Nymphadora Tonks

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Der Oktober schritt ohne besondere Vorkommnisse voran. Ein letztes Mal bäumte sich der Spätsommer auf und Harry und seine Freunde genossen die Temperaturen um die zwanzig Grad. Wenige Tage später schon folgte der erste Herbststurm. Die meisten Blätter waren von den Bäumen gefallen und wirbelten durch die Luft. Klein-Hermine und Klein-Harry hatten großen Spaß dabei, als ihr Vater und Sirius im Garten der Löwenhöhle einen Drachen steigen ließen.

Am 23. Oktober sollte Sarah Augusta Longbottom getauft werden. Die Taufe sollte in Tinworth stattfinden, einem kleinen Dorf im äußersten Südwesten Englands in dem die Longbottoms zusammen mit einigen anderen Zaubererfamilien lebten, ohne dass die Muggelnachbarn je Verdacht geschöpft hätten. Auch Tinworth hatte eine Dorfkirche, ein alter, schon leicht verwitterter Steinbau aus dem 15. Jahrhundert.
Neben Lily, James und ihren Kindern waren auch Remus mit Teddy, Sirius sowie Harry, Hermine, Ron und Ginny eingeladen. Am Vormittag trafen sie alle im Haus der Longbottoms ein. Als er sich umblickte, war Harry überrascht, als er Andromeda und Ted Tonks entdeckte. Es stellte sich heraus, dass Ted Sarahs zweiter Pate werden sollte. Schon seit Hogwarts war er Franks bester Freund, hatte mit ihm sieben Jahre in Hufflepuff verlebt.

Wenn die beiden hier waren, dann musste doch auch ... Suchend sah Harry sich um und sah zunächst nur ein Gewusel aus Kindern. Neben den Potters und Remus waren auch noch andere Familien mit Kindern eingeladen. Und ... tatsächlich! Nach einigen Momenten erblickte er zwischen den Kindern den bonbonrosa Haarschopf eines etwa neunjährigen Mädchens. Es war tatsächlich Nymphadora Tonks. Ängstlich an sie geklammert hatte sich ein kleiner, etwa zweijähriger Junge mit blonden Haaren, den die vielen fremden Menschen nicht so ganz geheuer waren. Harry erkannte den jungen Draco Malfoy.

Plötzlich entdeckte Tonks die Neuankömmlinge und lief zu ihnen.
"Hallo Onkel Sirius!", rief sie vergnügt und umarmte den Cousin ihrer Mutter.
"Oh, hallo Nymphadora!", lachte Sirius.
Augenblicklich färbten sich die Haare des Mädchens feuerrot. "Nenn mich nicht so! Ich hasse diesen Namen!"
Harry musste sich in die Hand beißen, um nicht laut loszulachen; auch Hermine und Ginny verfolgten das Gespräch amüsiert, während Ron schon das Buffet ins Visier genommen hatte.
Remus hatte sich merkwürdig verkrampft, seit Tonks aufgetaucht war. Wie um Merlins Willen sollte er sich ihr gegenüber verhalten, jetzt, da er wusste, dass sie einmal heiraten würden - oder geheiratet hatten in einer andern Zukunft - und sie die Mutter seines Sohnes war? Und was sollte er sagen, wenn sie nach Teddy fragte? Andererseits musste er lernen, mit ihr zu sprechen. Schließlich würde sie in zwei Jahren seine Schülerin sein und dann musste er auch normal mit ihr reden.

Jetzt trat auch Andromeda zu ihnen und begrüßte Sirius. "Ich freue mich auch, dich zu sehen, Meda", erwiderte Sirius und umarmte sie. "Wie geht es dir?"
"Wieder besser", sagte Andromeda seufzend. "Inzwischen sind neun Monate vergangen, aber es tut noch immer weh. Ich meine, ich habe Bellatrix gehasst und verachtet und ich bin in gewisser Hinsicht erleichtert, dass sie jetzt keinen Schaden mehr anrichten kann, aber trotz allem war sie meine Schwester.
Und Narzissa - es schmerzt mich sehr, dass auch sie sterben musste. Trotz unserer Differenzen haben wir über die Jahre immer Kontakt gehabt, neben dir die einzige aus der Familie und jetzt musste sie auf so schreckliche Weise für die Fehler ihres Mannes büßen."

Sirius nickte verständnisvoll. Tatsächlich war Narzissa zwar arrogant und hochnäsig gegenüber Muggelgeborenen gewesen, aber niemals auch nur annähernd so fanatisch wie Bellatrix.
"Und wie geht es ihrem Sohn? Er lebt doch jetzt bei euch, oder?"
Andromeda nickte. "Ja, das tut er. Die erste Zeit hat er natürlich sehr viel geweint und nach seiner Mutter geschrien, aber inzwischen hat er sich gut bei uns eingewöhnt. Wahrscheinlich kann er sich nicht einmal mehr an sie erinnern. Doch jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, sehe Narzissa vor mir und ich habe ihr geschworen, dass es ihm bei uns an nichts fehlen wird."
"Du kannst jederzeit auf meine Hilfe bauen, Meda, das weißt du", sagte ihr Sirius zu. Sie nickte dankbar und verschwand dann wieder in der Menge. Im Wohnzimmer des Hauses war ein Tisch aufgebaut, auf dem sich die Taufgeschenke stapelten. Lily als Patin hatte natürlich ein besonderes Geschenk mitgebracht. Ein feines Goldkettchen, das sich magisch erweitern ließ, sodass Sarah es sowohl als Kind als auch später als Erwachsene um den Hals würde tragen können. An dem Kettchen war ein kleines Medaillon, in dem zwei kleine Bilder versteckt werden konnten.

Nach einiger Zeit stellte sich Alice und Frank auf einen Treppenabsatz und verkündeten, dass sie nun alle miteinander zur Dorfkirche gehen würden. So machte sich eine Prozession aus etwa 30 Erwachsenen und 15 Kindern auf den Weg durchs Dorf und waren nach gut zehn Minuten an der alten Steinkirche angelangt.
Diesmal war der Geistliche kein Muggel, sondern ein für familiäre Zeremonien wie Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen zuständiger Ministeriumsmitarbeiter. Frank und Alice kannten ihn gut, er hatte sie auch schon getraut, Neville getauft und zuletzt Anfang Januar die Beerdigung von Franks Mutter Augusta geleitet. Wie schon bei Sophies und Alexanders Taufe hielt der Geistliche eine Predigt über familiären Zusammenhalt, die Entwicklung des Kindes und die Pflichten der Paten. Im Gegensatz zu Pastor Richards hatte der Geistliche aber eine leiernde Stimme, die die Aufmerksamkeit rasch verebben ließ. Dementsprechend wurden die Kinder bald schon unruhig.

Irgendwann, nach dem zweiten Lied, bat er dann jedoch Alice und Frank mit Sarah sowie die beiden Paten, nach vorne ans Taufbecken zu treten. Zunächst taufte er das kleine Mädchen auf den Namen Sarah Augusta Longbottom. Ihr gefiel das Wasser auf dem Kopf gar nicht und sie brüllte los, ließ sich aber rasch von Alice wieder beruhigen. Dann legte sie sie in Lilys Arme, die gelobte, ihr immer mit Rat und Tat beizustehen und für sie da zu sein. Alice und Frank führten über Lily und Sarah den gleichen Zauber aus wie damals Lily und James über Alice und Sophie und ein silbernes Netz entstand um Lily und ihr Patenkind, das das zwischen ihnen geknüpfte Band verdeutlichte.
Anschließend war Ted Tonks an der Reihe, auch er gelobte, seiner Patentochter beizustehen und auch zwischen ihm und Sarah wurde ein magisches Band geknüpft. Anschließend setzten sich alle wieder in die erste Reihe der Kirchenbänke. Nach zwei weiteren Liedern war der Taufgottesdienst beendet. Alice und Frank hatten den Geistlichen zwar zur Feier in ihr Haus eingeladen, doch er lehnte höflich ab; er hatte noch mehrere andere Zeremonien an diesem Tag zu leiten.

Da das Haus der Longbottoms nicht groß genug war, um für die ganze Gesellschaft Platz zu bieten, hatten sie einen großen Festsaal mit angeschlossenem Spielzimmer in einem Gasthaus in Tinworth gebucht. Der Besitzer des Gasthauses war selbst ein Zauberer und sorgte daher dafür, dass sich nicht zufällig ein Muggel in den mit dutzenden Zauberern gefüllten Saal verirren konnte.
Nach dem Kaffeetrinken mit sehr leckeren Torten und Kuchen wanderten Harry, Hermine, Sirius und Remus hinüber zu Klein-Harry, Klein-Hermine und Teddy, die sich zusammen mit anderen Kindern in der Spielecke beschäftigten. Plötzlich ertönte ein lautes Geschrei. Draco war beim Laufen gestolpert und hatte sich den Kopf an der Wand angestoßen und nun weinte er bitterlich. Schon nach wenigen Momenten sahen sie Tonks zu ihm hinlaufen. Sie zog ihn hoch, nahm ihn auf den Arm und redete beruhigend auf ihn ein, woraufhin irgendwann zu weinen aufhörte. Mit leichtem Schmunzeln sah Harry den beiden zu. Es war schwer vorzustellen, dass aus solch einem niedlichen kleinen Kind einmal so ein Arschloch und Todesser werden könnte, wie Malfoy es gewesen war. Aber in der veränderten Zukunft würde er es wahrscheinlich gar nicht werden.

Mit dem linken Arm hielt Tonks ihren Cousin fest, mit der rechten streichelte sie ihm über sein blondes Haar. Nun entdeckte sie Sirius, der zusammen mit Harry, Hermine und Remus in der Tür zwischen Festsaal und Spielzimmer stand und kam zu ihm herüber gelaufen.
"Hallo, Onkel Sirius", begrüßte sie ihn, "Wann kommst du uns eigentlich mal wieder besuchen?"
"Ähmmm - das weiß ich nicht", erwiderte Sirius überrumpelt. "Du kannst mich ja auch mal besuchen kommen. Außerdem hab ich ja nächsten Monat Geburtstag. Da bist du auf jeden Fall eingeladen." Tonks strahlte. "Da fällt mir ein", sprach Sirius weiter, "Wenn ich dich nicht Nymphadora nennen soll, wie soll ich dich denn sonst nennen?"
Tonks überlegte kurz. "Dora ist okay für dich. Oder einfach Tonks, wie mich alle anderen nennen. Den Namen finde ich cool. Nymphadora klingt doch bescheuert!"
Sirius schmunzelte. "Ja, in unserer Familie gibt es einige ausgefallene Namen. In Ordnung. Also Dora." Mit einem Seitenblick auf Draco, der in ihren Armen noch ein wenig schniefte, fragte er: "Deinem Cousin geht es wieder gut?"
"Ja, ich glaube er hat sich nur erschrocken", erklärte Tonks nach einem kurzen Blick auf den kleinen Jungen. "Aber ich kümmer mich gerne um ihn. Ich habe mir immer einen Bruder oder 'ne Schwester gewünscht und jetzt hab ich praktisch einen."

Sirius lachte. "Das ist doch schön. Draco kann auch froh sein, so eine tolle große Schwester zu haben." Tonks strahlte.
Dann wandte sie sich an Harry, Hermine und Remus. "Wer seid ihr eigentlich?", fragte sie recht forsch. Die drei stellten sich vor, auch wenn Remus sehr gehemmt war. Tonks schien das aber nicht aufzufallen. "Von dir hat Sirius schon mal erzählt", sagte sie zu ihm. "Er sagte, dass du sein bester Freund bist, zusammen mit noch einem anderen." Remus lächelte matt und nickte.
"Richtig", bestätigte Sirius grinsend. "Mit ihm wirst du in zwei Jahren mehr zu tun haben, wenn du nach Hogwarts kommst. Er ist dort Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste."
"Cool!", staunte Tonks und sah begeistert zu Remus. Auf Hogwarts freute sie sich jetzt schon. In diesem Augenblick kamen auch Klein-Harry, Klein-Hermine und Teddy angelaufen, streckten die Arme nach oben und wollten auf ihre Arme. Harry nahm Klein-Hermine hoch, Hermine Klein-Harry und Remus nahm seinen Sohn auf den Arm.

