22. Nie wieder

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Song: Now That We Don't Talk- Taylor Swift

Meine Hände zittern. Ich wackle mit meinem Bein, das ich überkreuzt habe. Ich atme schnell. Trotzdem kann ich, als ich im Zug sitze, meine Entscheidung nicht bereuen, meinen Vater zur Rede zu stellen.

Seit er uns vor elf Jahren verlassen hat, fühle ich mich nicht gut genug. Und diese Gedanken hat er bestätigt, als er an meinem Geburtstag nichts von sich hören lassen hat.

Ich bin nicht mehr enttäuscht. Ich bin sauer.

Wenn man ein Kind in die Welt setzt, sollte man diesem seine uneingeschränkte Liebe schenken. Ohne Vorbehalte. Dabei ist es egal, ob man mit seinem Partner zusammenbleibt. Dein Kind sollte deine Priorität sein. Aber ich habe das Gefühl, ich bin meinem Vater egal.

Ich verpasse fast die Haltestelle, an der ich raus muss. Aber ich schaffe es noch und stolpere aus dem Zug.

Ich gehe den kurzen Weg zum Haus meines Vaters. Es ist ein großes, modernes Haus mit einem flachen Dach und großen Glasfronten. Ich frage mich, warum meine Mom und ich in einer kleinen Wohnung leben müssen. Mein Vater ist Arzt und verdient ganz schön gut, aber er gibt uns nie mehr Geld, als er muss. Das habe ich bisher immer so hingenommen. Aber als ich zum ersten Mal vor dem Haus meines Vaters stehe, fühle ich Wut in mir und Schmerz. Dann ist es soweit und ich klingle.

Nach kurzer Zeit öffnet mir eine Frau die Tür. „Hallo, wie kann ich ihnen helfen?"

„Ich bin Richards Tochter."

Sie schaut mich überrascht an.

„Rikki?", ruft sie nach drinnen.

Dann kommt mein Vater zur Tür. „Ella, was machst du denn hier?"

Ich schlucke meine Aufregung herunter. „Können wir reden?"

Er nickt und bedeutet mir, ihm zu folgen.

Dann sind wir zu zweit in einer Art Arbeitszimmer und mein Vater schließt die Tür hinter mir. Ich schaue mich um. Wie der Rest des Hauses ist es auch hier super ordentlich und sauber. Ein Glastisch mit einem Bildschirm steht in der Mitte des Raums. Es stapeln sich Bücher in den Regalen und es gibt eine Glasfront.

Mein Vater mustert mich. „Was gibt's?"

„Was es gibt? Du hast meinen Geburtstag vergessen!", rufe ich.

Er schaut mich mitleidig an. „Ella. Katja ist schwanger. Ich glaube, du bist jetzt alt genug, um dich um dich selbst zu kümmern. Mein Kind braucht meine ganze Aufmerksamkeit."

Oh. Seine neue Frau ist also schwanger. Und jetzt bin ich gar nicht mehr wichtig.

„Dein Kind? Ich bin auch dein Kind, falls du es vergessen hast! Oder willst du mich ersetzen? Bist du nicht Mann genug, um dich um zwei Kinder zu kümmern?"

Ich verstehe erst gar nicht, was passiert, als mein Kopf zur Seite fliegt und ich einen stechenden Schmerz in meiner Wange und meinem Kiefer spüre.

Ich fasse mir an mein Gesicht und schaue meinen Vater erschrocken an.

Er hat mich gerade geschlagen. Mein eigener Vater.

Tränen bahnen sich einen Weg über mein Gesicht. „Gut, dass wir das geklärt haben.", sage ich emotionslos und gehe, bevor mein Erzeuger etwas sagen kann.

Ich schlage die Haustür hinter mir zu.

Als ich auf den nächsten Zug warte, laufen mir immer noch wütende Tränen über meine Wangen. Ein pochender Schmerz macht sich in der linken Seite meines Gesichts breit.

Mein Vater hat mich noch nie geschlagen. Ich habe es nicht erwartet. Aber jetzt weiß ich, woran ich bin.

Er will mich nicht. Er hat mich ersetzt. Und mein Wohlbefinden ist ihm egal. Er sollte mir auch egal sein, aber ich vermisse immer noch, den Dad den ich hatte, als ich klein war.

Ich streiche mir die Tränen von den Wangen und zwinge mich, aufzuhören mit dem Weinen. Dann steige ich in den Zug und schwöre mir, nie wieder hier herzukommen.

Consume Me (Neue Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt