|19-zweifel|

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Gegen Ende der Woche wird es endlich ein wenig wärmer. Noch riecht die Luft nicht nach Frühling, doch da es am Samstag zum ersten Mal über zehn Grad sind und die Sonne vom wolkenlosen Himmel strahlt, entscheiden Tomke und ich spontan, unser Treffen nach draußen zu verlegen. Also packe ich eine Thermoskanne mit Tee und ein paar meiner liebsten Haferkekse ein, bevor ich Tomke abhole.

Mein karamellhaariger Nachbar tritt mit einem Skateboard unter dem Arm aus der Tür und ich habe das Gefühl, dass ihn dieses Hobby für mich noch ein wenig attraktiver macht, so klischeehaft, wie das auch sein mag. Sobald er mich erblickt, beginnen seine Augen zu leuchten, weshalb ich ihn sofort in meine Arme ziehe, als er vor mir steht.

„Hey", begrüßt er mich lächelnd. „Ich habe mir gedacht, heute ist der perfekte Tag, um dir ein bisschen skaten beizubringen", teilt er mir seine Idee mit, weshalb ich zweifelnd seufze. „Ich hab echt nicht so die Körperkoordination, Tomke. Sicher, dass das eine gute Idee ist?", frage ich nach. Mein hübscher Nachbar legt mir lachend einen Arm hinter meinem Rucksack um den Rücken. „Ich bin ja da und passe auf dich auf, versprochen", beruhigt er mich. Ich bin zu beschäftigt damit, seine Nähe zu genießen, als dass ich ihm widersprechen kann.

Tomke führt mich zu einem verlassenen Parkplatz am Stadtrand, von dessen Existenz ich bisher nichts wusste, obwohl er maximal zwanzig Minuten Fußmarsch entfernt ist. Zwar lässt er mich auf dem Weg irgendwann los, doch so wirklich Abstand nehmen tut er nicht. Ich entschließe, nicht so viel nachzudenken oder zu zweifeln und stattdessen die Wärme und das Licht ganz tief in meinem Herzen abzuspeichern.

„Okay, stell dich drauf", fordert er mich auf, als wir unsere Rucksäcke abgestellt haben. Ich blicke das Skateboard skeptisch an, stelle dann jedoch probeweise einen Fuß drauf - und lege mich augenblicklich beinahe auf die Nase, weil es direkt losrollt. Glücklicherweise hält mich ein leise lachender Tomke an der Hüfte fest, sodass ich nicht sofort Bekanntschaft mit dem Boden mache.

„Theo! Du solltest es nicht gleich losschieben!", grinst er, weshalb ich empört seine Schultern, an welchen ich mich reflexartig festgehalten habe, loslasse. „Sehe ich so aus, als würde ich mich absichtlich hinlegen wollen?", entgegne ich, beide Füße wieder auf festem Boden. Der Karamellhaarige schüttelt noch immer lächelnd den Kopf, ehe sein Blick an mir hinab wandert und er seine Hände ruckartig von mir zieht.

„Sorry", presst er hervor, mit einem Mal nicht mehr grinsend. „Alles gut. Das hat mich nicht gestört", gebe ich leise zurück und suche seinen Blick. Das ist vielleicht ziemlich untertrieben, weil ich es total genieße, wenn wir so ungezwungenen Körperkontakt haben. Dennoch scheint Tomke sich da nicht vollends sicher mit zu fühlen, weshalb ich einen kleinen Schritt zurücktrete.

„Kann ich mich an deiner Schulter festhalten, wenn ich es noch einmal probiere?", will ich leise wissen. „Weil sich meine natürliche Begabung scheinbar in Grenzen hält und ich mich mit dir sicherer fühle", schiebe ich hinterher, da Tomke mich nur wortlos anstarrt. Jetzt nickt er schnell und löst seinen Blick von mir. „Klar", stimmt er dann zu und lächelt mich vorsichtig an. „Du bekommst das bestimmt besser hin, als du glaubst", vermutet er dann und rollt das Board wieder vor meine Schuhe. Ich mache ein zweifelndes Geräusch, doch kurz darauf stehe ich sogar mit beiden Füßen auf dem wackligen Teil, indessen ich mich an Tomkes Schultern festhalte.

„Super, Theo!", ruft dieser begeistert und strahlt mich von unten an. Ich versuche, die Balance zu halten und gleichzeitig nicht zu sehr in seinen stolz funkelnden blauen Augen zu versinken. „Willst du mal ein Stück fahren?", schlägt er dann vor, ohne unseren Augenkontakt zu unterbrechen. Ich nicke ein wenig abgelenkt und bekomme beinahe einen Herzinfarkt, als er mich sanft seitwärts schiebt.

„Oh Gott, Tomke! Hilfe!", rufe ich halb lachend, halb verzweifelt, da sich mein Gleichgewicht durch die plötzliche Bewegung ziemlich in Grenzen hält. Tomke hält mich nun wieder fest, diesmal etwas höher an meinem Rumpf, und scheint sich über meine Schwierigkeiten gut zu amüsieren. „Guck, so schlimm ist es doch gar nicht", beruhigt er mich, als ich schließlich wieder mehr oder minder stabil stehe. „Ich lass dich jetzt mal los, okay?"

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