"Sind das eure Kinder?", fragte Tonks erstaunt. Inzwischen hatte sie Draco wieder heruntergelassen und er war zu einigen anderen Kindern in seinem Alter gegangen. Sirius bekam einen Kicheranfall, der auch nicht endete, als Remus ihm hart in die Rippen stieß. Er drehte sich weg, um sich zu beruhigen.
"Was hat Sirius denn?", fragte Tonks erstaunt.
Harry zuckte betont gleichgültig mit den Schultern. "So ist er halt. Manchmal ein bisschen albern."
"Aber zu deiner Frage:", übernahm Hermine, "Nein, das sind nicht unsere Kinder, so alt sind wir noch nicht. Harry und Hermine hier sind die Kinder von Lily und James."
"Und Teddy?"
"Ähmmm...", begann Remus, ohne eine Ahnung, was er sagen sollte.
"Teddy ist mein Patenkind", sprang Harry schnell ein.
"Und wo sind seine Eltern?"
Harry spürte, wie sich Hermine und Remus neben ihm versteiften, doch er zwang sich, weiterzusprechen, mit einer kleinen Verbiegung der Wahrheit. "Seine Eltern sind kurz nach seiner Geburt gestorben. Daher kümmere ich mich um ihn."

"Remus!", rief Teddy in diesem Moment vergnügt forderte die Aufmerksamkeit seines Vaters. Dieser dankte Merlin in diesem Moment dafür, dass er Teddy nicht beigebracht hatte, ihn Daddy zu nennen, sondern mit seinem Namen. Er konnte nicht mehr sagen, was ihn dazu bewogen hatte. Einerseits war ihm die Vorstellung immer etwas absurd vorgekommen, dass ein Kind, dessen Existenz er noch immer nicht so ganz begreifen konnte, ihn Daddy genannt hätte.
Andererseits hatte er immer eine unerklärliche tiefe Verbundenheit zu dem Kind verspürt. Als hätte er geahnt, dass die Zeit, die er mit dem Kind verbringen konnte, begrenzt war, hatte er immer mental ein wenig Distanz gewahrt, auch wenn er das nicht gezeigt hatte, um sich vor sich selbst zu schützen. Es würde Remus den unvermeidlichen Abschied noch schwerer machen, wenn dieses Kind ihn als Vater benannt hätte. Doch auch so würde ihm der Abschied alles andere als leicht fallen.

"Ohhhh!", rief Teddy in diesem Augenblick, als Tonks unvermittelt ihre Haarfarbe änderte. Er tat es ihr gleich und hatte kurz darauf genau wie sie türkise Haare.
"Er kann ja seine Haare verändern!", rief Tonks überrascht. "Genau wie ich."
"Mmhh-hhmmm", bestätigte Harry und musste sich ein Grinsen verkneifen. "Teddys Mutter war auch ein Metamorphmagus, das hat er von ihr."
"Ich kann aber noch mehr", erzählte Tonks. "Ich kann auch meine Nase verändern. Schaut mal!" Mit einem Mal wurde ihre Nase ganz lang und spitz, dann wieder rund und knubbelig. Schließlich sah sie aus wie eine Schweineschnauze. Harry, Hermine, Sirius und Remus lachten, Teddy kam aus dem Staunen gar nicht heraus. Schließlich wandte sich Tonks um und lief zurück zu anderen Kindern und auch Harry, Hermine, Sirius und Remus kehrten in den Festsaal zurück.

Gegen achtzehn Uhr löste sich die Taufgesellschaft schließlich auf und die Gäste reisten wieder nach Hause, sofern sie nicht in Tinworth übernachteten. Alice verabschiedete Harry, Ginny, Hermine und Ron besonders herzlich, nachdem Lily ihr im Vertrauen erzählt hatte, dass die vier in wenigen Tagen quasi verschwinden würden. Schließlich flohten sämtliche Potters (inklusive Hermine), Ron, Ginny, Sirius, Remus und Teddy zurück in die Löwenhöhle. Sirius, Remus und Teddy reisten wenig später in den Hundezwinger weiter.

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