7. Mateo - Man sieht sich immer zweimal

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„Hey, willst du auch noch etwas trinken?", fragte mich mein großer Bruder Dexter, der heute Abend meine Begleitung war. Er genoss die Vorzüge meines neuen Promi-Status und ich konnte es ihm nicht verübeln. Es war cool. Und in den letzten zwei Wochen steil bergauf gegangen. Seit dem Elfmeter, den ich gegen Deutschland bekommen und dank dem wir 1:0 gewonnen hatten, begann mein Team mich langsam aber sicher etwas mehr auf Augenhöhe zu betrachten. Meinem Knöchel war zum Glück nichts weiter passiert. Wir hatten noch ein weiteres Spiel gegen Portugal, unseren Nachbarn, was wir mit einem soliden 3:1 für uns entschieden hatten. Und eins der drei Tore war tatsächlich meins. Und heute waren wir mit ein paar Kollegen losgezogen, um den Sieg zu feiern.
Es war mein erster richtiger Abend in Berlin, schließlich hatten wir hier kaum Freizeit.

„Ne, lass mal. Morgen früh ist Training," lehnte ich dankend ab und beobachtete grinsend, wie mein großer Bruder einen Arm um das Mädchen neben sich legte und mit ihr in Richtung Bar verschwand. So war Dexter. Immer auf ein bisschen Spaß aus, aber niemals mehr als das. Also das komplette Gegenteil von mir. Einige meiner Mannschaftskollegen deuteten in Richtung Tanzfläche und ich schloss mich ihnen an.

Doch keine fünf Minuten später traute ich meinen Augen kaum. Ein paar Meter weiter stand niemand anderes als das Mädchen im Havertz-Trikot, was mir seitdem immer wieder im Kopf rumspukte. Ich hatte versucht sie irgendwie ausfindig zu machen, aber ohne einen Namen war das schlichtweg unmöglich. Und hier war sie nun. Als würde mir das Schicksal eine zweite Chance geben. Und ich hatte definitiv vor sie zu nutzen. Denn ein zweites Mal würde ich sie nicht gehen lassen.

Ich beobachtete sie für eine Weile aus sicherer Entfernung. Sie tanzte mit einem anderen Mädchen, vermutlich ihrer Freundin. Auch sie war sehr hübsch, aber mein Blick wanderte immer wieder zurück zu dem Mädchen mit Glitzerkleid und Oreo-Haaren. Als hätte sie meine Anwesenheit gespürt, streifte mich ihr Blick und ein nervöses Kribbeln durchfuhr mich. Es war, als hätte sie mich in ihren Bann gezogen. Sie wirkte ausgelassen. Glücklich.

Aber sie strahlte noch etwas anderes aus, was ich nicht genau beschreiben konnte.
Und dieses gewisse Etwas war der Grund dafür, dass ich meinen Blick nicht mehr von ihr lösen konnte.

Ob ich wollte, oder nicht.

Einer meiner Mitspieler, Diego, hatte sich zu mir gesellt und folgte meinem Blick. „Welche der Beiden willst du?", fragte er und ich deutete grinsend auf mein Zielobjekt. Er grinste zurück und zwinkerte mir zu, bevor er ihre beste Freundin antanzte, welche sich nach kurzem Zögern darauf einließ. Mein Mädchen im Glitzerkleid zeigte ihrer Freundin grinsend einen Daumen nach oben und bewegte sich zum Rand der Tanzfläche. Scheinbar brauchte sie eine Pause. Ich gab mir einen Ruck und folgte ihr, damit ich sie nicht aus den Augen verlor.

Gerade als ich den letzten Schritt zu ihr wagen wollte, kamen mir zwei andere Mädchen zuvor. Sie begrüßten sich und ich hörte über die Musik, wie sie das Mädchen mit dem Namen Zoe ansprachen.

Schöner Name, schönes Mädchen.

Mehr verstand ich nicht, was nicht an der lauten Musik, sondern der Tatsache lag, dass ich nicht viel mehr als ein paar Brocken deutsch verstand. Allerdings brauchte es keine Wörter, um zu sehen, dass Zoe sich alles andere als wohl fühlte. Denn auch wenn ihre Miene nach einem bissigen Kommentar und einem abschätzigen Blick ihres Gegenübers unbeeindruckt blieb, konnte ich an ihrer steifen Körperhaltung einen stillen Hilfeschrei erkennen.

Ich dachte nicht nach.
Mein Körper reagierte wie von selbst.
Mit einem Schritt stand ich neben Zoe und legte von hinten schützend einen Arm auf ihren Rücken, was sie kurz zusammenzucken ließ. Ich warf den beiden Mädchen einen möglichst kalten Blick zu (hoffte ich zumindest), bevor ich zu Zoe blickte. Mit ihren hohen Absätzen war sie mir fast auf Augenhöhe, was ich irgendwie heiß fand. Ich sah ein kurzes, überraschtes Funkeln in ihrem Blick, bevor sie sich wieder fing und ihr Pokerface aufsetzte.

„Man sieht sich immer zweimal, Zoe,"flüsterte ich ihr auf Englisch zu, was ihren Mundwinkel leicht zucken ließ.
„Scheint so," murmelte sie, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden Mädchen gegenüber schenkte, die uns mit offenem Mund anstarrten. „Darf ich vorstellen, das ist...", setzte sie ebenfalls auf Englisch an, doch wurde von einer der beiden unterbrochen. „Wir wissen wer das i..." Auch sie wurde unterbrochen, nämlich von mir.

„Ihr Freund."
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my sunshineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt