„Okay, du hast nicht nur Tickets bekommen, sondern gleich welche mit perfekter Sicht!", rief Gina begeistert. Sie hatte nicht ganz Unrecht. Wir hatten Stehplätze in der Südkurve mit einem ausgezeichneten Beobachtungswinkel. Eigentlich hatte ich bei meinem Glück erwartet, dass sich wieder irgendein zwei Meter großer Typ vor mich stellt, aber scheinbar war heute das Glück ausnahmsweise mal auf meiner Seite.
Abgesehen davon, dass Gina jedes Mal wenn Gavi (die spanische Nummer 9) auch nur in die Nähe des Balls kam, mein Trommelfell fast zum Platzen brachte, war es wirklich schön anzusehen. Es war spannend. Es war ein schönes Zusammenspiel innerhalb beider Mannschaften. Dass in der ersten Halbzeit kein Tor fiel, änderte diese Tatsache nicht. Eher im Gegenteil. Immer wenn eins der Teams auch nur in die Nähe des Tors kam, war die Stimmung zum Zerreißen gespannt. Auch wenn ich viel darauf wetten würde, dass Gina morgen keine Stimme mehr hatte.
„Willst du auch etwas Essen?", fragte Gina in der Halbzeitpause betont beiläufig. Sie wusste, dass es ein heikles Thema für mich war. Vermutlich konnte sie sich denken, dass ich an einem Tag wie heute noch nichts gegessen hatte. Es ist so ein Ding bei mir geworden. Eins, auf das ich nicht gerade stolz bin. Es hat etwa nach dem Kontaktabbruch mit Daisy und Chloe angefangen. Wenn es mir schlecht ging, aß ich nichts, um mit dem Schmerz, den der Hunger in mir auslöste, meinen seelischen Schmerz zu überdecken. Ich weiß, es klingt bescheuert. Es ist bescheuert. Aber trotzdem war es das Einzige, was mir half.
Es gab mir ein Stück Kontrolle über mein Leben zurück. Zum Glück bin ich nicht mehr an diesem Punkt. Es ist besser geworden, wirklich. Aber besser ist eben nicht gut. Manchmal, wenn ich gestresst war, brauchte ich dieses kleine Hochgefühl der Kontrolle.
Und auch wenn heute ein schöner Anlass war, auf den ich mich wochenlang gefreut hatte, war es eine Stresssituation.Was ziehe ich an? Was nehme ich mit? Habe ich die Karten ausgedruckt? Alles dabei?
Es war einfach zu viel.
Zu viel an das ich denken musste.
Zu viel für meinen Kopf, um nicht in die schlechten Gewohnheiten zurückzufallen.
Zu viele Dinge, die passieren und die ich nicht kontrollieren konnte.
Rückfälle und Momente der Schwäche waren okay, das wusste ich. Aber es tat mir trotzdem weh. Weh für das Mädchen, was nach vielen Wochen endlich wieder ansatzweise zufrieden mit ihrem Körper war. Was endlich wieder ihre Kurven hatte, die ihr ihre Weiblichkeit gaben. Ich wusste, von einem Tag würde ich nicht sofort wieder abnehmen. Aber es war ein schmaler Grad. Eine Zahl auf der Wage. Und ich wusste, wenn ich wieder fiel, würde es schwer sein, mich aufzufangen, bevor ich wieder am Boden saß.„Zoe? Ist alles gut?", fragte meine beste Freundin. „Bin ich wieder...?" „Ja," beendete sie meinen Satz, denn natürlich wusste sie, was ich meinte. Ich war abgedriftet. So tief in Gedanken, dass ich für einen Moment lang die Realität um mich herum vergaß. Ich grinste schief. „Sorry, nein ich habe keinen Hunger, aber hol du dir ruhig was," antwortete ich schließlich auf ihre vorherige Frage. Ich sah das besorgte Flackern in ihren Augen. Doch sie wusste, sie konnte mich nicht zwingen. Das würde es nur noch schlimmer machen.
Nachdem sich Gina eine Brezel gekauft und mir eine für später eingepackt hatte, waren wir zurück auf unseren Plätzen. Die tiefe Fürsorge, die hinter diesem kleinen Gedanken steckte, löste ein warmes Gefühl in mir aus. Sie wusste einfach immer genau, wie man mit mir umgehen musste. Hätte ich Gina nur schon früher kennengelernt, hätte ich viele meiner Probleme vermutlich nicht. Aber was zählte war, dass sie jetzt da war.
Als das Spiel weiterging, merkte ich langsam, aber sicher, wie mir ein wenig schwindelig wurde. Verdammt, warum hatte ich nicht wenigstens ein bisschen von der Brezel gegessen? Gerade als ich mich dazu durchringen konnte, Gina danach zu fragen, konnte ich meinen Körper plötzlich nicht mehr bewegen. Verflucht, nein. Nicht jetzt. Nicht hier! Doch ich konnte es nicht aufhalten. Konnte nichts dagegen machen, als ich merkte, wie meine Beine wegsackten. Ich fiel einfach so zur Seite um und alles um mich herum wurde schwarz. So, als würde ich ganz tief einschlafen. Alles um mich herum verstummte. Das letzte, was ich mitbekam, war Ginas besorgter Aufschrei. Ich wollte ihr sagen, dass es nicht schlimm war. Dass es gleich wieder gehen würde. Aber ich konnte nicht.
Denn ich war ohnmächtig geworden.
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my sunshine
RomansaEr ist ein Star-Fußballer, der immer alles erreicht hat, was er sich vornahm. Bis er sie traf. Matteo Celoso ist das Nachwuchstalent, von dem die Welt immer geträumt hat. Gerade mal Anfang 20 und schon wird der Halbspanier für die Nationalmannsch...