50. Kapitel - Eric

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Ich wechsle die Gestalt, sobald ich die Stadt verlassen habe.

Ich renne und keuche und verfluche den langen Weg vor mir. Und den langen Weg zurück. Lyall wird vor mir wieder bei Silas sein. Was, wenn sie die Jäger dann schon angreifen? Was, wenn sie entdeckt werden und Valerie verletzt wird?

Was, wenn der Mörder meines Vaters jetzt auch noch meine Mate tötet?

Ich laufe schneller und umrunde die Bäume, die in meinem Weg stehen, immer knapper.

Die Spitzen meines Pelzes streifen die Rinde und irgendwann gerate ich ins Straucheln und schaffe es gerade noch so, vor einem Baumstamm zum Stehen zu kommen.

Ich schnappe heftig nach Luft und verdränge das Stechen in meiner Brust.

Bestimmt nur Seitenstechen, weil ich zu unregelmäßig atme.

Valerie geht es so weit so gut. Ihr wird nichts passieren. Sie wird nicht enden, wie mein Vater.

Mir steigen wieder Tränen in die Augen und ich heule frustriert auf.

Es soll aufhören!

Da ist wieder diese Wut in mir und ich weiß nicht, wohin mit ihr. Ich konnte den Gedanken an den Jäger bis jetzt immer verdrängen, aber scheinbar gönnt mir die Göttin keine allzu lange Verschnaufpause.

Der einzige Gedanke, der noch klar in meinem Kopf existiert, ist der, dass ich keine Skrupel haben werde den Jäger zu töten, sollte er Valerie etwas antun.

Ich blinzle mir das Wasser aus den Augen und beginne wieder zu laufen.

Ich muss zum Lager, so schnell wie möglich. Ich muss meiner Mutter Bescheid geben und Alex und Marie. Silas könnte in Gefahr sein. Was, wenn die Jäger ihn auch gefangen nehmen?

Verliere ich alle, die mir wichtig sind?

Ich überquere den Ausläufer des Flusses an seiner schmalsten Stelle mit einem Sprung. Keine Zeit, für den Umweg über die Brücke.

Meine Pfoten landen im Wasser und die Kälte fährt mit einem eisigen Schauer durch meine Knochen.

Ich wate ans Ufer und schüttele mir den Pelz, obwohl er größtenteils trocken geblieben ist. Nur die Spitzen meines Bauchfells tropfen etwas.

Und meine Pfoten sind durchweicht und auf dem Schnee des Wegs rutsche ich aus und falle Schnauze voraus in eine Schneewehe.

Jetzt ist wirklich mein gesamter Pelz nass.

Fantastisch! Was hat die Göttin eigentlich gegen mich?

Ich bleibe für ein paar Sekunden einfach nur liegen und ich spüre, wie meine Augen schon wieder feucht werden.

Meine Brust ist eng. Eng, eng, eng.

Ich ziehe zittrig Luft ein und versuche auszuatmen, ohne dabei zu schreien.

Warum kann ich denn nicht mehr tun? Warum habe ich es nicht geschafft auf Valerie aufzupassen? Schon wieder?

Wer muss diesmal sterben, weil ich nichts hinbekomme?

Ich lasse die Kälte des Schnees um mich in meinen Körper sinken und die Kühle beruhigt meine Gedanken etwas.

Es ist kalt. Es ist weiß. Mein Atem ist eine kleine Wolke vor meiner Schnauze. Es ist kalt. Es ist weiß. Hinter dem Wald ist mein Lager.

Ich rappele mich auf und schüttele meinen Pelz nochmal.

Weiße, kalte Flocken rieseln zu Boden.

Eine Pfote vor die andere, bis ich wieder renne und um mich sind Bäume. Bäume, bis ich endlich auf dem großen Platz in meinem Lager stehe.

Ich keuche und zittere und meine Beine klappen einfach unter meinem Körper weg.

Meine Augen fallen zu und für eine Sekunde frage ich mich warum. Dann erinnere ich mich wieder daran zu atmen und meine Lider flattern auf.

Meine Mutter rennt auf mich zu und zum ersten Mal in Jahren sehe ich, wie ihre Haare wild und ungekämmt um ihre Schultern fliegen.

Sie ruft nach Alex, bevor sie mich auch nur erreicht und er erscheint vor einer der Hütten.

Dann kniet sie plötzlich vor mir und ich wundere mich, ob sie so schnell gerannt ist oder ob meine Augen wieder zugefallen sind.

Mir rauscht Blut in den Ohren, so laut, dass ich erst nach einigen Sekunden verstehe, dass meine Mutter mit mir spricht.

„Kohaku, mein Schatz, was ist passiert?", sie legt eine Hand auf meinen Kopf und ich keuche heiser.

Valerie wurde entführt. Von dem Mörder und noch einem. Silas ist ihnen nachgegangen.

Alex zuckt bei diesen Worten zusammen und Sorge huscht durch seine Gesichtszüge. Aber er fragt nicht nach.

Lyall ist ins andere Lager, aber wir waren in der Stadt, beim Café hintern Flusslauf und Valerie... Sie war auf einmal weg. Ich lasse den Kopf sinken. Ich konnte sie schon wieder nicht beschützen.

„Du trägst keine Schuld!", versichert mir meine Mutter und Alex nickt. „Aber wir sollten Ralf bescheid geben. Und dann zu Silas gehen. Ich nehme an, dass Lyall auch zu ihm zurück gehen wird?"

Ich nicke schwach.

„Gut. Hanako, bleib bei ihm, ich gehe und hohle Ralf. Er muss sich ausruhen!", Alex steht auf und verschwindet in einer Hütte.

„Du wirst nicht hier bleiben, selbst wenn ich dich darum bitte, oder?", meine Mutter sieht mir mit einem Seufzen in die Augen. Ich schüttele den Kopf, Nein. Es tut mir leid.

Sie hat vermutlich auch Angst, noch einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich drücke mich an sie. Sie blinzelt verlegen.

„Ich verstehe dich. Ich würde auch gehen wollen. Gehen müssen. Ich verstehe dich!", sie streicht mir über die Ohren.

Ich drücke meine Schnauze in ihre Handfläche und sie seufzt noch einmal.

Dann kommt Alex mit Ralf zurück, beide schon in ihrer Wolfsgestalt.

Auch meine Mutter verwandelt sich und ich erhebe mich.

Folgt mir!


Und es ist schon wieder so spät geworden.

Meine einzige Entschuldigung ist das Epic-Musical, das ich während dem Schreiben angehört habe und das viel zu gut ist ;)

Bis zum nächsten Mal 😊

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