2. The Six

546 13 0
                                    

Song: Softcore - The Neighborhood

Kai liegt auf meinem neuen Bett und liest, während ich mich auf dem Boden sitzend vor dem großen Spiegel fertig mache. Das Gästezimmer hat alles, was ich brauche. Ein großes Bett. Einen Schrank. Einen Schreibtisch. Und einen Spiegel.

„Was liest du?", frage ich während ich mir einen Lidstrich mit schwarzem Kajal ziehe.

„The picture of Dorian Grey", sagt Kai. „Dieser Dorian Grey ist ein richtiges Arschloch. Erinnert mich ein bisschen an dich."

„Ha.Ha.", gebe ich nur zurück.

„Augen zu.", befehle ich. Kai dreht sich stöhnend auf den Bauch und vergräbt sein Gesicht im Kissen.

„Nichts, was ich nicht schon gesehen habe", murrt er ins Kissen.

„Wie bitte? Davon träumst du wohl." Ich tausche meine Leggins gegen einen schwarzen Minirock.

„Im Schwimmbad meinte ich.", murmelt Kai.

„Du kannst wieder schauen." Ich binde mir ein blaues Bandana um und drehe mich zu Kai um.

„Was sagst du, kann ich so gehen?", frage ich.

Kai schaut langsam an mir herunter. Dann lässt er seine Augen einen Moment über mein Gesicht wandern.

„Ähm...", er schluckt. „Ja, klar. Du...Du siehst gut aus, Elli."

Ich kichere. „So gut, dass es dir die Sprache verschlägt."

„Ach was.", sagt er nur und wendet sich wieder seinem Buch zu. Doch ich könnte schwören, dass seine Wangen etwas rot geworden sind.

Mein Handy vibriert auf dem Bett. Ich mach einen Hechtsprung aufs Bett und lande neben Kai. Dann schaue ich auf mein Handy.

Cami-Maus: Wann kommst du? Ich dachte du wolltest noch Backstage kommen vor der Show.

„Scheiße, ich muss los. Sicher, dass du nicht mit willst? Letzte Chance.", sage ich zu Kai, während ich mein Handy, Schlüssel und Geldbeutel in meine Tasche stopfe.

„Ja sicher, das ist nicht so meine Art von Musik. Sag Cami liebe Grüße."

Fünfzig Minuten später stehe ich vor dem Club, in dem Cami heute auftritt. Mit einem Lächeln strecke ich dem Türsteher meinen Ausweis entgegen. Er macht mir ein Unter-18-Bändchen um, da ich noch 16 bin, und sagt: „Kein harter Alkohol. Verstanden? Und um zwölf ist Schluss."

„Verstanden.", grinse ich.

Im Club bahne ich mir einen Weg durch die immer voller werdende Tanzfläche und hinter die Bühne. Ich schaue auf mein Handy. Noch fünf Minuten bis die Show beginnt. Shit, ich bin echt spät dran.

Sobald ich Cami erblicke, setze ich mein schuldbewusstestes Lächeln auf.

„Du bist spät.", sagt sie und zieht eine Augenbraue in die Höhe. Sie ist wunderschön, meine beste Freundin. Die beste Weise, sie zu beschreiben, ist, sie ist die Art von Mädchen, über die man Songs schreibt. Sie hat lange schwarze Haare und große braune Rehaaugen und so ziemlich den sinnlichsten Mund, den ich je gesehen habe.

„Ich weiß, sorry. Kai hat mich abgelenkt. Liebe Grüße übrigens."

„Ach, wie lief der Abschied von deiner Mom?"

„Kannst du dir denken. Sehr lange und tränenreich. Aber es ist nur ein halbes Jahr. Ich werde es überleben.", sage ich und setze mich auf eine Soundbox.

Cami fängt an, ihre E-Gitarre noch einmal zu stimmen. Es ist immer das letzte, was sie vor jedem Auftritt noch einmal macht.

„Und Vince?", fragt sie.

„Vince ist halt Vince. Wie immer. Ich weiß nicht was er gegen mich hat, aber es ist mir auch egal."

Dann kommt die Ansage, dass nun The Six auf die Bühne kommen werden. Schnell gebe ich Cami ein Küsschen auf die Wange und verschwinde aus dem Backstage-Bereich. In den letzten fünf Minuten ist es noch einmal deutlich voller im Club geworden. Ich bahne mir einen Weg durch die dicht an dicht stehenden Menschen ganz nach vorne an die Bühne.

„Nun für euch live The Six!", sagt eine Stimme ins Mikrofon. Darauf betreten Cami und ihre Bandkollegen die Bühne.

Als ersten Song spielen sie Softcore von The Neighbourhood. Und ich singe laut mit, da es eines meiner Lieblingslieder ist.

Bei der Line „Sharing my heart it's tearing me apart" sehe ich am anderen Ende der Tanzfläche ein mir bekanntes Paar braune Augen, das mich durchdringend anschaut. Als Vince sieht, dass ich ihn bemerkt habe, hebt sich einer seiner Mundwinkel leicht. Während ich ihm in die Augen schaue, recke ich langsam meinen Mittelfinger in die Höhe und küsse ihn.

Vince hebt als Antwort nur ebenfalls seinen Mittelfinger, grinst nun aber eindeutig. Ich wende mich wieder der Bühne zu, kann aber nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schleicht.

Consume Me (Neue Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt