|14-gebirge|

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Eine Woche später, am Freitag, gibt es noch einmal richtig viel Neuschnee. Die letzten Tage hat es kaum noch geschneit und durch die Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt liegt kaum noch Schnee. Doch als ich mit meinen Freund:innen in der letzten Univeranstaltung für dieses Jahr sitze, fällt in kurzer Zeit bestimmt zehn Zentimeter Neuschnee.

„Wenn das nicht weiße Weihnachten werden!", freut sich Simon, als wir kurz darauf unter dem Vordach des Unigebäudes stehen. „Das kann schon passieren", stimmt Jannik zu, indessen er sich seine Kapuze überzieht. Ich nicke ebenfalls, denn immerhin ist Heiligabend schon am Dienstag. Ich freue mich tatsächlich darauf, die Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Auch, wenn sich meine Familienmitglieder wie gewohnt wenig um mich kümmern werden, so ist doch der allgemeine Stresspegel niedrig. Und zumindest mit Tijana habe ich mich in der letzten Zeit doch ziemlich wohl gefühlt.

Das lag nicht zuletzt an Tomke. Nach unserer Backaktion am Samstag haben wir uns tatsächlich noch einmal am Sonntag für einen kurzen Spaziergang vor meinem Treffen für das Referat und am Mittwoch zum Kochen getroffen. Ich konnte meinen hübschen Nachbarn von meiner selbstgemachten Tomatensoße zu Nudeln überzeugen und hatte zudem eine grundlegend gute Zeit mit ihm. Und wenn unsere gegenseitigen Berührungen noch ein klein wenig zugenommen haben, so habe ich da absolut kein Problem mit.

Doch nicht nur in Tijanas und Tomkes Gegenwart habe ich mich irgendwie gut und richtig gefühlt. Auch meine Freund:innen in der Uni haben dafür gesorgt, dass ich mich immer mit einbezogen und als wichtiger Teil der Freundesgruppe sehe. Sicherlich haben sie sich kaum anders verhalten als früher, doch so langsam lerne ich, mich nicht immer selbst als schlecht oder zumindest unnötig darzustellen und stattdessen zu akzeptieren, dass sich Leute für mich interessieren und um mich sorgen.

Dass auch Hermann zu diesen Personen zählt, stelle ich wieder einmal auf dem Heimweg von der Uni an diesem Tag fest. Ich habe ein paar der Kekse, welche ich zusammen mit Tomke gebacken habe, in eine kleine Tüte getan und sogar eine Schleife herumgebunden. Als ich ihm diese Tüte nun mit einem verlegenen Lächeln entgegen halte, erfüllt mich sein überraschtes Strahlen mit tiefer Freude.

„Theo! Wie lieb du bist. Hast du die selbst gebacken?", will er gerührt wissen. Ich nicke und denke dabei an Tomke, was ich sowieso viel zu häufig mache. Hermann lenkt mich glücklicherweise ab, indem er mich behutsam in den Arm nimmt, ehe er mich bittet, ihn zu seinem Büro zu folgen.

Einen Augenblick später habe habe ich ein buchförmiges Päckchen in der Hand, an welchem ein kleiner Schokoladen-Weihnachtsmann klebt. „Oh! Darf ich das schon auspacken?", will ich von ihm wissen, weshalb er lacht. „Eigentlich ist noch nicht Heiligabend, aber man sieht ja bereits, was drin ist und ich will wissen, ob es dir, zumindest vom ersten Eindruck her, gefällt", gibt der ältere Herr zu. Grinsend beginne ich, vorsichtig die Klebestreifen vom Papier zu trennen und biege es dann auseinander. Zum Vorschein kommt natürlich ein Buch, doch das Cover lässt vermuten, dass es sich hierbei um einen schwulen Liebesroman handelt.

„Ich hoffe, dass es dir gefällt. Es ist spielt wohl auch im Winter, deshalb dachte ich, dass du dich da vielleicht wieder findest." Ich hebe überrascht den Kopf. „Was meinst du damit?", frage ich neugierig nach. „Ach Theo, glaubst du, ich bemerke nicht, dass bei dir was anders ist?", erwidert er glucksend. „Und auch, wenn du kaum was von dir erzählst, was natürlich total in Ordnung ist, meine ich doch zu wissen, dass da ein anderer junger Mann hinter steckt", teilt er mir seine Vermutung mit. „Und nein, das ist nicht auffällig. Aber du hast dich einfach ein bisschen anders verhalten als sonst und hast quasi nur queere Liebesbücher bei mir gekauft. Da brauchte ich nur eins und eins zusammenzählen", kommt er jeder Nachfrage zuvor.

Ich werde ein bisschen rot, zucke dann jedoch grinsend mit den Schultern. „Da liegst du wahrscheinlich gar nicht so falsch. Aber ich weiß wirklich nicht, ob und was das wird, also freu dich nicht zu früh", ermahne ich ihn und irgendwie auch mich.

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