40. Zoe - Eine ziemlich realistische Erscheinung

12 3 4
                                    

Unglaublich, dass ich Anfangs dachte, dass sich die Uni kaum von der Schule unterscheiden würde. Dabei war es ein ganz anderer Lifestyle, der eine sehr angenehme Abwechslung zu meiner Schulzeit darstellte. Ich konnte endlich wieder frei atmen, ohne irgendeine Daisy oder Chloe oder gar einen Ben in der Nähe, die mir das Leben unnötig verkomplizierten. Nein, hier kannte mich niemand außer Gina und das war ein unbeschreibliches Gefühl. Wie ein neues weißes Blatt, was ich so füllen konnte, wie ich wollte.

Hier gab es schließlich jede Menge neue Leute, von denen viele wirklich nett zu sein schienen, auch wenn Gina eher diejenige von uns war, die neue Bekanntschaften schloss und sie mir dann vorstellte. Unsere WG war mittlerweile ein richtiger Safe-Space für mich geworden und wir hatten nun endlich den Großteil eingerichtet. Ich fragte mich immer noch, wie es sein konnte, dass die Miete hier kein halbes Vermögen kostete. Mal abgesehen von der Tiefgarage und dem modernen äußeren des Hauses, gab es hier so viele Kleinigkeiten, die mir das Gefühl eines Luxusapartments vermittelten.

Eine Kücheninsel mit eingebautem Induktionsfeld. Ein Kühlschrank, der Eiswürfel machen konnte. Eine Dusche, die mit Mikrozement super pflegeleicht war und dazu noch so groß war, dass Gina und ich gleichzeitig hätten duschen können. Mehr als einmal hatte ich Gina gefragt, was das bitte für ein Bekannter war, der ihr hierfür einen bezahlbaren Mietpreis bot, doch sie hatte mich so oft abgewimmelt, dass ich schließlich aufgegeben hatte. War ja auch egal, im Endeffekt zählte nur, dass wir uns hier wohl fühlten und das taten wir definitiv.

So sehr, dass Gina beschlossen hatte, dass es eine tolle Idee wäre, eine "kleine" Einweihungsparty zu schmeißen. Auch wenn ich nicht der größte Fan war, ließ ich sie machen, denn ich wusste, dass das gerade eine gute Ablenkung für sie war. Sie und Diego skypten zwar noch regelmäßig und versuchten mit aller Kraft ihre Beziehung aufrecht zu erhalten, aber ich spürte, dass es ihr nicht leichtfiel. Daher behielt ich meine Kommentare ausnahmsweise mal für mich, als sie jede Menge bunte Deko einkaufte.

Ich dachte an Mateo und mein Herz wurde schwer. Es tat zwar nicht mehr so weh, wie am Tag seiner Abreise, aber es war, als hätte er einen Teil von mir mitgenommen. Auf der anderen Seite war es so, als hätte er mir einen Teil von sich mitgegeben. Es war nicht nur das Auto, was mich jeden Tag an ihn erinnerte. Ich hatte es erst gar nicht annehmen wollen, aber da es ein Privatkauf war, konnte ich es nicht mehr zurückbringen, selbst wenn ich gewollt hätte. Was ich um ganz ehrlich zu sein nur sehr schwer übers Herz gebracht hätte, denn ich liebte das Teil. Aber um Mateo nur fünf Minuten bei mir haben zu können, hätte ich es sofort abgegeben.

So oft halfen mir seine Worte in Situationen, die mich zunächst überwältigten. Wie ein Mantra, dass er mir eingebrannt hatte. „Glaubst du es war eine blöde Idee zu sagen, dass jeder etwas zu trinken mitbringen soll?", fragte Gina und holte mich damit einmal mehr in die Realität zurück.
„Es wird gut werden," sprach ich ihr zu und legte zu ihrer Freude ein knallbuntes Set Ballons zu unserem Einkauf.

...

Zum Glück hatte Gina nicht ganz so viele Leute eingeladen, wie ich zunächst befürchtet hatte. Trotzdem hatte ich meine Zimmertür vorsorglich abgeschlossen. Man konnte ja nie wissen und auf eklige Dinge, die in meinem Bett passierten oder Kotze auf meinem PC oder gar auf Schildegard konnte ich echt verzichten. Ich gab es nur ungern zu, doch eine Weile amüsierte ich mich tatsächlich ziemlich gut. Ich willigte sogar ein, eine Runde Bierpong mitzuspielen. Die Stimmung war ausgelassen und entspannt, was mich ebenfalls etwas runter brachte.

Nach ein paar Stunden und sehr vielen interessanten und weniger interessanten Gesprächen, zog ich mich auf den Balkon zurück. Ich fühlte mich nicht unwohl, aber brauchte einfach mal kurz meine Ruhe. Der frische Herbstwind fuhr sanft durch mein Haar, wobei ich den blondierten Teil vor ein paar Wochen in einem dunklen lila getönt hatte. Es erinnerte mich an die Gala mit Mateo, wo ich das violette Kleid getragen hatte, was mir sein Management zugeschickt hatte. Nachdenklich fuhr ich mir durch die bunten Strähnen und ein Gefühl von Wehmut erfasste mich. Einmal mehr wünschte ich mir, er könnte jetzt hier bei mir sein, denn er war der einzige Mensch, dessen Gesellschaft ich so sehr schätze, dass ich sie auch wollte, wenn ich eigentlich am liebsten allein wäre. Ich schluckte und blinzelte die Tränen weg, die sich in meinen Augen gesammelt hatten. Wie lange würde es noch dauern, bis ich endlich darüber hinweg sein würde?

Ich beschloss zurück zu den anderen zu gehen und mit etwas Alkohol die Gedanken an Mateo Celoso zumindest für einen kurzen Moment zu vergessen. Schwungvoll drehte ich mich um und stieß dabei fast mit jemandem zusammen. Ich zuckte zurück und murmelte eine Entschuldigung, bevor ich aufblickte und erstarrte.

Das konnte nicht wahr sein. Ich musste eine Erscheinung haben. Eine ziemlich realistische Erscheinung. Vielleicht hatte irgendjemand Drogen in meinen Drink gemischt?
Ja, ganz sicher, denn es konnte nicht real sein.
Er konnte nicht real sein.
Ich musste ihn mir einbilden. Er konnte nicht hier sein. Ich blinzelte ein paar Mal, doch er verschwand nicht. Sein Lächeln, dass ich so sehr liebte, legte sich auf seine Lippen.

„Hast du mich vermisst, mi amor?"
________________________

my sunshineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt