53. Kapitel - Lyall

27 3 0
                                    


Ich schnaube aufgebracht.

Warum fällt niemandem eine Möglichkeit ein, wie man meine kleine Schwester retten kann? Und warum schlägt niemand vor, einfach diese Hütte zu stürmen?

Ich werfe einen Blick zu Eric und erkenne in seinem Gesichtsausdruck dieselbe Verzweiflung.

Silas schmiegt sich warm an mich. Nicht voreilig handeln, erinnerst du dich?

Er bekommt über den Mate-Bund wahrscheinlich ziemlich genau mit, wie sehr ich einfach als Himmelfahrtskommando Valerie da raus holen will. Göttin, wahrscheinlich will er es ja auch...

Regina räuspert sich verlegen: „Eine Sache wäre da noch..."

Meine Mutter seufzt und nickt ihr zu. Mein Vater starrt mich und Silas an, als hätte er Maden in seinem Fleisch gefunden.

Verlegen bringe ich ein paar Schritte Abstand zwischen uns. Stimmt, ich hab ihm noch gar nicht davon erzählt, dass ich den Bund zu Silas wahren will.

„Ich glaube, George hat eine Vermutung, wo euer Lager ist. Es gibt ein oder zwei Siedlungen, die etwas abgeschieden von der Stadt liegen und an den Wald grenzen. George glaubt, dass ihr da lebt?"

Ihr letzter Satz ist eine Frage, die unbeantwortet verhallt. Das fassungslose Entsetzen in den Augen der Wölfe um sie ist aber scheinbar Antwort genug, denn Regina gibt nur noch ein kleines Oh von sich und verstummt dann.

Vermutet er uns in beiden Siedlungen?, hakt Silas nach einigen stillen Sekunden nach.

„Soweit ich weiß nicht. Warum habt ihr den zwei Lager?", verwirrt blinzelt die Jägerin zwischen Hanako und Silas hin und her.

Ich belle leise. Wir sind eigentlich zwei Rudel. Damit haben wir einen deutlichen Vorteil! Die Jäger müssen sich auf zwei Gruppen verteilen, wenn sie uns sicher erwischen wollen!

Oder sie beschatten beide Siedlungen und greifen nur eine an, hält Alex trocken dagegen und Silas nickt nachdenklich. Trotzdem haben wir einen Vorteil. Wir können den Schauplatz des Kampfes wählen. Wenn sie uns angreifen, können wir steuern wo!

Hanako wirft Alex und meinem Vater einen angespannten Blick zu. Und wo wäre es besser?

„Im Wald", wirft Regina ein: „Durch die Bäume gibt es mehr Hindernisse und das Wetter erschwert einen unbemerkten Angriff. Es wird schwerer zu schießen und es ist kalt. Das macht uns Menschen wahrscheinlich mehr zu schaffen als euch!" Sie deutet auf unsere dicken Pelze und ich klappe automatisch die Ohren nach hinten, als sie Silas Fell dabei ein bisschen zu nahe kommt.

Unser Lager ist mehr in den Wald gebettet, erklärt Hanako und wirf meinem Vater einen fragenden Blick zu. Der nickt zustimmend.

Dann müssen wir dafür sorgen, dass euer kampffähiger Teil des Rudels zu uns kommt. Die anderen sollten sich vielleicht eher verstecken, in der Stadt oder noch in euerem Revier, meint Alex.

Wieder nickt mein Vater. Lyall und ich werden sofort gehen und unser Rudel organisieren. Wir kommen dann zu euch...

Der Blick, den er mir dabei zuwirft, kann nichts gutes bedeuten. Ich schlucke mühsam.

Regina kommt mit uns. Silas drückt sich gegen die Jägerin und bedeutet ihr, ihm zu folgen. Sofort bin ich wieder in Angriffsstellung. Er wendet sich zu mir und drückt seine Wange an meine. Keine Sorge.

Sei vorsichtig, wispere ich zurück und er nickt. Er schenkt mir einen letzten Blick und seine grünen Augen funkeln zuversichtlich.

Dann verschwinden alle außer meinem Vater, Eric und Myriam im Wald. Eric starrt die Hütte an, als könnte er dadurch sehen, wie es Valerie im Inneren geht. Dann wendet er sich ab und folgt dem restlichen Teil seines Rudels. Myriam steht unschlüssig da und schaut mich fragend an. Ich deute mit einem Nicken in die Richtung, in die auch Eric verschwunden ist, und sie stolpert hektisch los.

Ich kann es ihr nicht verübeln. Die Luft zwischen meinem Vater und mir ist angespannt. Ich sehe vorsichtig zu ihm hinüber, während wir lostrotten.

Mein Vater beginnt erst zu sprechen, als wir die Brücke über den Fluss überqueren, also quasi nach der Hälfte des Wegs. Meine Nerven sind am Ende und ich schrecke bei jedem Ausatmen von ihm zusammen.

Du hast den Mate-Bund nicht gebrochen. Seine Stimme ist ruhig, trotzdem versteife ich mich.

Nein, antworte ich zögernd. Es klingt zittrig und nicht einmal halb so entschlossen, wie ich es mir wünschen würde. Nein!, versuche ich es nochmal, nachdem ich mich geräuspert habe.

Warum?

Ich atme tief ein. Weil ich mich in ihn verliebt habe und ich den Bund nicht länger brechen will.

Mein Vater nickt und die hellgrauen Stellen an seiner Schnauze blitzen silbern in der Nachmittagssonne.

Denkst du, du wirst es bereuen? Auch... mit dem, was du von deiner Mutter und mir mitbekommen hast?, sein Augen streifen über meinen Pelz und ich weiß, dass er denkt, es wäre dieselbe Farbe wie die Haare meiner Mutter.

Ich denke, ich werde es mehr bereuen, nicht mit Silas zu sein. Den Bund zu brechen. Auch wenn es irgendwann nicht mehr so ist wie jetzt. Ich werde es niemals so sehr bereuen, wie es niemals versucht zu haben!, ich werfe meinem Vater einen unsicheren Blick zu. Ich weiß, du wolltest es eigentlich nicht...

Er seufzt. Du hast dich verändert. Du tust nicht mehr blind, was ich dir sage.

Ich zucke zusammen, aber er lächelt bloß. Das ist gut so. Kinder müssen sich verändern, sie müssen lernen und wachsen. Und Eltern müssen loslassen.

Er klappt seine Ohren entschuldigend nach hinten. Das fiel mir schon immer schwer...

Ich drücke mich an ihn und er bleibt stehen. Es..., ich schlucke und meine Stimme bebt. Es ist also okay für dich?

Ja. Ich freue mich für dich. Mein Vater presst mir die Schnauze an die Wange und ich muss nochmal schlucken. Ich wusste bis jetzt gar nicht, wie sehr ich diese Worte von ihm hören wollte.

Ich blinzle hektisch und löse mich von ihm. Wir sollten uns beeilen.

Mein Vater nickt und wir laufen schnell weiter. Aber mein Herz bebt noch stolz, dass mein Vater mich akzeptiert. Und zwar einfach dafür, dass ich so bin, wie ich sein möchte.


Jep, dieses Mal ein bisschen Vater-Sohn-Beziehung...

Dass Ralf jetzt etwas herzlicher mit seinen Kindern umgeht, liegt übrigens auch daran, dass er gesehen hat, wie Adrian gestorben ist und wie verzweifelt Eric war...

Jedenfalls steuern wir immer mehr aufs Finale zu, die ersten Grundsteine werden gelegt und bald geht es dann auch richtig zur Sache!

Bis zum nächsten Mal 😊


By your sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt