plauderte vergnügt mit seinem Bruder.

„Hermine glaubt, dass wir das nächste Bruchstück unter Wasser finden!", trompetete Blaise heraus und erntete von allen Seiten ein lautes „Schschtt!"

„Dann werden wir wohl heute Nachmittag einen kleinen Strandspaziergang unternehmen", beschloss Draco. „Allerdings sollten wir gewisse Vorkehrungen treffen."

Der Blonde verstand nicht, weshalb Theo und Blaise seine letzte Bemerkung mit einem lauten Stöhnen quittierten.

Mittlerweile hatte Bill bemerkt, dass seine Zuhörer sich nicht mehr für seine Führung interessierten. „Okay, Bruderherz, Du kannst aufhören, mir den Wissbegierigen vorzuspielen. Ich sehe ja, dass Ihr offensichtlich kein Interesse an der Geschichte habt."

Hermine schloss mit raschen Schritten zu den beiden vorangehenden Weasleys auf. „Du, Bill, gibt es hier auch ein Rathaus, ein Archiv oder eine Bibliothek?", fragte sie mit unschuldigem Augenaufschlag. Ron stöhnte auf. Er liebte seine Freundin sehr, aber ihr Bücherwahn trieb ihn in den Wahnsinn.
Er ahnte ja nicht, dass Hermine die Zeit bis zum Mittagessen dafür nutzen wollte, gemeinsam mit Theo die alten Geschichtsbücher durchzuforsten, um mehr über den versunkenen Teil der Stadt und dessen Gebäude zu erfahren.

Doch auch hier blieb ihre Suche ohne Erfolg; hätte Bill den versunkenen Ortsteil nicht erwähnt, gäbe es nicht die geringste Spur. Hermine war sich mittlerweile völlig sicher, dass unter den gewaltigen Wassermassen ein Schatz auf sie wartete.


Nach einem leichten Mittagessen hatten sich die Schüler am Strand unterhalb der Klippe eingefunden. Wie ein glatter Spiegel lag das Meer vor ihnen, eine sanfte Brise zog leichte Kreise auf dem Wasser.

„Wie machen wir es jetzt?", erkundigte sich Theo. „Unser Dianthuskraut reicht gerade mal für die Hälfte von uns. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, wenn nur vier runtergehen. Immerhin hieß es ja immer, dass wir eine Einheit sein sollen."

Harry überlegte. Krum hatte sich beim Trimagischen Turnier teilweise in einen Hai verwandelt. Ob einer seiner Freunde das wohl konnte? Sein Blick blieb an Blaise hängen, der nervös mit seinem Fuß Muster in den nassen Sand zeichnete. Schuldbewusst blickte der ehemalige Slytherin hoch.

„Es ... gibt da ... etwas, das Ihr ... wissen solltet", stammelte er unsicher. „Ich weiß, ich hätte es Euch eher sagen müssen, aber – na ja, bis jetzt gab es ja noch keine Gelegenheit dazu. Versprecht mir bitte, dass Ihr mich nicht beim Ministerium anschwärzt."

Draco war irritiert. Sein bester Freund hatte Geheimnisse vor ihm? Was hatte der Schwarzhaarige jetzt wieder ausgefressen? „Zabini, was ist los?", fragte der Blonde beunruhigt, wilde Befürchtungen zogen durch seinen Kopf.

Blaise senkte den Kopf. „Ich bin ein nicht registrierter Animagus."

„Und wann wolltest Du mir das erzählen?", keifte Draco, den das fehlende Vertrauen seines Freundes in ihn unendlich kränkte. „Bevor oder nachdem ich die letzten Zähne verloren habe?" Wütend drehte er sich um.

„Draco, bitte!", flehte Blaise. „Es lag nicht etwa daran, dass ich Dir nicht vertraut hätte – ich wollte nicht, dass es irgendjemand erfährt, schon gar nicht das Ministerium."

