9. Mateo - Wie enterbt man seinen großen Bruder?

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Sie wollte nichts von mir. Natürlich war es nicht das erste Mal gewesen, dass ein Mädchen kein Interesse hatte. Und bisher hatte es mich auch nicht weiter gestört. Aber bei ihr hatte ich irgendwie das Gefühl, dass ich sie nicht gehen lassen durfte. Dass sie mich abgewiesen hatte, machte sie nur noch interessanter. Es war bescheuert. Ich sollte sie in Ruhe lassen. Ich war niemand, der anderen hinterherlief. Erst recht nicht, wenn sie es offensichtlich nicht wollten. Allerdings hatten Zoes Augen etwas anderes gesagt.
Zumindest hatte ich für einen Augenblick den Wunsch nach mehr darin entdeckt.
Ein kurzes Funkeln, vielleicht hatte ich es mir auch nur eingebildet, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich sie nicht so leicht vergessen konnte.

Schließlich war das schon nach unserer ersten Begegnung unmöglich gewesen.

Ich nahm einen tiefen Schluck aus meinem Glas. „Wer war das Mädchen bei dir? Hast du sie vergrault?", fragte mich mein Bruder neben mir belustigt. Er selbst hatte natürlich schon wieder ein anderes Mädchen auf dem Schoß. „Vergiss es, Dex," erwiderte ich. Neben uns saßen Zoes blonde Freundin, die sich als Gina vorgestellt hatte und mein Mitspieler Diego, der sie vorhin angesprochen hatte. Wir unterhielten uns, bis etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Jemand anderes.

Zoe bahnte sich einen Weg zu ihrer Freundin und ihre Augen weiteten sich, als sie mich entdeckte. Gina flüsterte ihr etwas zu, was ihr scheinbar überhaupt nicht gefiel. „Verfolgst du mich, Zoe?", fragte ich belustigt. Wütend funkelte sie mich an, erwiderte jedoch nichts. Sie war so schön, dass es beinahe wehtat.

Da ich neben Gina saß, rutschte ich ein Stück, damit sie zwischen uns Platz fand. Natürlich völlig uneigennützig und nicht, damit ich seltsame Dinge herausfinden konnte, wie etwa wie sie roch...
Gott, ich war verloren.

Genervt ließ sie sich neben mir fallen. „Ich brauche was Stärkeres zu trinken," murmelte sie und bekam gleich daraufhin ein Glas von meinem Bruder gereicht. „Dexter," sagte er und grinste leicht. Und zwar sein Geh-mit-mir-nach-Hause-Grinsen.
Oh, dieser Idiot.
Zoe warf mir einen kurzen Seitenblick zu und mir fiel ein, dass ich ihn vorhin vor ihr als Arschloch bezeichnet hatte, als ich vor Nervosität in einen Redefluss gefallen war. Gar nicht peinlich.

„Freut mich, ich bin Zoe," antwortete sie und nahm dankend das Getränk entgegen.
Genervt stand das Mädchen auf seinem Schoß auf und ging weg. Dexter verzog nicht mal eine Miene und konzentrierte sich stattdessen weiter auf das schöne Mädchen neben mir. „Was soll der Scheiß?", zischte ich ihm zu. Er grinste nur und ignorierte mich.
Warum hatte ich ihn nochmal mitgenommen?

Zoe und Dexter redeten über mich hinweg, als ob ich gar nicht existieren würde und es machte mich immer wütender. Vielleicht war er ja mehr ihr Typ als ich. Es hatte schon viele Momente gegeben, in denen ich nicht mit Dexter mithalten konnte. Aber diesmal nicht. Ich wollte Zoe kennenlernen. Ich wollte nicht, dass sie eine weitere von seinen Errungenschaften wurde.

„Willst du tanzen?", fragte ich sie aus dem nichts und bereute es gleich wieder. Ich hatte ihr gerade eine Steilvorlage gegeben, mich nochmal in den Wind zu schießen. Sie musterte mich und grinste. „Wenn du mich dann in Ruhe lässt." Ich grinste zurück und zog sie mit mir auf die Tanzfläche. „Wir wissen beide, dass du das eigentlich gar nicht willst," flüsterte ich ihr zu und kam ihr dabei gefährlich nah. Sie zog eine Augenbraue hoch und befeuchtete ihre Lippen mit ihrer Zunge. Himmel.

Dann stellte sich mir ein Problem, dass ich nicht bedacht hatte. Ich konnte nicht tanzen. Zumindest nicht wirklich gut. Es war lediglich das Erstbeste, was mir eingefallen war, um sie von Dexter wegzukriegen. Zwar befanden wir uns am Rand der Fläche, aber trotzdem merkte nicht nur ich mein fehlendes Talent. „Was machst du da?", fragte Zoe lachend. Es war das erste Mal, dass ich sie lachen hörte und das Geräusch fuhr mir sofort unter die Haut. „Warum wolltest du tanzen, wenn du es nicht kannst?", fragte sie dann. „Ich wollte dich davor bewahren, ein Opfer meines Bruders zu werden," entgegnete ich und versuchte meine Bewegungen etwas lockerer aussehen zu lassen.

Sie schnaubte und packte mich am Nacken, damit ich sie über die Musik hinweg besser verstehen konnte. Ich schluckte trocken, denn diese kleine Geste ließ meinen Schritt sofort enger werden.  „Du denkst wirklich, dass ich nicht auf mich selbst aufpassen kann, oder? Außerdem, was ist, wenn ich deinen Bruder attraktiv finde? Wenn ich ihm zum Opfer fallen will?", fragte sie provokant und ließ ihre Hände auf meine Schultern sinken. 

Sie wollte mit mir spielen? Das konnte ich auch. Es war, als hätte sie all meine Nervenenden in Brand gesetzt und ich war nicht mehr Herr über meinen Körper. Ich nahm ihre Hände von meinen Schultern und drückte sie über ihren Kopf an die Wand hinter ihr. Ein leises Keuchen entfuhr ihr, als ich mich mit meinem gesamten Körpergewicht gegen sie lehnte. „Weil ich derjenige sein will, dem du nicht widerstehen kannst, Zoe. Denn so geht es mir. Ich weiß, wir kennen uns nicht. Aber ich würde das wirklich gerne ändern," sagte ich und hielt mit meinem Gesicht kurz vor ihrem inne. Aus der Nähe betrachtet war sie sogar noch schöner. Es waren nur noch wenige Zentimeter, die uns trennten und ich konnte ihren Herzschlag an meiner Brust spüren.

„Wenn du wirklich willst, dass ich dich in Ruhe lasse, dann sag mir, dass sich das hier nicht gut anfühlt und ich gehe."

Sie schluckte schwer und ich sah ihn ihren Augen, wie zerrissen sie war. Ich konnte sehen, dass sie mit aller Macht versuchte, nichts zu fühlen. Es nicht zu wollen. Aber da war noch etwas. Etwas, was mich hoffen ließ, dass sie es trotzdem tat. Mich genau so sehr wollte, wie sie mich.
„Zoe?" Gerade als sie im Begriff war, nachzugeben und die Distanz zwischen uns zu überwinden, schreckte sie zurück, als sie Gina nach ihr rufen hörte. Ich räusperte mich und brachte ebenfalls etwas Abstand zwischen uns. Verdammt, was war nur in mich gefahren?
Was zur Hölle hatte ich getan?
Ich bedrängte keine Mädchen.

Aber sie machte etwas mit mir.
Sie ging mir unter die Haut.
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