26. Kapitel

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Ich trage Silas leise durch mein Lager, bis wir vor der Tür zum Haus meiner Familie stehen.

Naja, ich stehe. Silas ruht auf meinen Armen und kuschelt sich instinktiv näher, um der Kälte der Nacht zu entkommen. Er murmelt vor sich hin und kneift die Augen fester zusammen als ein kühler Wind aufkommt.

Ich schiebe ihn halb auf meine Schulter, damit ich eine Hand freihabe, um die Tür zu öffnen. Silas gibt einen überraschten Laut von sich und klammert sich an meinen Hals.

„Alles gut, ich brauche nur kurz meine Hand. Ich lasse dich schon nicht fallen!", ich grinse, bevor ich die Tür zudrücke und Silas Gewicht wieder auf meine beiden Arme verteile.

Ich schleiche die Treppe hoch und überspringe die knarzende Stufe ganz oben.

In meinem Zimmer lege ich Silas vorsichtig auf mein Bett.

„Dass du so schnell in meinem Bett landest, hättest du auch nicht gedacht, ne?", scherze ich halbherzig, seufze aber bekümmert auf als ich Silas zusammengerollte Gestalt näher betrachte.

Ich hab ihn schon wieder in so einen miesen Zustand getrieben. Immerhin ist er dieses mal ein Mensch geblieben, aber die Erfahrung im Club war bestimmt nicht schön für ihn.

Ich streiche ihm sanft über den Kopf: „Dieses Mal war ich rechtzeitig da, um dich zu beschützen."

Das grummelnde Murmeln, das mich den ganzen Weg hierher verfolgt hat, wird von einem leisen Kichern abgelöst.

Ich seufze und gehe kurz ins Bad, fülle ein Glas mit Wasser, um es ihm auf den Nachttisch zu stellen. Als ich zurückkomme, begrüßen mich Silas offene Augen.

„Hey", flüstere ich vorsichtig: „Bist du okay?"

Im hellen Mondlicht glänzen seine Augen wie Jade und ich schlucke unwillkürlich.

Er ist immer noch betrunken. Ich sehe es in seinem Gesicht.

Seine Wangen sind gerötet, genau wie seine leicht geöffneten Lippen. Seine Augen sind glasig und schauen mich unter schweren Lidern an.

Ich schlucke nochmal.

Fuck. Er ist wunderschön. Er sollte mich nicht so ansehen.

Ich wende mich ab und ziehe ihm die Stiefel von den Füßen.

„Du solltest Eric danken, dass er dich deckt. Offiziell übernachtet ihr beide mit Val und mir in der Hütte", wispere ich, weil ich seinen stummen Blick nicht mehr aushalte. Was soll Silas auch mit diesen Informationen anfangen?

„Wenn du dich nicht wie ein Idiot verhältst, bist du sogar echt in Ordnung!", murmelt er als Antwort.

Silas kichert wieder, aber das Kichern wird schnell zu einem Husten und ich knie mich neben den Kopfteil des Bettes und fahre ihm beruhigend über den Rücken.

Als der Husten stoppt, sieht mich Silas mit einem unergründlichen Blick an. Nachdenklich und bedeutungsschwer. Nur dass ich ihn nicht deuten kann.

Seine Haare liegen in langen Strähnen auf dem Kissen verteilt und umrahmen sein Gesicht.

Er streckt die Hand aus, legt sie an meine Wange und fährt mit dem Daumen unter meinem Auge entlang, als würde er prüfen, ob ich geweint habe.

Sein Blick ist an seinen Finger geheftet und erst als er mir in die Augen schaut, stockt die Bewegung und er will seine Hand zurückziehen.

„Nicht!", ich lege schnell meine eigene Hand über seine und schmiege mich in seine Handfläche: „Bitte... nur..."

Nur ein bisschen länger seine Wärme spüren. Nur noch ein bisschen länger.

„Weißt du", flüstert er: „Es ist seltsam. Ich mag deine Haare. Ich mag deine Augen. Ich mag die Form deiner Ohren und die Falte zwischen deinen Augenbrauen."

Ich ziehe besagte Augenbrauen hoch und schaue ihn ungläubig an. Was genau will mir Silas damit sagen?

Er richtet sich auf und auf einmal ist er meinem Gesicht so nahe, dass ich überrascht die Luft einziehe.

Ich schließe die Augen, als seine mein gesamtes Blickfeld ausfüllen. Ich halte es nicht aus, wie sie mich hinter halb geschlossenen Lidern ansehen.

„Aber ich liebe diese eine Sommersprosse", haucht Silas, bevor ich weiche Lippen an meinem Mundwinkel spüre. Sanft drückt er einen Kuss auf den kleinen Fleck.

Meine Augen öffnen sich flatternd.

Seine sind noch geschlossen und ich rühre mich nicht.

Sein Atem schmeckt nach Alkohol und für einen winzig kleinen Moment bin ich versucht mich aus diesem Grund, genauso leichtsinnig zu verhalten, wie er es tut.

Dann weicht Silas zurück und lässt den Kopf auf das Kissen fallen. Er kichert erst, dann schluchzt er leise auf. Erstaunt blicke ich ihn an.

„Immer wenn du dich wie ein Idiot verhältst, dann denke ich, dass es so einfach ist dich zu hassen. Dich nicht zu wollen. Auch wenn sich mein Innerstes dagegen sträubt. Ich denke jedes Mal, dass ich dich hassen kann und dass es dann weniger wehtun wird, wenn du mich verlässt. Ich könnte dich bestimmt hassen, trotz deiner nervigen, schönen Haare oder deiner grausam-sanften Augen. Trotz der Falte zwischen deinen Augenbrauen, wenn du besorgt bist oder dieser Sommersprosse, die ich aus irgendeinem Grund liebe. Ich sage mir jedes Mal, dass ich lernen kann, dich zu hassen..."

Was Silas sagt, ergibt keinen Sinn in meinem Kopf. Er ist betrunken, er meint nichts davon, so wie er es sagt. Aber dann fährt er fort und mir stockt der Atem.

„Aber dann machst du so etwas idiotisch Heldenhaftes, dass ich mich noch mehr in dich verliebe."

Er wispert diese Worte in die Stille zwischen uns und ich sage nichts.

Ich bleibe stumm, auch als er seine Augen schließt und ich diesem Blick entkomme und ihm eine Träne die Schläfe hinabfällt.

Ich beuge mich nur vor und küsse ihn vorsichtig auf den Augenwinkel. Seine Lider flattern, öffnen sich aber nicht. Ich spüre seine Wimpern sanft wie Federn gegen meine Lippen und ich schmecke feuchtes Salz.

„Wir sollten reden, wenn du wieder nüchtern bist!", flüstere ich ihm leise ins Ohr und als ich auf seine Antwort lausche, höre ich nur schweres, stetes Atmen.

Silas ist eingeschlafen.

Für einen kurzen Moment starre ich auf seine leicht geöffneten Lippen, dann schüttele ich hektisch den Kopf -er ist betrunken, verdammt, reiß dich zusammen- und drücke ihm nur einen schnellen Kuss auf die Wange.

„Morgen reden wir!", verspreche ich der schlafenden Gestalt, während ich die dünne Decke vom Sofa nehme und ihn behutsam zudecke.

Ich streiche ihm mit der Hand über das Haar und lege mich schließlich selbst auf das Sofa, um zu schlafen.

Morgen wird der ganze Unsinn endlich aufhören.

Ich schließe die Augen und lausche den leisen Atemzügen von Silas.

Dann schlafe ich ein.


Genau, im nächsten Kapitel wird dann auch endlich mal das zwischen den beiden geklärt!

Danach bekommt auch unser anderes Pärchen mal wieder ein bisschen Text.

Und wer sich fragt, was Lyall für eine Decke benutzt, wenn er doch Silas mit der vom Sofa zugedeckt hat... Tja, er schläft wohl ohne :)

Und ja, auch Lyall hat Sommersprossen, wenn auch nicht so viele wie Valerie ...


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