Der Blonde schmollte weiterhin, während Hermine pragmatischer dachte. „Welche Gestalt hat Dein Animagus, Blaise?", erkundigte sie sich neugierig.

Hoffnungsvoll blickte der Angesprochene auf. „Es ist ein Delphin."

„Das ist großartig!", entfuhr es Harry und selbst Draco blickte seinen besten Freund neugierig an. Dann erinnerte sich der Blonde jedoch daran, dass er wegen Blaise schmollte und wandte sich ab. Blaise seufzte. Warum war Draco nur immer so schrecklich schnell eingeschnappt?

„Dann brauchen wir also noch für 3 Leute eine Alternative", schlussfolgerte Theo. „Irgendwelche Vorschläge?"

Harry räusperte sich. „Nun, Cedric benutzte beim Trimagischen Turnier einen Luftblasenzauber. Die Eitlen unter uns" – sein Blick glitt wie zufällig über seinen Liebsten – „könnten damit verhindern, dass ihre Haare nass werden."

Draco, Milli und Hermine beschlossen dann auch, diesen Zauber zu verwenden. Geschwind wurden aus den Alltagskleidern der Schüler Tauchanzüge, die verhindern sollten, dass die Dumblesnapes unter Wasser froren.


Blaise stieg zitternd und bibbernd ins eisige Wasser, doch bevor er seinen Zauber aussprach, wandte er sich an seinen besten Freund. „Draco, es tut mir leid, dass ich Dir nichts davon gesagt habe. Aber wann hätte ich das denn tun sollen? Bis jetzt gab es keine passende Gelegenheit – und Du weißt selbst, dass Malfoy Manor noch immer unter Beobachtung des Ministeriums steht. Wenn ich es Dir dort gesagt hätte, wäre ich innerhalb von 10 Minuten ein registrierter Animagus gewesen und das wollte und will ich einfach nicht. Du weißt, dass ich Dir vertrauen kann und deshalb möchte ich auch, dass Du meinen Zauberstab nimmst, während ich ein Tier bin."

Diese Worte liefen Draco runter wie Öl, nickend versprach er Blaise, dessen Stab zu behüten.

Blaise sprach seinen Zauber und plötzlich tummelte sich anstelle des gutaussehenden Zauberers ein Delphin im Wasser und drehte fröhlich seine Runden.

Neville, Harry, Ron und Theo griffen jeweils nach einer Dianthuskraut-Kugel und begannen zu kauen. Für Harry war es ein bekanntes Gefühl, als er plötzlich keine Luft mehr bekam; an seinem Hals hatten sich Kiemen gebildet. Schnell tauchte er unter und sog das Sauerstoff spendende Wasser ein.

Die anderen drei waren erst einmal überwältigt von den sonderbaren Empfindungen, die ihre Körper durchströmten, als sie feststellen mussten, dass sie außerhalb des Wassers keine Luft mehr bekamen. Irritiert betrachteten sie die Schwimmhäute, die ihnen zwischen den Fingern und den Zehen gewachsen waren.

Harry nickte ihnen aufmunternd zu und glitt durch das glatte Meer, in dem Delphin-Blaise sich gerade an einem hohen Sprung versuchte. Das vorher so eiskalte Wasser erschien Harry jetzt erfrischend und angenehm, vergnügt plantschte er durch die Fluten und versuchte, hinter Blaise herzujagen.

Draco unterbrach das fröhliche Treiben. „Wir sollten uns nicht zu lange hier aufhalten. In einer Stunde lässt die Wirkung des Krauts nach, ich würde meinen Freund nur ungern ertrinken sehen, weil er zu viel Zeit mit Herumtollen verbracht hat. Also los jetzt. Ab in die Tiefe!" Seine Stimme klang durch die Luftblase sehr verzerrt, doch man hörte sehr wohl die Sorge heraus.

Langsam glitten die Zauberer und Hexen nach unten. Das Meer war an dieser Stelle wirklich ungewöhnlich tief, kaum ein Lichtstrahl drang von oben durch. Immer weiter wagten sich die Dumblesnape-Schüler in die trübe Dunkelheit vor. Langsam gewöhnten sich auch ihre Augen an das fahle Licht und erspähten neue, unbekannte Landschaften. Es gab so viel mehr als nur Wasser und Tang und doch waren sie noch weit vom Meeresgrund entfernt. Hin und wieder schwamm ein Fisch an ihnen vorbei: Ron konnte nur mit Mühe einen Anfall von Panik unterdrücken, als er eine Wasserspinne sah.

Plötzlich hielt Harry abrupt in seinen Schwimmbewegungen inne und deutete auf eine Stelle, die vor ihm lag. Viele steinerne Häuser, die reichlich mit Seetang und Algen bewachsen waren, deuteten darauf hin, dass hier tatsächlich einmal Menschen gelebt haben mussten.
Aber in welcher der Behausungen mochte sich der Schildteil befinden? Die Gebäude glichen einander wie ein Ei dem anderen. Sie alle zu durchsuchen würde wohl zu viel Zeit kosten. Harry hatte keine Ahnung, wie viele Minuten ihnen noch blieben, unter Wasser hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Hier, am Grund des Meeres, war das Reich der Ewigkeit.

Dann entdeckte er ein kleines, halb verfallenes Häuschen, das ein wenig abseits von den anderen lag. Im Gegensatz zu den anderen Häusern befand sich dieses jedoch unter einer großen Luftblase. Harry hatte dafür keine Erklärung, aber es schien ihm, als würde ein Übermaß an Magie die Ursache für dieses Phänomen sein.

Vom Häuschen unter der Luftblase abgelenkt, achteten die Schüler nicht auf die Wassermenschen, die die Gruppe umzingelte.

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‚Wo soll ich die beiden Teile nur verstecken?', grübelte McLaggen nach. Er brauchte dringend einen Platz, an dem die wertvolle Beute gelagert werden konnte, bis er sie Furnius übergeben konnte. Sicher würde der Geist ihn reich belohnen. Der Gryffindor sah sich schon als heimlicher Herrscher der magischen Welt. Geld, Macht und Ansehen würden ihm Türen öffnen, die ihm bislang verschlossen geblieben waren.

‚Am besten deponiere ich meinen Schatz an einem Ort, an dem ihn keiner sucht. Tja, Weasley, sehr angenehm, dass Du damals die Kammer des Schreckens geöffnet, aber nicht wieder verschlossen hast. Ein besseres Versteck finde ich im ganzen Schloss nicht – und einen Bewacher habe ich auch gleich, wenn auch der Blutige Baron nichts davon weiß. Ha, wenn nur Furnius jetzt hier wäre. Sein Widersacher in einer engen Flasche gefangen, die Schildteile sicher in meiner Hand, das hat er mir sicher nicht zugetraut. Dafür muss die Belohnung schon sehr hoch ausfallen.' Ein böses Grinsen zog sich über McLaggens Gesicht.
Peeves ließ den verhassten Schüler nicht aus den Augen.

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Während die Dumblesnape-Schüler all ihre Aufmerksamkeit auf das kleine Häuschen richteten, starteten die Wassermenschen einen Überraschungsangriff. Ehe es sich die Zauberer und Hexen versahen, schossen auf jeden von ihnen acht Wassermenschen zu. Hässlich waren sie anzusehen, mit der grauen Haut und den langen, ungepflegten grünen Haaren, den gelben Augen und den splittrigen Zähnen. Beunruhigend waren aber vielmehr die Silberspeere in den Händen, die das Meervolk auf die fünf Zauberer und zwei Hexen gerichtet hatte. Nur Blaise hatte dank seines delphineigenen Radarsystems die Wesen frühzeitig entdeckt und sich zurückgezogen.

Für mutige Aktionen war seiner Meinung nach jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, er zog die Slyltherin-Tugenden einem unüberlegten Handeln vor. Hinter einem der Häuser fand er Deckung und musste so mit ansehen, wie seine Freunde nun von weiteren Wassermenschen umzingelt wurden. Es lief ihm heiß und kalt über den Rücken hinunter, als die übrigen Dumblesnape-Schüler auf eine Art Dorfplatz gebracht wurden. Das Meervolk machte keine Anstalten, die Eindringlinge wieder gehen zu lassen; im Gegenteil, sie pieksten ihre Gefangenen mit ihren Speeren. Die Gedanken in Blaise' Kopf rasten, als er nun Zeuge wurde, wie einem nach dem anderen der Zauberstab abgenommen und sie kurz darauf gefesselt wurden.

Vergessen war der Schild, hier zählten nur seine Freunde und seine große Liebe Neville. In kurzer Zeit würden sowohl die Zauber als auch das Dianthuskraut die Wirkung verlieren; wären die Schüler dann nicht wieder an der Oberfläche, würden sie hier jämmerlich ertrinken.

Blaise wartete nicht mehr lange. Das Adrenalin in seinen Adern trieb ihn gnadenlos an, als er sich wütend auf die Meeresbewohner stürzte, die beim Anblick des verärgerten Fisches entsetzt flohen. Der Delphin versuchte, die Fesseln, die Neville hielten, durchzubeißen, doch er stellte fest, dass das ein sinnloses Unterfangen war.

Wutentbrannt schwamm er auf den Meermann zu, der offensichtlich der Anführer der feindlichen Wesen war, denn als Einziger trug er eine Muschelkette – und hielt die 8 Zauberstäbe in seinen Händen. Ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, rammte er den Häuptling und schnappte im Vorbeischwimmen nach den Zauberstäben, die dieser beim Versuch, dem Angriff des Delphins zu entgehen, fallengelassen hatte.

Mit den Stäben der Dumblesnapes in der Schnauze schwamm Blaise zu seinem Gefährten; er dankte Merlin dafür, dass Snape in der 6. Klasse darauf bestanden hatte, dass alle Slytherins die Kunst ungesagter Zauber perfekt beherrschten. Damals hatte der Dunkelhaarige genau wie seine Klassenkameraden über die Härte und den Drill des Professors geschimpft, jetzt erst wusste er, warum Snape solchen Wert darauf gelegt hatte.

Vorsichtig richtete Delphin-Blaise die Stäbe auf die Tangstränge, die Neville zur Bewegungsunfähigkeit verdammten und konzentrierte sich mit aller Willenskraft auf den Entfesselungszauber, mit dem er seinen Liebsten befreite.

Dankbar strich der ehemalige Gryffindor dem Fisch über die Flanken, ehe er seinen Zauberstab aus dessen Maul zog.

Das Meervolk war über die Befreiung ihrer Gefangenen durch den Delphin äußerst ungehalten und formierte sich seinerseits zu einem neuen Angriff. Immer wieder musste Blaise mit seiner Schwanzflosse die feindlich gesinnten Meerbewohner abwehren, während er als nächstes Draco und Theo befreite. Die beiden mussten ihm helfen, denn auch wenn er viel von Hermines Intelligenz und Harrys Pfiffigkeit hielt, so waren ihre Fähigkeiten für ungesagte Zauber nicht besonders ausgeprägt. Endlich hatte er seine Freunde entfesselt, Draco nahm die Zauberstäbe an sich. Der Blonde und Theo befreiten nun ihrerseits die anderen Schüler aus ihrer misslichen Lage. Währenddessen verhinderte Blaise, dass die Wassermenschen zu den Schülern durchdrangen. Endlich fielen die letzten Fesseln, die Dumblesnapes konnten sich zur Wehr setzen.

Harry erinnerte sich daran, wie er sich dem Grindeloh während des Trimagischen Turniers widersetzt hatte. Er sprach den Relaschio und wie damals ergoss sich statt des roten Funkenregens ein Schwall heißes Wasser über seinen Angreifer. Der Meermann wich kurz zurück, um wenig später noch wütender anzugreifen.

Ohne Blaise wäre diese Mission wohl zum Scheitern verurteilt gewesen, doch der Delphin kämpfte hart und mutig für die Freiheit und das Leben seiner Freunde. Er würde nicht eher ruhen, bis er seine Freunde außer Gefahr wusste. Zornig griff er immer wieder an, stieß nach vorne und schlug mit seiner gewaltigen Schwanzflosse nach den hässlichen Wesen.

Plötzlich erstrahlte ein gleißendes Licht, das versunkene Dorf war hell erleuchtet und die Luftblase über dem Haus glitt schillernd nach oben. Wie erstarrt beobachteten Angreifer und Verteidiger dieses Schauspiel und wussten es nicht zu deuten. Nur der Häuptling der Meeresbewohner verneigte sich vor den Schülern, allein Blaise verstand seine Worte.

„Die Einheit der Acht ist gekommen, um das zu holen, was seit Jahrhunderten im Meer verborgen ist. Du hast Mut bewiesen und für Deine Freunde gekämpft. Ihr seid die Auserwählten, deren Kommen in unseren Legenden geweissagt wurde. So holt Euch denn, was Euer ist. Mein Volk wird nicht länger zwischen Euch und dem Schatz stehen."

Blaise stieß ein paar pfeifende Laute aus, um sich zu bedanken und schwamm zu dem kleinen Häuschen. Kurze Zeit später kam er mit einem Metallstück in der Schnauze zurück, die Luftblase hatte verhindert, dass es unter dem salzigen Meerwasser gelitten hätte. Staunend betrachteten die Dumblesnapes den walnussgroßen Hämatit. Sie hatten den dritten Schildteil gefunden. Blaise hatte sie alle gerettet.

Zügig traten sie den Rückweg an, sie durften nicht länger im Meer verweilen. Das Licht, das die Häuser beleuchtet hatte, verlosch. In der Dunkelheit waren sie ein weiteres Mal auf Blaise angewiesen, dessen Animagus als Einziger noch Orientierungssinn besaß.

Harrys Herz hüpfte vor Freude, als er weit über sich einen hellen Punkt entdeckte, der immer größer wurde. Er spürte Schmerzen am Hals, seine Kiemen bildeten sich zurück. Das Luftholen fiel nun schon sehr schwer, die Schwimmhäute verschwanden. Die letzten Meter kämpfte er gegen sich selbst und strampelte verzweifelt mit den Beinen. Dann stieß sein Kopf durch die Wasseroberfläche und Luft durchflutete seine gequälten Lungen. Erschöpft krabbelte er an Land.

Suchend blickte er sich um und war erleichtert, als seine Freunde japsend aus den eisigen Fluten auftauchten. Draco zückte seinen Zauberstab und verhalf seinem besten Freund wieder zu dessen menschlicher Gestalt. Noch immer hatte Blaise das mühsam eroberte Artefakt im Mund. Befreit fiel der Blonde ihm um den Hals. „Danke, mein Freund", flüsterte er mit belegter Stimme. „Du hast uns da unten das Leben gerettet."

Schnell kletterten die Zauberer und Hexen aus dem kalten Wasser. Die Kleidung wurde zurückverwandelt, ein Wärmezauber heizte den durchfrorenen Schülern ein.

„Wir sollten zurückgehen, bevor Bill auf dumme Gedanken kommt", mahnte Ron und erntete Zustimmung. „Blaise, diesen Schildteil hast Du Dir verdient. Mach Dir Gedanken, wie Du ihn an meinem Bruder vorbeischmuggeln kannst."

Blaise grinste. „Eine meiner leichtesten Übungen."

Der Magische Schild - HP FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt