67. Kapitel - Silas

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Ich klammere mich an Valerie, als wäre ich es, der die Stütze braucht.

Und vielleicht brauche ich sie tatsächlich ein ganz kleines bisschen. Wenn es jemand schafft, Eric aus seinen Gedanken zu reißen, dann ja wohl seine Mate.

Lyall hängt an ihrer anderen Seite. Bei ihm sieht es allerdings eher so aus, als würde er verhindern wollen, dass sie wegläuft.

Immerhin folgt uns leichtes Gelächter von Myriam, die ohne Zweifel Zara ablenken will. Sie hat ihre Mutter in der letzten Woche ständig besucht und hat erst damit aufgehört, als Eric immer kam. Entweder weil sie sich gestört gefühlt hat oder weil sie ihn nicht stören wollte.

Ich werfe einen schnellen Blick nach hinten. Zara lächelt Myriam verträumt an, auch wenn ihre Augen ab und zu nervös nach vorne zucken. Für sie ist es auch nicht einfacher geworden.

Ich schlucke ein Seufzen hinunter. Ich habe in letzter Zeit schon viel zu viel geseufzt, so langsam wird es albern.

Myriams Geplapper verstummt. Ich schaue wieder nach vorne.

Das sterile Weiß des Krankenhauses erwartet uns.

Keiner von uns wagt einen weiteren Schritt in Richtung Tür und wir bleiben in der eisigen Kälte wie festgefroren stehen. Mein Blick wandert zu Valerie. Sie sieht aus, als würde sie lieber hier draußen erfrieren, als noch einen Schritt weiterzugehen.

Ich löse mich von ihrem Arm und greife stattdessen nach ihrer Hand und drücke sie fest. Ihre Augen flattern zu mir. Sie stellt mir eine stumme Frage und auch wenn ich sie nicht verstehe, nicke ich entschlossen.

Val atmet tief durch, quetscht meine Hand fester und zieht uns dann an den zwei geschmückten Tannen vorbei ins Innere.

„Alles wird gut!", wispere ich ihr zu und sie nickt. Ihre Lippen zittern und ich weiß nicht, ob wegen der Kälte oder ob sie Angst hat.

Vorsichtig ziehe ich sie näher zu mir und packe sie an den Schultern. „Du schaffst das. Es ist immer noch Eric."

Lyalls Augen ruhen auf mir und ich zucke zusammen. Sage ich das zu Valerie oder zu mir? Ist das wichtig? Ist es noch wichtig für Lyall?

Myriam kommt von der Rezeption zurück, Zara dicht hinter ihr. „Wir haben uns angemeldet."

Wir nicken und Nervosität schnürt mir die Kehle zu.

Wir waren alle schon bei Regina und ich habe ehrlich gesagt keine Lust, den bleichen, starren Körper noch einmal anzusehen. Sie sah aus wie tot, nur das Piepsen der Maschinen um sie hat mich vom Gegenteil überzeugt. Trotzdem war es eine Erinnerung an zu viele Verluste in der letzten Zeit. Gräber haben immerhin kein Gesicht mehr.

Myriam und Lyall schleifen uns praktisch bis zum Zimmer von Regina. Zumindest versuchen sie es.

Sobald wir aus dem Fahrstuhl auf den Flur der Intensivstation steigen, erwartet uns ein Chaos aus Pflegern und Ärzten. Und mittendrin Eric, der weinend an einer Wand lehnt.

Zara stürmt sofort ins Zimmer ihrer Mutter und Myriam boxt sich auf dem Weg ihr hinterher, an zwei Krankenschwestern vorbei. Lyall fängt eine der Pflegerinnen auf, bevor sie zu Boden stürzt, entschuldigt sich und löchert sie dann mit Fragen.

Valerie und ich stürzen zu Eric.

Er bemerkt uns erst als Valerie ihn von der einen und ich ihn von der anderen Seite umarme.

Sein ganzes Gesicht ist nass, als er uns mit großen Augen anstarrt.

Valerie rückt ein Stück von ihm ab. „Was ist passiert? Ist Regina...?" Sie bringt es nicht über die Lippen.

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